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Krankenhausfinanzierung

Rede von Frank Spieth,

Frank Spieth, der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE zum Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG)

Frank Spieth (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Auch durch noch so häufige Wiederholungen wird eine falsche Aussage nicht richtig.

(Ute Kumpf [SPD]: So viel Selbsterkenntnis am Anfang!)

Tatsache ist, dass wir gesagt haben, dass wir mehr Geld für die Krankenhäuser brauchen. Allerdings sind wir der Auffassung, dass Sie das so, wie Sie das mit dem Gesundheitsfonds realisieren, unsozial finanzieren – zulasten der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Dabei bleibt es.

(Beifall bei der LINKEN- Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wo denn?)

Im Übrigen empfehle ich einen Blick ins Protokoll. Dort können Sie es nachlesen. Vielleicht haben Sie einfach nicht zugehört. In den letzten Jahren haben die Krankenhäuser zu wenig Geld bekommen. Das stimmt. Die Folge war, dass eine größere Anzahl von Krankenhäusern schließen musste. Aktuell droht jedem dritten Krankenhaus die Schließung. Parallel zur finanziellen Notlage hat eine radikale Ökonomisierung der Krankenhäuser stattgefunden. Alles muss sich rechnen. Es werden immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit durchgeschleust. Viele Patienten empfinden dies mittlerweile als inhumane Fließbandmedizin. Eine gnadenlose Ökonomisierung der Krankenhäuser führt mehr und mehr zur Zweiklassenmedizin und außerdem zur maximalen Ausbeutung der Arbeitskraft von Krankenschwestern, Krankenpflegern und Ärzten. Die Folge ist, dass immer weniger Mitarbeiter im Gesundheitswesen regulär in Rente gehen, sondern vorher durch Krankheit ausscheiden. Das schlägt auch auf die Behandlung von Patienten durch. Das haben Sie von der Koalition erkannt. Insofern begr üßen wir Ihren Gesetzentwurf; denn Sie machen damit deutlich, dass Sie wie die Linke dringenden Handlungsbedarf sehen. Ihr Gesetzentwurf geht durchaus in die richtige Richtung. Leider sind die Schritte aus unserer Sicht aber zu kurz. Die strukturellen Probleme der Krankenhäuser werden nur unzureichend in Angriff genommen. Als wir im März den Antrag der Linken mit dem Titel "Aktuelle Finanznot der Krankenhäuser beenden" diskutiert haben, haben Sie unseren Vorschlag noch abgelehnt.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Aus gutem Grund!)

Es war wohl koalitionspolitisch motiviert, dass die CDU/CSU damals sagte, sie müsse diesen Antrag leider ablehnen. Absolut unverständlich war die Position der SPD, die damals zum Ausdruck brachte, dass sie ihn in vollem Bewusstsein ablehne. Bei einer solchen sozialdemokratischen Gratwanderung kann man sich angesichts des vorliegenden Gesetzentwurfes eigentlich nur noch verwundert die Augen reiben. Es ist ein Glück für die Krankenhäuser, dass die SPD nach der Devise: "Was kümmert uns unser Geschwätz von gestern?" zu einer 180-Grad-Wende fähig ist. Ich habe den Eindruck: Ohne die Demonstration der 130 000 Krankenhausangestellten vor dem Brandenburger Tor hätte dieser Lernprozess so nicht stattgefunden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben die Kernforderung nach Finanzierung der Tariferhöhungen, nach Schaffung von mehr Stellen und Zahlung von mehr Geld aufgenommen; leider, wie gesagt, nicht in vollem Umfang. Nehmen wir zum Beispieldie Übernahme der Tariferhöhungen. Diese wollen Sie jetzt nur zu 50 Prozent finanzieren. Die anderen 50 Prozent sollen die Häuser also wie bisher aus dem laufenden Betrieb decken.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das war von Anfang an klar!)

Aber wie soll das funktionieren, ohne dass dabei weitere Arbeitsplätze abgebaut werden? Denn die Sachkosten, etwa die Kosten für Strom und Wasser, für Nahtmaterial oder Blutkonserven, sind in den Krankenhäusern unbeeinflussbare feste Kosten.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!
Max Straubinger [CDU/CSU]: Die sinken derzeit!)

Die Stellschraube kann also erneut nur bei den Personalkosten sein. 65 Prozent der Kosten eines Krankenhauses entfallen auf die Löhne und Gehälter der Angestellten.

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Und die Lohnnebenkosten nicht vergessen!)

Deshalb muss fast zwangsläufig mit einem weiteren Personalabbau gerechnet werden, um so die 50 Prozent, die fehlen, zu finanzieren. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich begrüße, dass Sie zusätzlich 16 000 Stellen für Krankenschwestern und Krankenpfleger schaffen

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Planwirtschaft!)

und diese jetzt zu 90 Prozent finanzieren wollen. Aber sehen nicht auch Sie die Gefahr, dass dieser Effekt durch die unzureichende Finanzierung der Tarifanpassung, wie vorhin genannt, wieder verpufft? Sehen Sie nicht auch, dass wir mit dieser Maßnahme zwar einen Teilausgleich, aber in keiner Weise einen Ausgleich für die 110 000 Stellen, die in den letzten zehn Jahren abgebaut wurden, erreichen können? Höchst erstaunlich ist, dass Sie keine konkreten Maßnahmen zum Abbau des Investitionsstaus in Höhe von 50 Milliarden Euro vorschlagen. Da bleiben Sie sehr wolkig. Wir haben in den Haushaltsberatungen 2009 konkrete Vorschläge zur Auflösung des Investitionsstaus gemacht. Wir hatten beantragt, dass der Bund im Rahmen eines Zukunftsinvestitionsprogramms in den nächsten zehn Jahren jährlich 2,5 Milliarden Euro aufbringen soll. Leider wurde unser Antrag, wie üblich, von einer Allparteienkoalition am 27. November niedergestimmt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Mittel, die noch vor vier Wochen in diesem Haus gefehlt haben, jetzt offenkundig zur Verfügung gestellt werden sollen, nämlich im Rahmen des kommenden Konjunkturprogramms. Späte Erkenntnis, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ist besser als keine Erkenntnis. Herzlichen Glückwunsch! Fazit: Ihr Gesetzentwurf zielt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus, um eine gute Versorgung für jeden sicherzustellen. Wir wollen jedoch, dass alle Chancen genutzt werden, um die Krankenhäuser besserzustellen. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung enthalten.

(Beifall bei der LINKEN
Max Straubinger [CDU/CSU]: Oh!
Gegenruf des Abg. Frank Spieth [DIE LINKE]: Jetzt seid ihr aber platt, oder?)