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LINKE fordert Stärkung und Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung statt ihrer Schwächung

Rede von Roland Claus,

Rede von Roland Claus, Mitglied im Haushaltsausschuss und Ostkoordinator seiner Fraktion, in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 16. Januar 2014 zur Finanzierung künftiger Kosten des geplanten Rentenpakets der Bundesregierung

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

 

Herr Kollege Weiß hat soeben behauptet, mit dem Bundesfinanzminister sei eine Verabredung über die Steuerfinanzierung dieser Aufgaben in den Jahren 2018/19 getroffen worden. Wenn ich Wolfgang Schäuble vor wenigen Tagen richtig verstanden habe, so hat er genau dies abgelehnt und hat darauf verwiesen, dass diese Regierung für vier Jahre gewählt ist und dass mit ihm solche Schecks in die Zukunft nicht zu machen sind. Bleiben Sie redlich, Herr Kollege!

(Beifall bei der LINKEN ‑ Harald Weinberg (DIE LINKE): Hört! Hört! ‑ Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): So ist es!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gehe einmal davon aus, dass Sie alle redliche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind. Stellen wir uns jetzt einmal einen Moment vor, wir nähmen 3 Euro zur Hand. Ich benutze dieses Bild zu einem bestimmten Zweck: Es wird nämlich so sein, dass ab dem Jahre 2017 jeder dritte von diesen 3 Euro in die Stabilisierung der Rentenkassen fließen wird. Das ist eine gigantische Dimension der Verwendung von Steuermitteln, die bei der Grundanlage der Rentenversicherung so natürlich nicht gewollt war, die Sie aber inzwischen herbeigeführt haben. Diese Summe wird ‑ das ist das Schlimme ‑ noch nicht einmal ausreichen, weil Sie gerade dabei sind, die Rentenkassen systemwidrig zu entleeren. Das Gegenteil wäre richtig und vernünftig, nämlich eine Stärkung und Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung statt ihrer Schwächung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Titel der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde beschreibt präzise, worum es hier geht. Es geht in der Tat um die künftigen Kosten des geplanten Rentenpaketes. Wir wollen dabei nicht vergessen: Die gesetzliche Rentenversicherung ist eine soziale Erfolgsgeschichte des vorigen Jahrhunderts. Die meisten Länder der Erde haben bis heute keine vergleichbaren Rentenversicherungen. Die Rentenversicherung hat auch die deutsche Teilung überstanden, natürlich auf unterschiedlichem finanziellem Niveau. Aber seit Mitte der 1990er-Jahre wurde die Rentenversicherung mit Niedriglohn, mit Dumpingtarifen, später mit Hartz IV schwer beschädigt.

Norbert Blüm konnte noch stolz den Satz sagen ‑ Sie alle kennen diesen Satz noch ‑: „Die Rente ist sicher.“ Andrea Nahles ist bestimmt alles andere als schüchtern; aber das traut sie sich nicht. Wir haben ein kaputtes Rentensystem. Wie es anders ginge, hat Ihnen mein Kollege Birkwald vorhin erzählt. Aber das traut sich die Koalition natürlich nicht. Sie weiß: Bei den Armen ist nichts zu holen. An die Reichen traut sie sich nicht heran. Deshalb wird auf Dauer immer die Mitte der Gesellschaft belastet. Nun sollen ein paar Beruhigungspillen das Problem lösen.

Wir wissen natürlich: Jedes Drehen an der Rentenschraube hat eine Wirkung, die sich über mehrere Jahrzehnte bemerkbar macht. Ich will das einmal durch einen Vergleich des Rentenzuschusses aus dem Bundeshaushalt über ein paar Jahre verdeutlichen ‑ vielleicht fällt Ihnen etwas auf ‑: 2008  78 Milliarden Euro, 2010  81 Milliarden Euro, 2013  81 Milliarden Euro, 2014  82,5 Milliarden Euro, 2016  87 Milliarden Euro und 2017  90 Milliarden Euro.

Daraus lassen sich doch mindestens zwei Erkenntnisse ableiten: Zum einen wird jeder dritte Euro des Steuerzahlers, der dem Bund zufließt, für die Rente verbraucht, ein gigantischer, aber häufig der Öffentlichkeit vorenthaltener Posten. Zum anderen wird es ab 2014 bei diesen Zuschüssen zu einer extremen Steigerung um fast 10 Milliarden Euro kommen. Da muss man doch einmal die Frage stellen dürfen: Sind diese Wohltaten da schon eingepreist gewesen?

(Beifall bei der LINKEN)

Auch mit dieser Rentenreform wird die Ungleichheit zwischen Ost und West weiter fortgesetzt, und das im 24. Jahr der deutschen Einheit. Eine Mutter aus Leipzig, deren Kind 1971 geboren wurde, bekommt so 700 Euro weniger Rente als eine Mutter in Köln, deren Kind 1993 geboren wurde. Die Angleichung der Rentenwerte Ost und West haben Sie ganz und gar aufgegeben. So wird deutsche Einheit nicht befördert, sondern vergeigt. Deshalb sagt Ihnen die Linke: Wirkliche Einheit geht anders.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber wie kommt so etwas? Ich sage Ihnen: Eine Große Koalition hat immer auch Züge einer Zwangsheirat. Wo politische Zuneigung fehlt, regiert das Schachern: Gibst du mir, gebe ich dir. Die SPD wollte Soziales bei der Rente, die CDU/CSU keine Steuererhöhungen, und das Ergebnis ist das, was uns vorliegt: organisierter Selbstbetrug auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Volker Kauder hat doch ganz offen gesagt: Wir machen das jetzt aus der Rentenkasse, 2018 wird es dann steuerfinanziert. Das heißt doch: Vier Jahre die Rentenkasse belasten und dann nach der Pille danach rufen. Das können wir Ihnen doch nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ‑ Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ich habe nichts gegen die Pille danach!)

 ‑ Ich auch nicht. ‑ Ich habe den Eindruck: Wenn diese Regierung so weitermacht, wird sich eine völlig neue Allianz herausbilden, eine Allianz gegen diesen ungebremsten Populismus. Der Haushaltsausschuss ‑ womöglich in seiner Gänze ‑ und der Bundesfinanzminister werden diesen Spuk vertreiben. Wäre das nicht eine schöne Vision?

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)