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Ländliche Räume werden soziale Brennpunkte - bessere Förderung ist deshalb umso wichtiger!

Rede von Kirsten Tackmann,

„Die ländlichen Räume werden immer mehr zu sozialen Brennpunkten. Die Menschen brauchen aber Lebensperspektiven. Deshalb ist eine zukunftsfähige Strukturpolitik im ländlichen Raum dringender denn je notwendig und sie braucht eine verlässliche finanzielle Grundlage - auf allen Ebenen. EU-Mittel waren und sind dafür eine wichtige und notwendige Hilfe.“ Kirsten Tackmann in der Debatte zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Kürzungen bei der Finanzierung der Entwicklung Ländlicher Räume verhindern“ , Drucksache 16/952. Die Rede wurde zu Protokoll gegeben.

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste, Die ländlichen Räume werden immer mehr zu sozialen Brennpunkten, das habe ich von diesem Pult aus bereits mehrfach betont. Vor allem, aber nicht nur in Ostdeutschland. Daher ist es aus Sicht meiner Fraktion umso wichtiger, dieses Problem nicht nur in Sonntagsreden zu benennen, sondern etwas dagegen zu tun. Menschen brauchen eine Lebensperspektive - auch auf dem platten Land. Dazu gehören Existenz sichernde Arbeitsplätze. „Existenz sichernd“ muss unterdessen schon betont werden. Auch und gerade in den ländlichen Räumen haben wir es nicht mehr nur mit einer hohen, verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit zu tun. Immer mehr Menschen, die arbeiten gehen dürfen, können nicht mehr von dem Verdienst leben und müssen ergänzendes ALG II beantragen. Damit können wir uns nicht abfinden. Es geht aber nicht nur um soziale Lebensbedingungen. Linke Politik bedeutet, soziale, ökologische und wirtschaftlichen Interessen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern gemeinsam zu denken. Erst Recht in den ländlichen Räumen. Zugegeben: Das sagt sich leichter, als es dann in den sehr irdischen Interessenskonflikten manchmal ist. Aber die Mühe der Ebene dieser Spannungsfelder müssen wir uns schon machen. Also: eine zukunftsfähige Strukturpolitik im ländlichen Raum ist dringender denn je und sie braucht eine verlässliche finanzielle Grundlage: auf EU-, auf Bundes- und auf Landesebene. Das ist vermutlich sogar Konsens. Es ist unbestritten: die EU - Politik war in den vergangenen Jahrzehnten durchaus eine Politik für den ländlichen Raum. Die EU-Mittel waren und sind eine wichtige und notwendige Hilfe bei den tief greifenden Transformationsprozessen, die vor allem in Ostdeutschland, aber auch in benachteiligten Gebieten Westdeutschlands und in den neuen Mitgliedsstaaten zu bewältigen sind, ganz abgesehen von den Ländern, die als Bewerber vor der Tür stehen. Eine zukunftsfähige, flächendeckende und multifunktionale Landwirtschaftsstruktur ist ein tragendes Element im ländlichen Raum. Sie wird über die so genannte I. EU-Fördersäule unterstützt - den Direktzahlungen an die landwirtschaftlichen Betriebe. Aber das allein reicht nicht aus - wir brauchen auch die EU-Agrarstrukturpolitik, die über die so genannte II. Säule finanziert wird. Aber ausgerechnet diese Gelder für den ländlichen Raum sollen im Durchschnitt um 40% gekürzt werden. Diese Konsequenz des Verhandlungsergebnisses, das medial als ein Erfolg von Bundeskanzlerin Angela Merkel dargestellt wurde, würde ein Aufgeben aktiver Politik für den ländlichen Raum bedeuten! Erst Recht, da die II. Säule ohnehin als deutlich unterfinanziert gilt. Der vorliegende Antrag von Bündnis90/Die Grünen beschreibt daher zutreffend die schwerwiegenden Konsequenzen, die infolge der geplanten massiven Mittelkürzungen bei der Agrarstrukturpolitik, zu erwarten sind. Denn was bedeuten diese Kürzungen? Sie bedeuten eine Reduzierung aller Bereiche, die zur Finanzierung der arbeitsplatzwirksamen ländlichen Investitionsprogramme beitragen. Daneben steht die Finanzierung der in den vergangenen Jahren sehr erfolgreichen Agrarumweltprogramme in Frage, die in einigen Ländern schon Dimensionen erreicht haben, die für den ländlichen Raum existentiell sind. Hier werden soziale, wirtschaftliche und ökologische Interessen in der Kulturlandschaft eng miteinander verbunden. Das „Natura 2000“-Programm lässt sich womöglich gar nicht mehr finanzieren, die von den einzelnen Bundesländern schon jetzt unterschiedlich geförderten Programme zum ökologischen Landbau werden gegen den Markttrend weiter reduziert und auch die ambitionierten programmatischen Entwürfe für alternative Einkommensquellen bleiben großteils für den Papierkorb. Meine Fraktion fordert daher von der Bundesregierung eine belastbare, verlässliche finanzielle Basis für eine nachhaltige Infrastrukturpolitik im ländlichen Raum. Ob über eine Nachverhandlung in Brüssel oder über eine Erhöhung der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz im Bundeshaushalt oder andere Wege. Die Menschen im ländlichen Raum brauchen dieses Geld dringender denn je.