Rede der verbraucherpolitischen Sprecherin zur 2./3. Lesung des Verbraucherinformationsgesetzes im Deutschen Bundestag
Herr Präsident!Sehr verehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mit dem heutigen Tag hätte die Große Koalition einen verbraucherpolitischen Meilenstein setzen können. Ich betone: hätte! Denn der Gesetzentwurf, den uns die Koalition hier zur Entscheidung vorlegt, ist höchstens ein Stolperstein.
Dieses Gesetz ist kein modernes Verbraucherinformationsgesetz, sondern ein Bürokratiebeschaffungsprogramm. Es schreibt für die Informationsbeschaffung einen bürokratischen Aufwand fest, der für die Verbraucherinnen und Verbraucher in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht. Wenn ich im Supermarkt wissen will, ob die Paprika an der Gemüsetheke pestizidbelastet sind, dann möchte ich nicht erst einen Antrag bei der örtlichen Lebensmittelkontrolle stellen. Das kann und soll der Händler mir bitte schön selber sagen.
„Mündige Verbraucherinnen und Verbraucher müssen Zugang zu den Informationen haben, der ihnen die bewusste Auswahl von Produkten und Dienstleistungen ermöglichen und eine eigenverantwortliche Marktteilnahme gewährleistet. Und: „Informationen sind am ehesten bei den Unternehmen selbst erhältlich. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten daher die Möglichkeit des Zugangs zu diesen Informationen bekommen. Dies gilt für Lebensmittel, sonstige Produkte und Dienstleistungen gleichermaßen.“
Genauso ist es!
Das ist auch meine Meinung. Aber das sind nicht meine Worte. Diese Sätze stammen aus dem Entschließungsantrag 16/2035, den uns die Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen zusammen mit der ersten Fassung des Gesetzes im letzten Jahr hier vorgelegt haben.
Warum haben Sie diese Erkenntnis aus dem Jahr 2006 nicht in dem neuen Gesetzentwurf umgesetzt?
Mit unserem Entschließungsantrag unterstützen wir diese Forderungen sogar. Aber Sie haben die Entscheidung des Bundespräsidenten leider nicht als Chance genutzt, im zweiten Anlauf einen besseren Gesetzentwurf vorzulegen.
Sie legen uns jetzt erneut eine Ansammlung von politischen Halbherzigkeiten, Schlupflöchern und Informationsbegrenzungen vor. Sie machen sich schon wieder willfährig zum Anwalt von Wirtschaftsinteressen. Sie
ignorieren auch dieses Mal die zahlreichen und berechtigten Einwände von Verbraucherorganisationen und Datenschützern.
Ist das nun Halsstarrigkeit, Ignoranz oder Arroganz?
Nicht nur wir wollen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die Informationen bekommen, die sie interessieren und die sie benötigen, ganz gleich, ob es sich dabei um Lebensmittel, technische Geräte oder um Arzneimittel handelt oder ob jemand Informationen zu Finanzdienstleistungen oder Pflegediensten braucht.
Selbstverständlich müssen die Informationen von dort kommen, wo sie am leichtesten, am umfangreichsten und nicht zuletzt am schnellsten verfügbar sind: von den Unternehmern und den Dienstleistern direkt, und zwar ohne Einschränkungen mit Hinweis auf vermeintliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen.
Verbraucherinnen und Verbraucher sollen eigenverantwortlich und selbstbestimmt ihre Entscheidungen treffen können. Dazu müssen wir ihnen die Voraussetzungen schaffen. Ein Verbraucherinformationsgesetz, das diesen Namen auch verdient, müsste deshalb ein umfassendes Recht auf Information absichern. Es müsste den kostenfreien Zugang zu Informationen sichern und die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber Wirtschaft und Verwaltung stärken. Aber das tut der vorliegende Entwurf nicht! Deshalb werden wir diesem Informationsbehinderungsgesetz nicht zustimmen.
Wir sehen mit Spannung der versprochenen Evaluierung des Gesetzes in zwei Jahren entgegen.
Vielen Dank.