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Ein Euro-Preisschild für CO2-Emissionen an einem qualmenden Fabrikschornstein © iStock/aprott

Lorenz Gösta Beutin: Historisches Klima-Urteil aus Karlsruhe fordert echte Klimagerechtigkeit

Rede von Lorenz Gösta Beutin,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem Zitat von Nelson Mandela beginnen:

"Frei zu sein bedeutet nicht nur, seine eigenen Fesseln zu lösen, sondern ein Leben zu führen, das auch die Freiheit anderer respektiert und fördert."

Ganz in diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es gibt kein Recht, mit 200 km/h mit dem SUV über die Autobahn zu brettern, wenn die Zukunft der kommenden Generationen verheizt wird. Freiheit bedeutet, die Lebensgrundlagen unserer kommenden Generationen zu erhalten.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist eine Absage an den kurzfristigen Profit, an ein neoliberales Freiheitsverständnis, an die Freiheit des Ellenbogens. Freiheit bedeutet eben, dass wir ganz klar sagen: Das geht nur mit Demokratie, das geht nur mit sozialer Gerechtigkeit, und das geht nur mit dem Erhalt der Lebensgrundlagen der Menschheit. – Darunter darf es dieser Bundestag nicht mehr machen.

(Beifall bei der LINKEN – Martin Reichardt [AfD]: Da hat sich ja der Sozialismus immer sehr verdient gemacht, beim Erhalt der Lebensgrundlagen!)

Der Beschluss zum Klimaschutzgesetz besagt, dass Deutschland durch die Verfassung verpflichtet ist, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Die Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad ist eine Verantwortung, die Deutschland, die wir hier im Bundestag wahrnehmen müssen.

Freiheit, Gerechtigkeit, internationale Verantwortung – seit Jahren macht sich die Linke genau dafür hier im Bundestag stark. In den Beratungen 2019 über das sogenannte Klimaschutzgesetz haben wir gesagt, dass diese Bundesregierung dieser Verantwortung nicht gerecht wird. Wir sind froh darüber, dass das Bundesverfassungsgericht unsere Einschätzung bestätigt hat.

In einer Art wahlkämpferischer Panikattacke hat jetzt die Bundesregierung die Erhöhung der Klimaziele auf den Weg gebracht. Das ist nicht unterfüttert durch ausreichende Maßnahmen. Wir sehen, wie Söder in Bayern weiterhin daran festhält, die Windkraft auszubremsen. Wir sehen, wie Laschet weiterhin Dörfer abbaggern lässt, Menschen enteignet und vertreibt. In der Bundesregierung sitzen mit Herrn Altmaier und mit Herrn Scheuer weiterhin personifizierte Klimaschutzbremsen. Und in Brandenburg, liebe Annalena Baerbock, habt ihr zusammen mit CDU und SPD größere Windkraft-Abstände vereinbart: bis zu 1 500 Meter.

(Beifall des Abg. Jens Koeppen [CDU/CSU])

Das sind größere Windkraft-Abstände, als sie Herr Laschet in NRW vorschreibt. Man muss sich doch irgendwann entscheiden, zu welcher Politik man steht. Mit dieser Union ist kein Klimaschutz zu machen. Mit dieser Union ist keine soziale Gerechtigkeit zu machen.

(Zuruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

CDU und CSU gehören auf die Oppositionsbank.

(Beifall bei der LINKEN)

Was ist der Unterschied zwischen der Klimapolitik der Linken und der der anderen Fraktionen? Wir wollen ganz klar Klimagerechtigkeit. Wir sagen, wir brauchen einen grundlegenden Systemwandel. Wir wollen die Gesellschaft sozial und ökologisch gestalten. Wir wissen, dass es nicht reicht, den Kapitalismus nur grün anzumalen – man muss ihn ganz grundlegend überwinden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ah! Ist ja interessant! – Martin Reichardt [AfD]: Wo wollt ihr denn hin? Wieder zum Stalinismus?)

Das Klima darf nicht wie bisher auf dem Rücken derer geschützt werden, die am Ende des Geldes noch viel zu viel Monat haben. Die Energiewende darf nicht weiter dazu führen, dass Millionen in Zahlungsschwierigkeiten geraten, wenn sie am Ende des Monats ihre Stromrechnung erhalten.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Wer hat denn den Strom teuer gemacht?)

Ich darf als Beispiel anführen: Im letzten Jahr, auch während des Lockdowns, sind fast 300 000 Haushalten der Strom und das Gas abgestellt worden. Während des Lockdowns verhängt diese Bundesregierung Stromsperren und haut gleichzeitig die großen Konzerne raus. Ganz ehrlich: Ihre Aufgabe ist es, die Ärmsten und die Schwächsten dieser Gesellschaft zu schützen. Da haben Sie grundlegend versagt, und dafür sollten Sie sich schämen!

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Christoph Hoffmann [FDP]: Würdiger Nachfolger von Karl-Eduard von Schnitzler!)

Seit Jahren steigen die Strompreise, auch weil Sie ohne Sinn und Verstand Fleischfabriken, große Konzerne von der Umlage zum Ausbau der erneuerbaren Energien ausnehmen.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sie haben das Prinzip ja gar nicht verstanden!)

Ihr neuester Coup: Sie wollen Mineralölkonzerne und Düngemittelhersteller und andere Unternehmen von der Zahlung des CO2-Preises entlasten. Das heißt, die größten Verschmutzer des Klimas wollen Sie von der Zahlung des CO2-Preises ausnehmen, während Sie auf der anderen Seite Mieterinnen und Mieter jetzt, während des Lockdowns, während der Coronakrise, mit dem CO2-Preis weiter belasten. Dieser CO2-Preis ist nicht nur unwirksam, er ist sozial ungerecht.

Unserer Forderung, den CO2-Preis auf die Vermieterinnen und Vermieter umzulegen, wie es Deutsche Umwelthilfe und Deutscher Mieterbund fordern,

(Martin Reichardt [AfD]: Sie wollen das umlegen? Das habe ich überhaupt nicht verstanden!)

haben Sie hier im Bundestag eine Absage erteilt.

Ihr Klimaschutz ist sozial ungerecht. Im September muss dem eine Absage erteilt werden, wenn wir die Zukunft der Menschheit erhalten wollen. Diese Bundesregierung hat keine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft. Kanzlerin Merkel hat gestern beim Petersberger Klimadialog gesagt, dass sie von Klimagerechtigkeit, von der besseren Finanzierung des Globalen Südens, nichts hält. Sie will einen globalen CO2-Handel. Ich meine, man braucht keine immer neuen CO2-Börsen. Da gibt es Zaubertricks, von denen vor allem die Anwälte, die Konzerne und die Beraterfirmen profitieren.

Liebe Annalena Baerbock, es ist doch an der Zeit, dass man sich entscheidet an dieser Stelle. Es ist die Frage zwischen Opposition und Regierung. Es ist die Frage, ob wir mit mehr Markt oder ob wir mit sozialer Gerechtigkeit Klimaschutz machen.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beides!)

Wir müssen Klimagerechtigkeit wagen. Wir müssen den sozialökologischen Umbau dieser Gesellschaft wagen. Nur so können wir die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft erhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der AfD: Keine Ahnung!)