Zur Debatte um mehr Klimaschutz im Verkehr, sagte Lutz Heilmann, der beste Klimaschutz sei immer noch die Vermeidung von Verkehr. Mit der Kürzung der Regionalisierungsmittel sei ein Schritt in die falsche Richtung gemacht worden. Um umweltfreundlichere Autos zu bekommen, müssten die Anreiz so gestaltet werden, dass deren Produktion und Kauf gefördert würde. Dafür bedarf es ein Tempolimit von 130, strenge EU-Vorgaben für neue Fahrzeuge und eine Vorreiterrolle der öffentlichen Hand.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der Klimawandel ist in der Gesellschaft angekommen. Fast täglich berichten „Bild“, ARD, RTL oder andere Medien über den Klimawandel. Er steht jetzt auf den Titelseiten und bekommt gute Sendezeiten ab. Wer früher gewarnt hat und dafür belächelt oder beschimpft wurde, darf jetzt sogar bei Christiansen & Co offen darüber debattieren, und zwar zu Recht. Nach dem jüngsten UN-Klimabericht geht es um die Frage: To be or not to be?
Erlauben Sie mir jetzt ein paar Gedanken zur Thematik Straßenverkehr und Klimawandel. Es wurde schon erwähnt: Der Anteil des Straßenverkehrs am Ausstoß des Klimagases CO2 liegt bei 20 Prozent. Damit ist er eine Hauptquelle des Klimawandels. Deswegen ist es richtig, dass wir uns heute hier diesem Thema widmen. Wir meinen, dass wir uns den Straßenverkehr zur Brust nehmen müssen und nicht nur über ihn reden sollten.
In den letzten Jahren ist der Straßenverkehr leider nicht klimafreundlicher geworden, weder unter der sogenannten Ökokoalition Rot-Grün noch unter Schwarz-Rot. Der beste Klimaschutz ist immer noch die Vermeidung von Verkehr. Diesen Gesichtspunkt vermisse ich heute in dieser Debatte. Die Voraussetzungen für einen Neuanfang, für eine Umorientierung, werden nicht genannt. Die letzten Bundesregierungen haben sich da nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Letztes Jahr wurden die Regionalisierungsmittel für den Schienennahverkehr gekürzt. Rot-Grün hat die Absetzbarkeit des Jobtickets abgeschafft. Bei der Entfernungspauschale werden Nutzer des ÖPNV schlechtergestellt. Das alles sind Maßnahmen, die nicht für eine Verlagerung des Straßenverkehrs auf andere Verkehrsträger sorgen; es sind Maßnahmen zur Förderung des Straßenverkehrs.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir diskutieren heute über Anträge zu Klimaschutz und Straßenverkehr. Würde ihre Umsetzung einen Beitrag zum Klimaschutz leisten? Nur bedingt, denke ich. Bei den Grünen vermisse ich einfach, dass sie darüber nachdenken, wie man den Verkehr tatsächlich von der Straße verlagern kann.
(Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, Herr Kollege Heilmann, das ist doch ein Witz!)
- Herr Hermann, Sie denken nur noch über grünere Autos nach. Das ist einfach so. Schauen Sie in Ihren Anträgen nach! Ich habe sie mir angeguckt: An nur zwei Stellen wird eine Verlagerung gerade noch erwähnt.
(Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil wir schon tausend Anträge dazu gestellt haben!)
- Dann hätten Sie die hier noch einmal einbringen können. Sie hatten, als Sie an der Regierung waren, sieben Jahre Zeit, da etwas zu tun.
(Beifall bei der LINKEN - Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir waren sieben Jahre allein an der Regierung! Ja, ja, das kennen wir!)
Sie haben selbst erwähnt - andere Kollegen haben es auch getan -, welches Ausmaß die Emissionen im Straßenverkehr haben.
Die FDP möchte die Abschaffung der Kfz-Steuer. Wir finden das nicht richtig. Wir meinen, dass die Kfz-Steuer bisher einen wichtigen Lenkungsbeitrag geleistet hat. Wer sich mit der Einführung der Katalysatorentechnik in den 80ern und 90ern des vergangenen Jahrhunderts beschäftigt, wird dies bestätigen.
