In seiner Rede zum Umwelthaushalt 2006 macht Hans-Kurt Hill deutlich, dass die Zahlen den Aufgaben im Klimaschutz nicht gerecht werden. Der Förderansatz für erneuerbaren Energien wird von der Steuerabzocke der Bundesregierung geschluckt. Das kostet Arbeitsplätze - vor allem in den ostdeutschen Bundesländern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Minimalismus, Stillstand, Ermüdung - das ist das, was der Umwelthaushalt 2006 und die Situation der großen Koalition widerspiegeln.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Frau Kollegin Hinz, ich empfehle mal eine Trainingseinheit bei Herrn Klinsmann. Vielleicht hilft Ihnen das. Den drängenden Umweltaufgaben werden die Haushaltszahlen nämlich nicht gerecht. Herr Minister Gabriel, wenn man Ihre Reden so verfolgt, stellt man fest, dass Sie für manches zuständig sind: für Wirtschaft, für Arbeit und für Entwicklungshilfe. Sogar zu Verteidigungsaufgaben fühlen Sie sich berufen.
(Ulrike Flach [FDP]: Und Ausbildungsplätze!)
Als Industrieminister nimmt man Sie wahr, aber bei Umwelt und Naturschutz ist nach meiner Meinung Fehlanzeige.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE] Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Aber Industrie ist wichtig!)
Sie machen Umweltschutz im Kriechgang. Das geht auf Kosten der Ökosysteme und damit auf Kosten der Menschen in Deutschland. Stichwort: erneuerbare Energien. Täglich lesen wir Meldungen über die Folgen des Klimawandels:
(Zuruf von der CDU/CSU: 40 Jahre DDR!)
Wetterextreme, massenhafter Artenschwund, Verlust wertvoller Kulturlandschaft.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Harter Winter!)
Ergebnis: Kosten für die Volkswirtschaft in Milliardenhöhe. Hauptgrund: die massenhafte Verbrennung von Kohle, Öl und Gas zur Energieerzeugung.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Waren Sie mal in Bitterfeld?)
Nebenwirkungen dieser Politik: fatale Abhängigkeit von Importen knapper Energien zu astronomischen Preisen. Deutschland lässt sich von einzelnen Energiekonzernen am Nasenring durch die Arena führen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich sage Ihnen: Wir können diese Probleme nur lösen, wenn wir in der Energiepolitik endlich einen anderen Weg gehen. Energie intelligenter nutzen und konsequent und zügig auf erneuerbare Energien setzen! Herr Minister Gabriel, Sie verkünden, natürlich auch mehr für Energie aus Sonne, Wind und Co. zu tun. Immerhin - das ist eben angeklungen - sind 43 Millionen Euro mehr im Umweltetat für die Forschung zu erneuerbaren Energien eingestellt. Doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man: Das ist ein Ringtausch zulasten der Zukunftsenergiebetriebe. Ausgerechnet bei der Förderung von Geothermie und Biomasse werden 13 Millionen Euro gestrichen. Bei der Atomenergie ist man da nicht so kleinlich.
(Ulrich Kelber [SPD]: Wollen Sie die Sicherheitsforschung reduzieren?)
Eines ist klar, Herr Gabriel: Wenn Sie die Endlagerprobleme der Atomlobby überlassen, Gorleben zur Verhandlungsmasse erklären und auch nur ein Atommeiler länger läuft als vorgesehen, dann sollten Sie besser den Hut nehmen. Beim Vergleich der Haushaltszahlen für erneuerbare Energien mit der Steuerpolitik dieser Regierung wird eines deutlich: Die Zukunftsenergien bleiben auf der Strecke und die Zeche zahlen wieder einmal die privaten Haushalte.
(Beifall bei der LINKEN)
Ausgerechnet bei den Biokraftstoffen wird Kasse gemacht, die Energie verschwendende Industrie von der Umlage für die Windenergie und den Solarstrom - beides umweltfreundlich - befreit. Das Energiesteuergesetz liest sich wie ein Abgesang an die Zukunft: klimaschädliche Kohleverstromung: 76 Millionen Euro weniger Einnahmen; Klimakiller Flugverkehr: 32 Millionen Euro weniger Steuern; Energie verschwendende Industrie: 60 Millionen Euro geschenkt plus 400 Millionen Euro weniger Abgaben, damit die Konzerne nichts für den Ökostrom bezahlen. Die Steuergeschenke an die Klimasünder - da sind Sie sich einig - können nicht groß genug sein. Mit höheren Abgaben auf erneuerbare Energien und für private Haushalte wird die Steuerkasse aufgefüllt. Dabei wissen Sie vor lauter Aufregung nicht, wo Sie die Milliarden kassieren sollen.
Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Hill, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Gern. Ulrich Kelber (SPD): Vielen Dank, dass Sie mir eine Zwischenfrage ermöglichen. - Herr Kollege Hill, ist Ihnen bekannt, dass die Härtefallregelung, die Sie angesprochen haben, von einem Finanzminister eingeführt worden ist, der jetzt Ihr Fraktionsvorsitzender ist?
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Es tut mir Leid: Damals war er Vorsitzender Ihrer Fraktion, nicht der Vorsitzende der Fraktion der Linken.
(Lachen bei der SPD)
Somit habe ich das nicht zu verantworten. Das müssen Sie verantworten, oder?
(Beifall bei der LINKEN)
Damit die Bürgerinnen und Bürger wissen, was kommt: Aufgrund der gestiegenen Spritpreise kassiert der Finanzminister noch auf Grundlage des alten Mehrwertsteuersatzes von 16 Prozent allein in diesem Jahr über 1 Milliarde Euro mehr. Mit Steuern in Höhe von insgesamt 1,7 Milliarden Euro macht Minister Steinbrück umweltfreundlichen Biokraftstoff völlig uninteressant. Das Geld kommt von den Privathaushalten, die mit steigenden Energiepreisen kämpfen, und von den Landwirten, die bisher erfolgreich in Bioenergie investiert haben. Rücken Sie diese 2 Milliarden Euro wieder heraus!
(Beifall bei der LINKEN)
Statt mit erneuerbaren Energien die Strompreise zu senken und den Klimaschutz zu stärken, setzt die große Koalition auf alte Kamellen: Die heimische Kohle soll es richten.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ist das hier nicht eine Haushaltsberatung?)
Die Stromkonzerne versprechen Ihnen klimagasfreie Kohlekraftwerke; Sie glauben das Märchen auch noch. Ohne eine Verdoppelung der Strompreise ist der Unsinn - ganz zu schweigen von der Endlagerung über Jahrtausende - überhaupt nicht finanzierbar.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Man muss nicht alles sagen! Man kann sich auf das Wesentliche beschränken!)
Hier tauchen übrigens noch einmal die 2 Milliarden Euro auf: Die Klimagasverklappung soll gefördert und das Geld den Monopolisten in den Rachen geworfen werden. Wofür stehen Sie eigentlich? Glauben Sie im Ernst, dass wir noch einmal über 1 000 Quadratkilometer Landschaft aufreißen können, um mehr Braunkohle zu verfeuern? Das ist den Menschen doch überhaupt nicht mehr zu vermitteln. Glauben Sie wirklich, dass die Energiekonzerne mehr deutsche Steinkohle verfeuern und zusätzliche Kraftwerke bauen?
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie waren der Wahrheit schon sehr nahe! Sie müssen sich nur kürzer halten!)
Die SPD hat doch längst den Ausstieg aus dem Bergbau beschlossen. Die Energiewirtschaft baut nur neu, um alte und marode Kohlekraftwerksblöcke zu ersetzen. Die Folge: 25 000 Arbeitsplätze werden überflüssig, weil neue Kraftwerke mit minimaler Belegschaft betrieben werden und weil RAG-SPD-Müller den Steinkohlebergbau abschaffen möchte.
(Ulrich Kelber [SPD]: Wollen Sie die Kernenergie weiter betreiben?)
Wenn aufgrund Ihrer Stillstandspolitik der Anteil der erneuerbaren Energien nicht um ein Prozentpunkt gesteigert wird, hat das zur Folge, dass 20 000 Arbeitsplätze nicht geschaffen werden. Dafür werden wir Sie in die Verantwortung nehmen. Was Sie hier machen, ist Hartz IV aus der Steckdose. Fazit: Gabriels Fördertopf wird durch Steinbrücks Steuerabzocke wieder kassiert. Die Dummen sind die Bürgerinnen und Bürger. Ich komme jetzt zu den Anträgen.
Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Hill, das wird jetzt nichts mehr. Sie müssen bitte zum Ende kommen und den letzten Satz bilden.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Ich komme zum Ende. - Wir fordern 100 Millionen Euro mehr für Zukunftsenergien und die Rücknahme einer Steuerpolitik, die Arbeitsplätze vernichtet. Die Menschen haben einen Anspruch auf bezahlbare Energie und auf eine intakte Umwelt. Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN