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Lohndumping verursacht Euro-Krise

Rede von Michael Schlecht,

Michael Schlecht (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht schlecht um Europa,
(Oliver Luksic (FDP): Was der Herr Schlecht so sagt!)
solange die beiden Fraktionen des Deutschen Bundestages, die die Regierung bilden, die Mehrheit haben; denn Sie haben Ansichten, die auf die Zerstörung des europäischen Integrationsprozesses hinauslaufen.
(Oliver Luksic (FDP): Das sagt gerade die Linke! Also wirklich! Immer gegen Europa! Auch gegen Lissabon!)
Ich erkläre Ihnen das. Bleiben Sie doch ganz ruhig. Sie können etwas lernen, wenn Sie hier zuhören.
(Oliver Luksic (FDP): Das glaube ich nicht!)
Ihre Position, die Sie hier jetzt mehrfach vorgetragen haben, ist, dass die Außenhandelsungleichgewichte, die Leistungsbilanzüberschüsse, überhaupt kein Problem sind und dass dies eine vermeintliche Stärke Deutschlands ist. Das ist ein großer Irrtum. In diesem Punkt besteht eine große Differenz.
Wenn man alle Außenhandelsüberschüsse Deutschlands der letzten zehn Jahren aufaddiert es hat ja immer Überschüsse gegeben , dann erhält man eine Summe in der Größenordnung von 1,2 Billionen Euro. Diese 1,2 Billionen Euro Außenhandelsüberschuss sind und waren nur möglich, weil es auf der anderen Seite Länder gibt, die Außenhandelsdefizite in entsprechender Größenordnung haben. Das heißt im Klartext, sich verschulden mussten. Da Deutschland gut 60 Prozent seines Außenhandels mit seinen europäischen Partnerländern betreibt, ist klar, dass sich die Außenhandelsüberschüsse Deutschlands vor allen Dingen in einer zunehmenden Verschuldung dieser Länder widerspiegeln. Der Überschuss in Deutschland findet sich also spiegelbildlich in dieser Verschuldung wieder. Insofern muss die Verschuldung in diesen Ländern sei es in Griechenland, Portugal oder wo auch immer immer in einem inneren Zusammenhang mit der deutschen Wirtschaftspolitik gesehen werden. Es kommt also gerade hier von Deutschland aus zu einer Verschärfung dieses Problems.
Die spannende Frage ist natürlich, warum es diesen Außenhandelsüberschuss überhaupt gibt. Der zentrale Indikator für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Frau Kudla, ein paar Indikatoren haben Sie ja aufgeführt , nämlich die Lohnstückkosten, hat mir bei der Betrachtung hier bisher gefehlt. Die Produktivitätsentwicklung und die Lohnentwicklung werden quasi in diesem Indikator zusammengefasst.
(Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Die wollen Sie erhöhen?)
Den Außenhandelsüberschuss gibt es, weil die Lohnstückkosten in Deutschland in den letzten zehn Jahren gerade einmal um 6 Prozent gestiegen sind, während sie in allen anderen europäischen Ländern um 20 bis 30 Prozent gestiegen sind.
Hier in Deutschland haben die Unternehmer also durch diese sehr schwache Steigerung der Lohnstückkosten einen ganz dramatischen Wettbewerbsvorteil gehabt.
(Oliver Luksic (FDP): Sie sind doch immer noch höher als in Portugal!)
Die Ursache dafür liegt darin das ist eigentlich der größte Skandal, den man benennen kann , dass die Reallöhne in Deutschland in den letzten zehn Jahren um 4,5 Prozentpunkte gesunken sind. Das ist der zentrale Skandal, der hier zu einer massiven Ungerechtigkeit geführt hat.
(Beifall bei der LINKEN – Oliver Luksic (FDP): Das ist doch die Angleichung, die Sie wollen!)
Dieser Skandal führte eben auch dazu, dass sich die anderen Länder aufgrund dieser ich sage es einmal so ungeordneten Wettbewerbsvorteile und vor allem der Schwächung der Binnennachfrage hier am Ende massiv verschuldet haben. Das Lohndumping hier in Deutschland ist nicht nur dadurch bedingt, weil es keinen Mindestlohn gibt, sondern vor allen Dingen durch die Agenda 2010, durch den Lohndumpingmechanismus in Form von Befristung, Leiharbeit, Minijobs und dem Arbeitslosengeld II, also Hartz IV. Das ist sozusagen die Ursache für diesen Prozess. Dafür trägt Rot-Grün große Verantwortung. Das sind die entscheidenden Ursachen für die jetzige Situation.
Eines muss man ganz klar sagen: Wenn Europa gerettet werden soll, dann brauchen wir in Deutschland eine Umkehr dieser Entwicklung. Wir müssen wieder hin zu einer ganz anderen Lohnentwicklung kommen. Dies erreichen wir nur, wenn die Agenda 2010 stückchenweise auf eine vernünftige Ordnung am Arbeitsmarkt zurückgeführt wird.
Es gibt ferner die Möglichkeit, dass es durch Stärkung der Binnennachfrage mehr Importe gibt. Dann gibt es auch die Möglichkeit, dass sich ein Teil der Exportwirtschaft eher auf binnenländische Verwendungen konzentriert. Damit lässt sich der Exportüberschuss abbauen. Dadurch ist es möglich, dass die anderen Länder nicht mehr wie noch heute in die Verschuldung getrieben werden. Am Ende fragt man sich dann, wie das alles passieren konnte.
Ich danke Ihnen vielmals.
(Beifall bei der LINKEN)