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Korruption in Arztpraxen strafbar machen

Rede von Harald Weinberg,

Aktuelle Stunde zum Urteil des Bundesgerichtshofs

Harald Weinberg (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Damit es gleich am Anfang gesagt ist: Das deutsche Gesundheitswesen ist gut, es ist leistungsfähig. Ich sage das, damit mir nach meiner Rede nicht wieder vorgeworfen wird, das nicht gesagt zu haben.

Man kann aber nicht drum herumreden. Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP, geht, aber wenn ich zum Arzt gehe, dann will ich, dass der Arzt die Behandlung und die Medikamentenverschreibung allein aus medizinischen Erwägungen heraus vornimmt.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Macht meiner auch!)

Vielleicht geht es Ihnen ja auch so. Ich will nicht, dass der Arzt dem eigenen Geldbeutel zuliebe eine andere Entscheidung trifft als die, die medizinisch angezeigt ist. Zum Glück ist der überwiegende Teil der Ärztinnen und Ärzte nicht bestechlich, sondern versucht, die bestmögliche Medizin zu liefern. Davon gehe ich aus.

Aber wenn sich im Einzelfall herausstellt, dass eine Ärztin die Hand dafür aufgehalten hat, dass sie die Medikamente eines bestimmten Anbieters verschreibt, dann will ich, dass die Staatsanwaltschaft und die Gerichte die gesetzlichen Mittel haben, um dagegen strafrechtlich vorzugehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dieses Mittel – das hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil aufgezeigt – gibt es aber nicht. Es gibt kein Gesetz, das den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten unter Androhung von Strafe verbietet, bestechlich zu sein. Das hat der Bundesgerichtshof vor wenigen Tagen klargestellt. Der Bundesgerichtshof hat der Politik mitgeteilt, dass sie ein entsprechendes Gesetz gegen die Bestechung der Ärzteschaft, falls gewünscht, gerne beschließen kann. Es hat dem Gesetzgeber sozusagen den Auftrag gegeben, darüber nachzudenken und entsprechende Schritte zu unternehmen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie haben vorhin nicht zugehört, Herr Weinberg!)

Was war die Antwort unseres Gesundheitsministers? Er sagte: Dafür bin ich nicht zuständig; das sollen die Ärzte unter sich oder mit den Kassen regeln. Was sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Union? Zitat: Die Freiheit der Ärzte ist eine der Stärken unseres Gesundheitssystems.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Freiberuflichkeit!)

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Da stellt ein Gericht fest, dass aufgrund der Freiberuflichkeit der Ärzte eine strafrechtliche Ahndung von Korruption nicht möglich ist, und Herr Spahn sagt dazu, das sei eine Stärke unseres Gesundheitswesens. Es geht immerhin um Milliardensummen aus den Versicherungsbeiträgen und um die Gesundheit der Patientinnen und Patienten. Dieses Gut muss man abwägen gegen die Raffgier einiger Ärzte und Ärztinnen. „Was ist da stärker zu gewichten?“, frage ich Sie.

Für Herrn Singhammervon der CSU scheint das klar zu sein. Er schoss den Vogel ab und diktierte interessierten Medien in den Schreibblock – Zitat –: Handlungsbedarf hätte es nur gegeben, wenn der BGH … entschieden hätte, dass Ärzte Amtsträger oder Beauftragte der Kassen sind. Dann hätte der Gesetzgeber die Freiberuflichkeit der niedergelassenen Ärzte wieder herstellen müssen.

Wenn das Gericht also festgestellt hätte, dass nach geltendem Recht Korruption bei Ärzten strafbar ist, dann hätte man schleunigst handeln und die korrupten Ärzte unter den Schutz der Freiberuflichkeit stellen müssen. Meinen Sie das ernsthaft?

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist doch Humbug! Hören Sie doch einmal genau zu! Das würde schon helfen!)

„Wie weit reicht der Arm der korrumpierenden Pharmakonzerne denn schon?“, muss man sich da ernsthaft fragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nennen Sie mir einen plausiblen Grund, warum niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, wenn sie sich bestechen lassen und sich zum Nachteil der Patientinnen und Patienten und zum finanziellen Schaden der Krankenversicherung die Taschen vollmachen, nicht genauso bestraft werden sollen wie angestellte Ärzte.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das kommt immer raus!)

Warum sollen sie nicht genauso bestraft werden wie sonstige Angestellte, Beamte oder wir Abgeordnete? Auch bei uns steht, völlig zu Recht, wenn auch nicht hinreichend, Bestechung unter Strafe. Denken Sie bitte auch an die große Mehrheit der ehrlichen Ärztinnen und Ärzte. Die wünschen sich, dass diese strafrechtliche Lücke endlich geschlossen wird. Das sagte zum Beispiel der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.

Auch der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte sagte ganz klar – Zitat –: Wenn die Freiheit des Arztberufes die Freiheit zu Bestechung und Vorteilsnahme einschließt, so können wir auf diese Freiheit ohne weiteres verzichten, denn sie bedeutet gleichzeitig die Freiheit von Moral und Ethik. Zitat Ende.

(Beifall bei der LINKEN)

Dem kann man sich meines Erachtens voll und ganz anschließen. Das ist der Auftrag, den der Bundesgerichtshof dem Deutschen Bundestag mitgegeben hat. Kriminelles Handeln muss auch bei freiberuflichen Ärzten strafbar sein. Es gibt hier eine Gesetzeslücke.

Ich fordere Sie auf: Kommen Sie zu sich. Hören Sie auf, sich schützend vor kriminelle schwarze Schafe zu stellen. Lassen Sie uns das gemeinsam anpacken. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)