Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was hier als sperriger Titel, nämlich „Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes ‑ Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe“, daherkommt, ist eine Neuregelung der sogenannten Kronzeugenregelung. Kronzeugen ‑ das muss man vielleicht noch einmal erklären ‑ sind Personen, die sich als mutmaßliche Straftäter und Straftäterinnen kooperationsbereit zeigen, Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten zu leisten.
Die derzeitige, durch die schwarz-rosa Koalition eingeführte Regelung erlaubt die Anwendung der Kronzeugenregelung auch, wenn zwischen der Tat des Kronzeugen und der Tat, bei der er Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung leistet, kein Zusammenhang besteht. Und damit sind wir beim Grundproblem jeglicher Kronzeugenregelung.
Die Kronzeugenregelung ist nichts anderes als ein Handel zulasten der Gerechtigkeit. Straftäter und Straftäterinnen bekommen Vergünstigungen, weil sie bei der Aufklärung von Straftaten oder der Verhinderung von Straftaten behilflich sind. Damit wird aber mit dem Schuldprinzip gebrochen. Das Schuldprinzip nämlich sieht eine angemessene Strafe für eine begangene Straftat vor. Das Verhalten des mutmaßlichen Straftäters nach der Tat kann mit der Regelung des § 46 Abs. 2 im Rahmen der Strafzumessung bereits berücksichtigt werden. Wenn es darüber hinausgehende Privilegierungen im Hinblick darauf gibt, dass die Strafe für eine begangene Straftat davon abhängig gemacht wird, dass jemand im Hinblick auf eine andere Straftat einen Beitrag oder Hilfe zur Aufklärung leistet, hat das nichts mehr mit schuldangemessener Strafe zu tun. Die Hilfe zur Aufklärung und Verhinderung schwerer Straftaten ist etwas, was gefördert und unterstützt gehört. Aber mit der Kronzeugenregelung findet ein Deal zulasten der Gerechtigkeit statt, und das ist für uns nicht hinnehmbar.
(Beifall bei der LINKEN)
Was ist eigentlich das Denken, das dahintersteht? Jemand, der tief in das kriminelle Milieu verstrickt ist und folglich überhaupt nur deshalb interessante Kenntnisse besitzen kann, wird gegenüber demjenigen bevorzugt, der nur einmal straffällig geworden ist und allein schon deshalb keine Aufklärungshilfe zu weiteren Straftaten leisten kann.
Die Kronzeugenregelung verletzt nicht nur das Schuldprinzip, sie verletzt auch das Legalitätsprinzip und das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit. Da die Hilfeleistung des Beschuldigten bereits vor Eröffnung des Hauptverfahrens, also im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, erfolgen muss, wird auch das Öffentlichkeitsprinzip berührt, und das Zustandekommen der Strafe bleibt letztlich intransparent.
Es gibt keine empirischen Belege dafür, dass eine Kronzeugenregelung erforderlich ist, um Straftaten aufzuklären oder zu verhindern. Darüber hinaus ‑ um bei der grundsätzlichen Kritik zu bleiben ‑ wird mit der Kronzeugenregelung auch in die Wahrheitserforschung des Gerichts eingegriffen. Die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, der die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen will, ist mindestens angekratzt; denn natürlich versucht er, seine Aussagen so zu machen, dass er eine deutlich geringere Strafe erfährt. Ich habe bereits darauf verwiesen: Die Kronzeugenregelung ist überflüssig; denn der § 46 Abs. 2 erlaubt, das Nachtatverhalten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Nun ist offensichtlich aufgefallen, dass die Kronzeugenregelung ein Problem darstellt. Statt nun aber diesen unwürdigen Deal ganz abzuschaffen, wird versucht, den Handel etwas zu verringern. Mit der neuen Regelung ‑ das ist hier schon gesagt worden ‑ wird versucht, eine Beziehung zwischen der Tat des Kronzeugen und der Tat, zu der er Hilfe zur Aufklärung leistet, herzustellen. Das ist besser als nichts, reicht aber nicht aus, um die Linke für die Zustimmung zu gewinnen. Die Zustimmung ist uns auch deshalb nicht möglich, weil mit der Änderung des § 31 Betäubungsmittelgesetz die Kronzeugenregelung im Bereich Drogenkriminalität noch ausgeweitet wird. Ich verkneife mir an dieser Stelle den Hinweis auf die Notwendigkeit einer anderen Drogenpolitik. Mit der Kronzeugenregelung bekommen Sie das Problem nicht in den Griff.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich komme zum Schluss. Wir Linke werden einer Kronzeugenregelung - egal ob klein oder groß - nicht zustimmen; denn ein Deal zulasten der Gerechtigkeit ist mit uns nicht zu machen.
(Beifall bei der LINKEN)