Nun ein paar Gedanken zum Gesetzentwurf der Koalition zur Dieselrußfilterförderung: Wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen, obwohl wir arge Bedenken haben. Wir sagen aber auch: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
(Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dreckspatz in der Hand!)
Wir haben heute auch einen eigenen Antrag mit Forderungen eingebracht. Wie gesagt: Die erste Forderung, die wir als Linke hier im Deutschen Bundestag stellen, lautet, dass wir die Weichen dafür stellen müssen, den Straßenverkehr zu verlagern. Als Allererstes bedeutet das für uns einen massiven Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wissen natürlich und anerkennen auch, dass viele Menschen auf das Auto nicht werden verzichten können. Ich wohne selbst im ländlichen Bereich und bin momentan vollkommen vom ÖPNV abgehängt. Deshalb fordern auch wir klimafreundlichere und effizientere Autos. Das heißt, künftig muss der Werbeslogan gelten: Drei Liter Verbrauch statt drei Liter Hubraum. Wir bleiben auch bei der Forderung, dass 120 Gramm CO2 pro Kilometer wieder auf die Tagesordnung gehören. So, wie die Frau Kanzlerin das kürzlich abgewiegelt hat, kann es nicht gehen.
(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)
Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist, die Kennzeichnung des CO2-Ausstoßes der Kfz zu verbessern, um den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich verantwortungsvoll entscheiden zu können. Ich habe mir die Werbeprospekte der Autohersteller angeschaut: Mit der Angabe von 180 Gramm oder 185 Gramm - was da alles so steht - kommt man nicht weit. Hier sollte uns das Kühlschrankmodell Vorbild sein. Dort ist es gut geregelt; die Einteilung geht von A bis F. Anhand einer solchen Einteilung könnte man gut einschätzen, was welches Auto ausstößt.
Für uns steht auch die Reform der Kfz-Steuer zur Debatte. Die Besteuerung von Neufahrzeugen sollte am CO2-Ausstoß ausgerichtet werden. Für Altfahrzeuge - das ist für uns als Linke besonders wichtig, da es eine soziale Komponente ist - müsste eine entsprechende Übergangsregelung mit einer angemessenen Frist eingeführt werden.
Herr Kollege Scheuer - Sie unterhalten sich dort hinten gerade -, wir bleiben bei unserer Forderung eines Tempolimits von 130 km/h. Das bringt nicht nur eine erhebliche CO2-Einsparung, sondern auch eine Entlastung für die Geldbeutel der Menschen. Unsere Autoindustrie - ich weiß, dass der Sitz von BMW in der Nähe Ihres Wahlkreises liegt - erhält dann auch den Anreiz, endlich Autos mit kleineren Motoren zu bauen, um dem gerecht zu werden.
(Michael Kauch (FDP): Sie können doch von sich aus langsamer fahren!)
Wir selbst müssen auch Vorbild sein. Die öffentliche Hand muss Vorreiter sein. Es darf keine Ausnahmegenehmigung geben, und der Fuhrpark muss auf die effizientesten Fahrzeuge umgestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zusammenfassen: Klimaschutz im Straßenverkehr erfordert ein Maßnahmenbündel. Ich habe Ihnen hier einige Maßnahmen vorgestellt, über die wir als Linke in der Debatte reden wollen und die wir durchsetzen müssen.
Ein Gedanke noch: Bei all dem, was wir hier debattieren - ob Für oder Wider, müssen Sie aber immer berücksichtigen, dass es ein „weiter so wie bisher“ nicht geben kann. Wir brauchen eine Verkehrswende, insbesondere weg vom motorisierten Individualverkehr und hin zu klimafreundlicheren Autos. Wenn Sie es mit Ihren Versprechungen vom Klimaschutz ernst meinen, dann bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als unserem Antrag zuzustimmen. Ich wünsche noch eine angeregte Debatte.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)