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Kommunale Selbstverwaltung wird durch die Bundespolitik zunehmend infrage gestellt

Rede von Katrin Kunert,

"Rede von Katrin Kunert (DIE LINKE.) zum Thema "Verbindliches Mitwirkungsrecht der kommunalen Spitzenverbände bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen und Verordnungen sowie im Gesetzgebungsverfahren" am 18. Januar 2006"

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Lage der Kommunen wurde in den letzten Jahren im Bundestag immer wieder besprochen und die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung unterstrichen. Nur müssen wir heute feststellen, dass die im Grundgesetz garantierte kommunale Selbstverwaltung durch die Bundespolitik zunehmend infrage gestellt wird. Bundesregierung und Bundestag kennen die Probleme der Kommunen und dennoch wurden hier keine Hausaufgaben gemacht. (Beifall bei der LINKEN) Die Kommunen, die einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen und ihren notwendigen Investitionsbedarf aus eigener Kraft abdecken können, gehören mittlerweile auf eine Artenschutzliste. Die Fraktion Die Linke wird dem Antrag der FDP zustimmen, weil er die Chance bietet, die bundespolitischen Rahmenbedingungen mit Blick auf die Kommunen zu überprüfen. Aber, Frau Kollegin Piltz, etwas mehr kommunalpolitische Leidenschaft hätte ich mir schon gewünscht. (Beifall bei der LINKEN - Martin Zeil [FDP]: Unterschätzen Sie unsere Leidenschaft nicht!) Denn wenn Sie die Lage der Kommunen nur anhand von Aufgabenübertragungen dokumentieren wollen, greift dies zu kurz. Viele Gesetze des Bundes greifen in die Hoheit der Kommunen ein. Angesichts der jährlich vorliegenden Finanzberichte der kommunalen Spitzenverbände haben wir bereits eine Dokumentation, in der auf die notwendigen Konsequenzen hingewiesen wird, denen wir uns stellen sollten. Die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen ist gescheitert. Aber dann setzen wir eben eine neue ein, um endlich die Gemeindefinanzreform auf den Weg zu bringen. (Beifall bei der LINKEN - Martin Zeil [FDP]: Dafür brauchen wir doch keine Kommission!) Dies wiederum vermissen wir im Antrag der Grünen. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Kommission?) Die Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge darf nicht nach Kassenlage erfolgen, sondern ist an den Bedürfnissen der Menschen in den Kommunen auszurichten. Wer starke Kommunen will, muss sie stark machen und dies erfordert eine solide und Planungssicherheit bietende Politik. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen unsere eigene Arbeit, zum Beispiel bei Gesetzgebungsverfahren, qualifizieren. Deshalb sind wir gut beraten, die kommunalen Spitzenverbände in unsere Arbeit und die der Bundesregierung einzubeziehen. (Beifall bei der LINKEN) Wir schlagen vor, ein Gesetz über die Mitwirkung von Kommunen erarbeiten zu lassen. Wussten in der Vergangenheit alle Abgeordneten in diesem Haus, wie sich beschlossene Gesetze in den Kommunen auswirken? Wussten Sie, dass eine Kommune, nur weil sie an einer Bahnstrecke liegt, den gesamten Vermögenshaushalt eines Jahres für die Umstellung des Bahnübergangs auf elektronische Steuerung ausgeben musste? Wann wurde die Wirksamkeit des Altschuldenhilfe-Gesetzes analysiert und wie kann man den Kommunen helfen, die heute noch erhebliche Altschulden in der Wohnungswirtschaft haben? Als kommunale Mandatsträgerin finde ich den Vorschlag von Frau von der Leyen absurd, den Kommunen neue Prioritätensetzungen vorzuschlagen, die wiederum zulasten der Kommunen gehen sollen. In sozialpolitischer Hinsicht hätte dieser Vorschlag von uns kommen können - das will ich klarstellen -; nur, Staatsaufgaben müssen in Zukunft auch vom Staat finanziert werden. (Beifall bei der LINKEN) Der Bund darf in Zukunft keine Politik auf Kosten Dritter machen. Das muss ein Anspruch an unsere Arbeit sein. Die Vorgehensweise der Bundesregierung bei der Berechnung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft war aus unserer Sicht unseriös und für uns inakzeptabel. Ich bin gespannt, worin der rot-schwarze „Faden“ bestehen soll. Erst schreiben wir in das Gesetz hinein, dass 29,1 Prozent der Kosten erstattet werden; dann wird angedroht, dass wir das mal eben von den Kommunen zurückfordern, und jetzt steht es wieder im Gesetz. Es wird auch noch so getan, als sei das ein großer Tag für die Kommunen. Die Gesetzgebung in unserem Haus muss sich durch mehr Transparenz, innovative Verfahren und Praxisnähe auszeichnen. Wir sind der Meinung, dass wir durch ein verbindliches Mitwirkungsrecht der kommunalen Spitzenverbände unsere Arbeit und die Gesetze verbessern können. Konsultationsmechanismen nach dem Vorbild Österreichs, besondere Anhörungsrechte, Kostenfolge- und Gesetzesfolgeabschätzung sind zu regeln. Eine geringere Dichte in Bezug auf Standards, weniger Bürokratie und einfachere Verwaltungsverfahren könnten den Kommunen die notwendigen Handlungsspielräume erweitern. Damit würden wir den Kommunen mehr Freiheit einräumen. Ein verbindliches Mitwirkungsrecht der Spitzenverbände könnte die künftigen Gesetze, die dieses Haus passieren, den kommunalpolitischen TÜV bestehen lassen. Ich möchte noch Anmerkungen zum Antrag der Grünen machen, den wir natürlich unterstützen. Erstens stimmen wir dem Antrag grundsätzlich zu. Aber wir sollten im Ausschuss darüber reden, dass das Konnexitätsprinzip im Grundgesetz verankert werden muss, und über eine Gemeindefinanzreform reden. Das fehlt in Ihrem Antrag. Zweitens. Wir haben sicherlich ebenfalls keinen Dissens, was die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer angeht. Nur muss ich Ihnen deutlich widersprechen: Wir haben konkrete Vorstellungen dazu. Vielleicht sollten wir unsere Positionspapiere austauschen, damit wir nicht in Ihren Begründungstexten erscheinen. Wir schlagen eine Verbreiterung der Bemessungsbasis der Gewerbesteuer und die Abschaffung der Gewerbesteuerumlage vor. Letzteres würde den Kommunen 5 Milliarden Euro einbringen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. In den Ausschüssen werden wir uns zu den anderen Anträgen politisch geordnet verhalten. Wenn es politisch gewollt ist, können wir die Lebensmittelpunkte der Menschen im Land attraktiver gestalten und den kommunalen Mandatsträgern wieder mehr Lust an ihrer Arbeit bereiten. Schönen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin Kunert, das war Ihre erste Rede in diesem Hohen Hause. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich und wünsche Ihnen persönlich und politisch alles Gute. (Beifall)