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Kormoran als Schwarzer Peter

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Kormoranbestände haben sich in den letzten Jahrzehnten
stark vermehrt. Davon betroffen sind nicht nur Deutschland, sondern auch zahlreiche Nachbarstaaten.

Die Tatsache, dass Kormorane eine große Menge an Fisch benötigen, um ihren Nahrungsbedarf zu decken, ist nicht zu leugnen. Dementsprechend können bei hohem Vorkommen von Kormoranpopulationen auch Fischbestände stark dezimiert werden.

Wenn aber Fischbestände stark beeinträchtigt werden, dann kann dies den Fortbestand einzelner Populationen mit ihrem spezifischen genetischen Potenzial akut gefährden. Auch die Fischereiwirtschaft ist davon betroffen. Angelfischer, Teichwirte und Fischzüchter, sehen sich durch den Rückgang der Fischpopulationen in ihrer Existenz bedroht.

Wir sehen hier ebenfalls eine Notwendigkeit zum Handeln. Die hohen Kormoranvorkommen dürfen weder die Umsetzung der FFH-Richtlinie erschweren, noch das Erreichen der Zielsetzungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie verhindern.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass durch den Fokus auf den Kormoran als „Feind“ der Fischbestände und Konkurrent der Fischereiwirtschaft, der Blick für andere, oftmals in gleichem Rahmen für den Fischrückgang verantwortlichen Faktoren, verloren geht.

Was nämlich ebenfalls berücksichtigt werden muss, ist die Tatsache, dass der Mensch durch seine gravierenden Eingriffe in Ökosysteme die Fischbestände stark verringert und in machen Fällen sogar ausgerottet hat.

Im vergangenen Jahrhundert lag die Hauptgefährdungsursache für viele Fischarten vor allem in der Einleitung von Nähr- und Schadstoffen in die Gewässer. Und auch die Veränderungen der natürlichen Gewässerbeschaffenheit und der Abflussverhältnisse durch wasserbauliche Eingriffe haben ihren Teil dazu beigetragen. Als Ergebnis sind eine Reihe von Arten wie der Atlantische Stör oder der Deutsche Lachs ausgestorben.

Dass dies oft vergessen wird, ist am Beispiel der Äsche besonders gut zu sehen. Für deren Rückgang wird ja gerne der Kormoran verantwortlich gemacht. Jedoch genau diese Art stellt sehr hohe Ansprüche an die Wasserqualität und benötigt klares kühles Wasser. Zudem reagiert sie empfindlich auf anthropogene Störungen. Die Gefährdung der Äschenbestände ist somit in erster Linie auf Gewässerverschmutzung und menschliche Eingriffe zurückzuführen. Der Kormoran stellt nur eine zusätzliche Bedrohung dar.

Ähnlich steht es mit dem Aal. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Kormoran auch hier einen Beitrag zur Reduzierung des Bestandes beiträgt. Jedoch spricht in diesem Zusammenhang kaum Jemand vom Bau unzähliger kleiner Wasserkraftanlagen, die Fisch-Schreddern gleichen. Gerade Aale, die immer dem Hauptstrom folgen, und dadurch beim Abstieg Richtung Meer natürlich keine Fischtreppen nutzen, sind davon betroffen. Bevor hier der Kormoran für die Dezimierung der Aalbestände verantwortlich gemacht wird, sind solche Faktoren also genauer zu hinterfragen.

Ich denke, darin, dass hier Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen, sind wir uns einig. Nicht nur zum Erhalt der Biodiversität, sondern auch um die Existenz der Fischereiwirtschaft zu sichern. Jedoch kann der Abschuss von Kormoranen hier nicht die Lösung sein.

Um Kormoranpopulationen zu reduzieren, sollte lieber ein Weg gewählt werden, der ebenfalls arten- und tierschutzrechtlich zu vertreten ist. Zudem ist es wichtig, die Auswirkungen auf die Ökosysteme möglichst gering zu halten.

Aus diesem Grund sind wir gegen Regulierungsmaßnahmen in Schutzgebieten und auch im Grundsatz an Gewässern, die nicht wirtschaftlich genutzt werden. Hier muss die natürliche Räuber-Beute-Beziehung wirken können. Besonders in Gebieten mit hohem Schutzstatus dürfen diesbezüglich keine Eingriffe geschehen. Denn der Prozessschutz ist hier dem Artenschutz vorzuziehen.

Eine der wichtigsten Maßnahmen ist der Schutz der natürlichen Feinde des Kormorans. Sowohl der Uhu, als auch der Seeadler müssen weiterhin massiv geschützt und wiederangesiedelt werden. Auch teilweise Teichüberspannungen haben sich bewährt und sollten finanziell gefördert werden, wie dies beispielsweise in Bayern der Fall ist.

Und letztlich wird durch das naturnahe Gestalten von Wirtschaftsgewässern nicht nur den Fischbeständen einen Gefallen getan. Es leistet auch einen Beitrag zur Erhöhung der Biodiversität.

Vielen Dank!