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Leiharbeit bleibt Lohndumping - auch in der Bürgerarbeit

Rede von Jutta Krellmann,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im manager magazin vom 26. April dieses Jahres stand: „Eine Branche rettet ihr Geschäftsmodell.“ Gemeint ist damit der Mindestlohn in der Leiharbeit. Dieser garantiert der Branche satte Gewinne und lässt den Leiharbeitsbeschäftigten auch weiterhin nur Krümel übrig. Fakt ist:
Erstens. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist durch Ihr Gesetz vom Tisch. Leiharbeit bleibt Lohndumping ohne Wenn und Aber.
Zweitens. Die eh schon niedrigen Löhne in der Leiharbeit bleiben, wie sie sind. Wir reden von 7,79 Euro im Westen und 6,89 Euro im Osten.
Drittens. Der miese Mindestlohn in der Leiharbeit sichert den Leiharbeitsfirmen auch nach der Arbeitnehmerfreizügigkeit fette Gewinne. Im Klartext heißt das: Ein polnischer Leiharbeitnehmer wird ebenso schlecht bezahlt wie sein deutscher Kollege.
Viertens. Dann gibt es noch die Werkverträge. Sie erlauben den Firmen, den miesen Mindestlohn in der Leiharbeit noch zu unterbieten. Ich finde, das ist ein absoluter Skandal.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Kein Wunder, dass der Chef von Randstad, Herr Eckard Gatzke, das neue Gesetz der Bundesregierung in höchsten Tönen lobt. Fragen Sie mal die Millionen Leiharbeitsbeschäftigten in Deutschland, was sie davon halten. Die Linke sagt: Es gibt keinen Grund, warum am gleichen Arbeitsplatz Beschäftigte unterschiedlich entlohnt werden,
(Gitta Connemann (CDU/CSU): Ach!)
außer wenn es darum geht, die Taschen der Branchenbosse zu füllen. Im Grunde setzen Sie noch einen drauf: die Leiharbeit in der Bürgerarbeit. Die Bürgerarbeit haben Sie als Arbeitsbeschaffung für Langzeitarbeitslose erfunden. Fest steht: Die Menschen werden gering bezahlt und sind nicht voll sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrer Bürgerarbeit droht den Beschäftigten wieder Hartz IV; denn von 900 Euro für 30 Stunden oder 600 Euro für 20 Stunden brutto kann kein Mensch leben. Das Programm ist ein Flop. Von 34 000 vorgesehenen Stellen werden bis Ende März nur 1 400 besetzt.
Nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi und der Linken sind die Kommunen verpflichtet, den Tarif des öffentlichen Dienstes in der Bürgerarbeit zu zahlen. Das würde 200 bis 300 Euro mehr pro Bürgerarbeitsplatz kosten. Doch die Kommunen sind klamm und lehnen das ab. Jetzt greift die Bundesregierung in die Trickkiste: Leiharbeit ist nun in der Bürgerarbeit zugelassen;
(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Furchtbar!)
somit gilt für diese Beschäftigten nicht mehr die unterste Tarifentlohnung des öffentlichen Dienstes. Damit werden sie praktisch um 1 Euro pro Stunde beschissen. Wenn Ihre Empörung im Fall Schlecker nicht nur leeres Geschwätz war, dann müssten Sie bei der Anweisung aus Ihrem Ministerium knallrot anlaufen.
(Maria Michalk (CDU/CSU): Die weiß nicht, wovon sie redet!)
Frau von der Leyen, ich fordere Sie - auch in Abwesenheit, übermittelt durch Herrn Brauksiepe - auf, die Leiharbeit in der Bürgerarbeit sofort zu stoppen.
(Beifall bei der LINKEN - Maria Michalk (CDU/CSU): (CDU/CSU): Nein! Genau das nicht! Sie wissen nicht, wovon Sie reden!)
Hätten Sie auf uns gehört, wäre Lohndumping in der Leiharbeit längst Geschichte. Mit unserem Gesetzentwurf wäre Leiharbeit wieder für die Abdeckung von Auftragsspitzen da. Frankreich macht uns das praktisch vor: Leiharbeiter bekommen den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigte plus 10 Prozent Flexibilitätsprämie, und das funktioniert, auch in zehn weiteren europäischen Ländern.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
Selbstverständlich gerne.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Frau Kollegin Gitta Connemann will Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Bitte schön, Frau Kollegin.
Gitta Connemann (CDU/CSU):
Frau Kollegin Krellmann, Sie haben gerade in Ihrer Rede gesagt: wenn man Sie denn gefragt hätte. Ich frage Sie jetzt, wie Sie sich ein Arbeitsleben sinnvollerweise vorstellen, ob nach den Modellen, für die wir uns hier einsetzen, oder nach den Modellen in Berlin. Denn wir konnten am 18. April dieses Jahres einem Bericht in der Berliner Morgenpost entnehmen, dass die BSR Hunderte von Tagelöhnern beschäftigt; das ist in Berlin. Es wird deutlich, dass die Schneewinterhilfskräfte mit Billigung des Wirtschaftssenators jeweils Eintagesverträge - die Betonung liegt auf „Eintagesverträge“ - zu niedrigeren Löhnen erhalten haben. Ich nenne Ihnen gerne den Namen des Wirtschaftssenators: Er heißt Harald Wolf, gehört der Linken an und ist Aufsichtsratschef der BSR. Wie beurteilen Sie ein solches Arbeitgeberverhalten?
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
Ein solches Arbeitgeberverhalten kann man nicht rechtfertigen, und solchen Dingen muss man nachgehen. Das, was ich gesagt habe, gilt für den Bund, für Berlin und Brandenburg, für Hessen, für Niedersachsen und für die friesische Küste, wo Sie herkommen. Gleiches Geld für gleiche Arbeit ist ein Grundprinzip. Dazu stehe ich, und dafür trete ich ein.
(Maria Michalk (CDU/CSU): Dann kämpfen Sie erst mal in Ihren Reihen!)
Das gilt insbesondere für Leiharbeitnehmer, und zwar an jedem Arbeitsplatz und in jedem Land. Insofern gilt das für Deutschland und für andere Länder. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir den Artikel zur Verfügung stellen würden, damit ich da nachhaken und erfahren kann, was da passiert ist.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD Gitta Connemann (CDU/CSU): Gerne!)
Zum Abschluss möchte ich sagen: Wir, die Linke, werden gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Betroffenen beim Thema „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ keine Ruhe geben und versuchen, das durchzusetzen.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Sie haben noch eine Chance, eine Frage zuzulassen.
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
Das mache ich wieder sehr gerne.
Vizepräsident Eduard Oswald:
Dann wird Ihre Redezeit natürlich verlängert. Vielen Dank. Bitte schön, Frau Kollegin.
(Jutta Krellmann (DIE LINKE): Wir haben ja noch was von der Frau Molitor einzuholen!)
Maria Michalk (CDU/CSU):
Liebe Frau Kollegin, Sie haben jetzt die Leiharbeit in der Bürgerarbeit so massiv kritisiert.
(Jutta Krellmann (DIE LINKE): Ja!)
Wäre es Ihnen lieber, in Wirklichkeit keine Arbeitsplätze im Bereich der Bürgerarbeit zu haben, als dass eine Vermittlungsorganisation, also ein Dienstleistungsunternehmen, das Management der Bürgerarbeit für die Kommunen übernimmt? Seitdem es die Klarstellung der entsprechenden Regelung gibt, wächst die Anzahl der bewilligten Stellen; die betroffenen Menschen, die Langzeitarbeitslosen, sind sehr froh. Wie schätzen Sie diese Arbeit ein? Die Leiharbeit in diesem Bereich ist doch mit der Leiharbeit, über die Sie gesprochen haben, überhaupt nicht identisch.
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
Ich weiß nicht, ob Sie mir nicht richtig zugehört haben.
(Maria Michalk (CDU/CSU): Doch!)
Die Leiharbeit in der Bürgerarbeit ist im Grunde ein Weg, die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes zu umgehen. Im Grunde war geplant das wissen Sie ganz genau , dass die Vorschriften des TVöD das sind die Informationen, die ich habe angewendet werden sollen. Jetzt wird hier die Möglichkeit genutzt, über die Hintertür des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes die Leiharbeit zu nutzen. Die entsprechenden Arbeitnehmer erhalten nun den Mindestlohn in der Leiharbeit. Dieser Mindestlohn beträgt genau 1 Euro pro Stunde weniger als der Lohn, den die Menschen heute erhalten. Das empfinde ich als eine Sauerei gegenüber den Betroffenen.
(Gitta Connemann (CDU/CSU): Jetzt ist aber gut!)
Das sind Langzeiterwerbslose, die ein Recht darauf haben, für ihre Arbeit wenigstens einen Lohn entsprechend der untersten Entgeltgruppe des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes zu erhalten, nicht nur den Mindestlohn in der Leiharbeit.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir reden hier nicht über Leiharbeit. Sie lassen das zu, obwohl das keine Leiharbeit ist.
(Maria Michalk (CDU/CSU): Schauen Sie sich die Praxisbeispiele an!)
Vizepräsident Eduard Oswald:
Jetzt, Frau Kollegin, bitte den Schlusssatz, den Sie angekündigt hatten.
Jutta Krellmann (DIE LINKE):
Ich kann jetzt den Schlusssatz noch einmal sagen: Wir werden uns auf jeden Fall dafür einsetzen, dass Equal Pay in allen Bereichen durchgesetzt wird. Wir werden versuchen, gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Betroffenen das zu bekommen, was wir politisch von Ihnen nicht kriegen.
(Beifall bei der LINKEN)