Zum Hauptinhalt springen

Lebensmittelabfälle vermeiden

Rede von Alexander Süßmair,

Rede zu Tagesordnungspunkt 22: Antrag "Strategie gegen Lebensmittelverschwendung entwickeln"

Alexander Süßmair (DIE LINKE):

Heute geht es um einen Antrag für eine »Strategie gegen Lebensmittelverschwendung« von der SPD. Zu bemerken ist hier, dass sich die Bundesregierung schon seit Monaten mit der Ausarbeitung einer solchen Strategie herumplagt. Zwei Mal habe ich Sie innerhalb des letzten Jahres mittels meines parlamentarischen Fragerechts danach gefragt. Antwort: Sie arbeiten daran. So langsam würden auch wir von der Linken gerne einmal einen Vorschlag von der Regierung sehen. Die SPD verleiht diesem Wunsch der gesamten Opposition nun mit einem Antrag zusätzlich Nachdruck.

Sehen Sie, Wien ist nicht weit. Dort gibt es die Universität für Bodenkultur; in der lehren und forschen Abfallwissenschaftler und Abfallwissenschaftlerinnen. Eine von ihnen, Felicitas Schneider, hat in einer Studie wissenschaftlich aufgezeigt, wie es zu Lebensmittelabfällen kommt und wie sie vermieden werden können. Auf Grundlage dieser Studie hat dann die österreichische Regierung ein Konzept zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen entwickelt. Bei der Mülltrennung war Deutschland einmal Vorreiter. Bei Lebensmittelabfällen sind wir völlig rückständig.

Warum kommt es zu großen Mengen an Lebensmittelabfällen? Einige wichtige Gründe hierfür sind,

  • dass Lebensmittelabfälle durch Mängel in der Infrastruktur, bei Lagerung und Transport entstehen,
  • dass Lebensmittelabfälle durch die – vermeintlichen – Ansprüche der Kunden an die Ware entstehen – Lebensmittel werden bereits von den Händlern vernichtet, wenn ihre optische Erscheinung geringfügig beeinträchtigt ist –,
  • dass deswegen mancher Landwirt seine Produkte gar nicht mehr vom Acker nimmt.
  • und schließlich kommt es zu Lebensmittelabfällen, weil rund um die Uhr ein Vollsortiment präsentiert werden muss.

Oft also werden Lebensmittel als Abfall vernichtet, die gesundheitlich und geschmacklich noch völlig unbedenklich sind. Abfallvernichtung ist oft auch noch billiger als Abfallvermeidung.

Weltweit wird über die Hälfte aller Lebensmittel vernichtet. Was dies, zu Ende gedacht, für die Welternährung bedeutet, sollte uns allen klar sein. Da wird es plötzlich sehr absurd, wenn wir aktuell bei der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik der EU, von zum Beispiel CDU, CSU, FDP oder dem Bauernverband hören, dass es im Interesse der Welternährung keine 7 Prozent ökologische Vorrangflächen in der Landwirtschaft Europas geben darf. Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, wenn weltweit über die Hälfte der Lebensmittel weggeworfen werden, besteht das Problem bestimmt nicht in 7 Prozent ökologische Vorrangflächen in Europa.

Lebensmittelabfälle wird es immer geben. Es ist aber die Frage, wie viele und was mit ihnen geschehen soll. Von der Kompostierung bis zur Energieerzeugung ist hier vieles möglich; vieles wird hier auch schon praktiziert. Das ist sinnvoll.

Noch sinnvoller ist allerdings die Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Schließlich werden Lebensmittel vernichtet, die zuvor unter dem Einsatz von Ressourcen – Wasser, Dünger, Treibstoff, Arbeitskraft – produziert worden sind. Diese Ressourcen hätte man besser nutzen können. Hier geht es um Ethik, soziale Gerechtigkeit und ökologisch nachhaltige Produktion, ja um volkswirtschaftliche Vernunft.

Doch mit jeder vernichteten Semmel steigt das Bruttoinlandsprodukt. Solange also die Bundesregierung in geradezu religiöser Inbrunst einem Wachstumsbegriff anhängt, der Wirtschaftswachstum auch aus dem Vernichten von Lebensmitteln ableitet, so lange kann ich die Bundesregierung nicht ernst nehmen, wenn sie von Nachhaltigkeit redet. Der Fehler liegt im System, darin, ass mit jedem produzierten Lebensmittel Profite erwirtschaftet werden sollen.

Wir sind daher gespannt auf die Strategie der Bundesregierung, wenn sie denn irgendwann einmal fertig sein wird. Wir sind überzeugt, dass durch strukturelle Veränderungen viel erreicht werden kann. Wir sind auch überzeugt davon, dass nachhaltiges Wirtschaften nicht möglich ist wenn man sich ignorant zum Dogma des grenzenlosen Wirtschaftswachstums bekennt.