Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Börnsen, ja, das ist weiß Gott die Parole der Stunde: die Kultur jetzt stärken. Wie sieht aber die Umsetzung dieser Parole in der Wirklichkeit unseres Landes im Moment eigentlich aus?
Wegsehen und Weghören: Das sind Haltungen, durch die einer demokratischen Gesellschaft ein schwerer Schaden zugefügt wird. Auf Regierungsebene und auf nationaler Ebene wird in Sachen Kultur im Moment aber weggesehen und weggehört, und das, obwohl uns jeden Tag neue Hilferufe aus den Kommunen erreichen: Rekorddefizite, Schulden, Sparpläne und die Folgen für die Kultur. Vorgestern ging es um die Theaterschließungen im Ruhrgebiet, gestern um das Verschwinden kleiner Bibliotheken und heute um Museen, die ihre Öffnungszeiten verkürzen müssen.
Was macht die Regierung? Die Regierung hat eine Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung eingesetzt - der Kollege Börnsen hat sie uns gerade in warmen Worten geschildert - : die Gemeindefinanzkommission. Was wird dieser Kommission von vornherein aufgetragen? Ihre Aufgabe ist es,
”... darauf zu achten, Aufkommens- und Lastenverschiebungen insbesondere zwischen dem Bund auf der einen und Ländern und Kommunen auf der anderen Seite zu vermeiden.”
Das heißt aber, dass alles bleibt, wie es ist. Es wird also weggesehen und weggehört. Wer die Finanzgrundlagen der Kommunen prinzipiell verändern will das wollen zum Beispiel wir von der Linksfraktion -,
(Beifall bei der LINKEN)
darf auf die Ergebnisse dieser Gemeindekommission nicht warten und muss einen anderen Weg einschlagen. Für wen die Kultur in einem umfassenden Sinn zur Daseinsvorsorge gehört - dazu gehören wir auch -, darf erst recht nicht auf diese Kommission setzen. Wer jetzt nicht wegsehen und weghören will, muss etwas anderes tun und jetzt helfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Art. 104b des Grundgesetzes heißt es, der Bund
”kann ... im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, auch ohne Gesetzgebungsbefugnisse Finanzhilfen gewähren.”
Von dieser außergewöhnlichen Notsituation ausgehend fordert die Fraktion Die Linke ein Sofortprogramm des Bundes in Höhe von 1 Milliarde Euro für den Erhalt unserer kulturellen Infrastruktur.
(Beifall bei der LINKEN)
Allen Kritikern halte ich entgegen: Wenn Sie diesen Weg für nicht gangbar halten, dann machen Sie etwas Besseres. Aber machen Sie etwas! Sagen Sie nicht immer nur, was Sie nicht können, sondern fangen Sie endlich an, mit Ländern und Kommunen darüber zu verhandeln, was möglich ist. Irgendetwas muss schließlich möglich sein. Denn wir müssen aus dieser Situation herauskommen. Speisen Sie die Bürgerinnen und Bürger, die um ihre Theater, Museen, Büchereien, Mal- und Musikschulen kämpfen, nicht einfach mit Hinweisen auf investive Maßnahmen ab. Neue Theater und neue Museen sind schön, aber lebendige Kultur sind sie nur dann, wenn Menschen in ihnen Kultur für Alt und Jung, für Arm und Reich schaffen können. Dies zu gewährleisten, verlangt wirkliche Investition.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linksfraktion fordert eine grundlegend veränderte Finanzierung unserer ausgeraubten Kommunen. Wir brauchen außerdem Überlegungen dazu, was eigentlich zu den Pflichtaufgaben und. zu den freiwilligen Aufgaben einer Kommune gehört. Wieso gehören Bibliotheken nicht zu den Pflichtaufgaben einer Kommune? Diese Frage konnte mir noch nie jemand wirklich beantworten.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir plädieren an dieser Stelle im Übrigen für mehr direkte Demokratie und wirkliche Selbstverwaltung in den Kommunen. Durch Bürgerbefragungen und Bürgerbeteiligung sollen Bürger mitentscheiden können, was im Dorf, in der Kleinstadt oder im Stadtteil gebraucht wird. Überall vor Ort mehren sich die Proteste gegen den Kulturabbau. Überall erkennen die Menschen gerade in Zeiten des derzeit drohenden Verlusts , wie wichtig Kultur für sie und ihre Kinder ist. Es waren verschiedene Bundesregierungen, die die Kommunen in diese Not gebracht haben. Insofern ist nun der Bund in der Verantwortung. Er darf die Kultur insgesamt nicht durch einfaches Wegsehen und Weghören beliebig zur Disposition stellen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)