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Küstenschutz hat Vorrang

Rede von Lutz Heilmann,

Lutz Heilmann begrüßte die Absicht der Bundesregierung, die deutschen Küsten nachhaltig zu entwickeln. Die IKZM- Strategie bleibt ebenso wie der Antrag der Koalitionsfraktionen hinter dem Notwendigen zurück. Angesichts der lebensbedrohlichen Gefährdung der Küstenanwohner durch den vom Klimawandel bedingten Meeresspiegelanstieg muss dem Küstenschutz absoluten Vorrang eingeräumt werden. Wirtschaftliche Einzelinteressen müssten zurückstehen, wo das Leben der Menschen vor Ort gefährdet ist.

Lutz Heilmann (DIE LINKE): Als schleswig-holsteinischer Abgeordneter freue ich mich, dass wir heute über die Entwicklung der Küsten in Deutschland debattieren. Wenn ich mir Ihren Antrag ansehe, scheint dies auch Ihr Wunsch gewesen zu sein, leider aber auch der einzige. Es reicht aber nicht, nur darüber zu reden!
Ihr Antrag liefert leider keine wegweisenden Vorschläge für eine echte Fortentwicklung der nationalen IKZM-Strategie. Substanziell Neues habe ich darin vergeblich gesucht.
Die IKZM-Strategie wird auch von der Fraktion Die Linke unterstützt. Sie ist der Versuch, eine nachhaltige Entwicklung der Küstenzonen zu erreichen. Die von der Bundesregierung beschlossene IKZM-Strategie ist aber fast nur Bestandsaufnahme. Konkrete Handlungsanleitungen oder Lösungsvorschläge für die vielfältigen Konfliktfelder enthält diese Strategie nicht. Das Problem beim IKZM ist, wie bei allen breit angelegten Konzepten, deren Umsetzung.
Mit Freude habe ich vor einigen Monaten von Frau Staatssekretärin Klug vernommen, dass die Bundesregierung einen erheblichen Kommunikationsbedarf hierzu sieht. Nur, gemerkt habe ich davon bislang noch nichts, auch nicht im Küstenland Nummer eins: Schleswig-Holstein.
Damit die IKZM-Strategie ein Erfolg werden kann, muss der Leitgedanke der nachhaltigen Entwicklung bei allen Entscheidungen, die die Küsten betreffen, angewandt werden. Alle Entscheidungen müssen deshalb einem „Nachhaltigkeitscheck“ unterworfen werden. Auch wenn das beinhaltet, dass, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, ökologische und ökonomische Aspekte - neben-bei: wo bleiben bei Ihnen eigentlich die sozialen Aspek-te? - grundsätzlich gleichberechtigt berücksichtigt werden, kann dies dann nicht gelten, wenn die Küsten selber in Gefahr sind.
Die Küstenzonen sind die Lebensgrundlagen der dort lebenden Menschen. Der vom Menschen verursachte Klimawandel bedroht durch den Meeresspiegelanstieg aber in erheblichem Ausmaß die Küsten - weltweit, aber selbstverständlich auch in Deutschland. Dem Schutz der Küsten ist deswegen absoluter Vorrang einzuräumen!
Das bedeutet natürlich, dass die Deiche für den bis Ende dieses Jahrhunderts voraussichtlich um etwa einen Meter höheren Wasserstand und womöglich häufigere Springfluten ertüchtigt werden müssen. Es ist aber die Frage, ob die einzige sinnvolle Lösung die schlichte Erhöhung der Deiche ist, wie sie derzeit die Küstenländer planen.
Um ein Wandern des Watts zu ermöglichen und den ökologischen Aspekten Rechnung zu tragen, müssten die Deiche zumindest an einigen Stellen zurückverlegt werden. Auch die geplante weitere Vertiefung von Außenweser und Außenelbe birgt hohe Risiken für den Hochwasserschutz und sollte deswegen zumindest zurückgestellt werden.
Statt dies im Eilverfahren durchzupeitschen, müssen die Auswirkungen auf zusätzliche Hochwassergefahren gründlichst geprüft werden, Abgesehen davon besteht durch den Bau des Jade-Weser-Ports ohnehin keine Notwendigkeit für diese weiteren Vertiefungen.
Die damit verbundenen massiven ökologischen Verschlechterungen sind nicht zu rechtfertigen und auch nicht an anderer Stelle auszugleichen.
Stichwort: Ökologie. Auffällig ist, dass sowohl in der nationalen als auch in der schleswig-holsteinischen IKZM-Strategie bei den Nutzungskonflikten der Naturschutz regelmäßig an erster Stelle genannt wird. Beide Strategien enthalten aber leider keinerlei Lösungsvorschläge. Die NATURA-2000-Gebiete dürfen nicht durch eine Ausnahmegenehmigung nach der anderen Schritt für Schritt zerstört werden, wie es derzeit leider gängige Praxis ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Antrag zeigen Sie, dass Sie die Größe der Aufgabe, die uns in Zukunft an den Küsten erwartet, nicht erkannt haben. Diese Debatte wird den Menschen vor Ort, sei es auf den Halligen, den Ostfriesischen Inseln oder auf Rügen, nicht helfen.