Zum Hauptinhalt springen

Krude Mischung: Schöffenauswahl und Sicherungsverwahrung

Rede von Jens Petermann,


Gesetz zur Änderung des § 33 des Gerichtsverfassungsgesetzes
(Schöffenamt, Sicherungsverwahrung)

Jens Petermann (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates soll ermöglicht werden, Bürgerinnen und Bürger, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, vom Schöffenamt auszuschließen. An die Schöffinnen und Schöffen, die regelmäßig als juristische Laien in das Ehrenamt berufen werden, sind in der Tat beträchtliche Anforderungen gestellt. Sie haben während der Hauptverhandlung richterliche Befugnisse. Ihre Stimme hat bei der Urteilsfindung das gleiche Gewicht wie die Stimme eines Berufsrichters. Schöffinnen und Schöffen sind gleichfalls mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattet. Deshalb müssen sie in gleicher Weise wie Berufsrichter geeignet sein, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen aufzunehmen.
Was erwartet man also von den Personen, die bereit sind, dieses wichtige Ehrenamt auszuüben? Sie müssen zwischen 25 und 70 Jahre alt sein, ihren Wohnsitz im Gerichtsbezirk haben und dürfen nicht in Vermögensverfall geraten sein. Sie müssen gesundheitlich für das Amt geeignet sein. Darüber hinaus kann das Ehrenamt des Schöffen nur von einem deutschen Staatsbürger ausgeübt werden. Das Recht auf ein faires Verfahren für den Angeklagten gebietet eine sorgfältige Auswahl der Schöffen.
Das Gerichtsverfassungsgesetz verlangt indes für die Eignung als Schöffe generell keine besonderen intellektuellen Fähigkeiten. Dennoch bedarf es hinreichender Kenntnisse der deutschen Sprache, da die Gerichtssprache bekanntermaßen Deutsch ist. Dabei stellt sich die Frage, ob nicht auf der Grundlage des geltenden Rechts dem Problem mangelnder Deutschkenntnisse von Schöffen begegnet werden kann. Die Große Koalition das wurde bereits angesprochen sah diesbezüglich in der letzten Legislaturperiode keinen Handlungsbedarf, wobei insbesondere die SPD vor einem Einfallstor für Missbrauch warnte.
Die angesprochenen Fälle mangelnder Deutschkenntnisse bei Schöffen sind für uns jedenfalls kein Argument für die dringende Notwendigkeit der geplanten Regelung, die nun im Galopp durch das Parlament gejagt werden soll.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir vertreten die Auffassung, dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen muss. Bereits aufgrund der bestehenden Rechtslage ist ein Schöffe, der der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist, unfähig, ein Schöffenamt auszuüben, und kann von der Schöffenliste gestrichen werden.
Der Gesetzentwurf lässt völlig offen, auf welcher Grundlage die Gemeindeverwaltungen die sprachlichen Fähigkeiten der Kandidaten und Kandidatinnen überprüfen sollen, und kann damit dem selbstgestellten Anspruch nicht gerecht werden. Es ist vielmehr zu befürchten, dass allein ein fremdländisch klingender Name Indiz für die Nichtbeherrschung der deutschen Sprache ist. Dies ergab jedenfalls die Anhörung der von der Koalition geladenen Sachverständigen in einem Berichterstattergespräch.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch überhaupt nicht!)
Wie die betroffenen Personen ihre Kenntnisse nachweisen müssten oder wie die Gemeinden, die die Vorschlagslisten aufzustellen haben, mit diesen Anforderungen umgehen sollen, wird ausgeblendet. Damit öffnet der Gesetzentwurf wiederum willkürlichen Entscheidungen Tür und Tor.
Zum Thema Divergenzvorlage: Es ist offensichtlich, dass die Koalition nunmehr mangels bestehender, durchdachter Konzepte zur Sicherungsverwahrung an den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesrates den Vorschlag zur Divergenzvorlage des Bundesgerichtshofs anhängen will. Dies hat aber mit der Frage der Eignung zum Schöffenamt, dem ursprünglichen Thema, nichts zu tun.
Am Umgang mit diesem Thema zeigt sich wieder, dass sich die Koalition sehr schwertut. Selbst ein Rüffel des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen Sicherungsverwahrung führt nicht dazu, dass sich hier besonders viel bewegt. Die Koalition reagiert mit einem verfahrensrechtlichen Vorschlag zur Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof in der Hoffnung, dass es die Richter in ihrem Sinne richten werden.
Die Linke kann dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Allein das fragwürdige Verfahren des Anhängens an einen inhaltsfremden Gesetzentwurf ist schon Grund genug für eine Ablehnung. Aber auch inhaltlich überzeugt uns der Gesetzentwurf nicht. Die absehbare Verzögerung wegen der Vorlage zum Bundesgerichtshof wird dazu führen, dass die Sicherungsverwahrten weiter einsitzen, während die Regierung weiter streitet, wie nun zu verfahren sei. Das halten wir für unwürdig und kann aus unserer Sicht auch nicht als Fortschritt gefeiert werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist offensichtlich, dass es darum geht, Zeit zu gewinnen, um den inhaltlichen Dissens zwischen CDU/CSU und der Bundesjustizministerin auszufechten. Statt mit sich den grundrechtsrelevanten Regelungen der Sicherungsverwahrung zu befassen und gesetzgeberisch tätig zu werden, verlagern Sie die Frage auf die Rechtsprechung. Dem können wir nicht zustimmen. Wir sagen aber grundsätzlich zu, dass wir uns in der Frage der Sicherungsverwahrung konstruktiv an einer Diskussion beteiligen werden.
(Beifall bei der LINKEN – Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das würden wir gerne hören!)