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Klimaschutz geht vor Profitinteressen von RWE

Rede von Janine Wissler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Klimakrise bedroht durch Naturkatastrophen, Dürren und Hunger das Leben und die Existenz vieler Menschen, vor allem im Globalen Süden. Und auch hier sind wir mit den Folgen längst konfrontiert. Erinnern wir uns an die Flutkatastrophe im Ahrtal,

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

an die Berichte zur Trinkwasserknappheit im Sommer, an die vielen Hitzetoten in unseren Städten, an die ausgetrockneten Flüsse und die Waldbrände in ganz Europa.

Der Klimawandel ist eine existenzielle soziale Frage. Und wissenschaftlicher Fakt ist: Es bleibt nur noch sehr wenig Zeit, um umzusteuern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Karsten Hilse [AfD]: Das ist überhaupt kein wissenschaftlicher Fakt!)

Darum geht es. Und das muss man sich vor Augen halten, wenn wir heute darüber diskutieren, dass im Jahr 2023 ein Dorf abgebaggert wird, um die darunterliegende Braunkohle abzubauen. Dort wurde ein Windpark abgerissen, um weiter Kohle zu fördern,

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sehr sinnvoll!)

und das, obwohl Studien belegen, dass die Kohle unter Lützerath gar nicht gebraucht wird für die Versorgungssicherheit. Das ist grotesk.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Und warum das alles? Weil sich die Ampel und die schwarz-grüne Landesregierung in NRW den Profitinteressen von RWE offensichtlich stärker verpflichtet fühlen als dem Klimaschutz. Da haben Sie auch gar kein Problem, Menschen zu enteignen. An anderer Stelle prangern Sie das ja an. Es waren Bundeswirtschaftsminister Habeck und die NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur, beide Mitglieder der Grünen, die den vermeintlichen Kompromiss mit RWE ausgehandelt haben.

Vor der NRW-Landtagswahl waren die Grünen in Lützerath und haben „Alle Dörfer bleiben!“ skandiert. Heute verteidigen sie das Abbaggern und reden sich raus mit dem Argument, RWE habe ja das Recht dazu, abzubaggern. Wenn das so ist, stellt sich die Frage: Warum haben Sie das den Leuten nicht vor der Wahl gesagt? Warum sind Sie nicht nach Lützerath gefahren und haben gesagt: Alle Dörfer bleiben – es sei denn, RWE besteht darauf, sie abzubaggern.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Dr. Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und was ist denn mit den rechtlichen Verpflichtungen zur Einhaltung der Klimaziele? Was ist denn mit den internationalen Abkommen wie dem Pariser Klimaabkommen? Was ist denn das für Sie? Ist das eine unverbindliche Empfehlung?

(Karsten Hilse [AfD]: Ja, das ist es! Eine unverbindliche Empfehlung! Nichts anderes!)

Ist das was, woran man sich nur so lange gebunden fühlt, bis es irgendeinen Konzern stört?

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Bei internationalen Konferenzen zeigt die Außenministerin mit dem Finger auf andere; aber Deutschland baggert Dörfer für Kohle ab, blockiert die Verkehrswende. Sie halten die Klimaziele auch nicht ein. Alle sollen Energie sparen, aber es gibt immer noch kein Tempolimit, und die Zahl der Flüge mit Privatjets ist auf einem Rekordniveau.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Da hilft es auch nicht, dass die Grünen das Jahr 2023 zum Jahr des Klimaschutzes erklären. Wir retten doch das Klima nicht durch schöne Worte, sondern durch entschlossene Taten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Und dann loben Sie den Kompromiss mit RWE, weil der Ausstieg aus der Braunkohle vorgezogen würde. Aber entscheidend für das Klima ist doch nicht einfach nur das Ausstiegsdatum, sondern wie viel CO2 bis dahin noch in die Atmosphäre geblasen wird.

(Beatrix von Storch [AfD]: Entscheidend für das Klima sind vor allem China und Indien!)

Kurzfristig darf RWE doch jetzt erst mal mehr Kohle verfeuern. Und aus der Vergangenheit wissen wir doch, dass Ausstiegstermine auch ganz gerne wieder gekippt werden, wenn es gerade passt.

(Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was will denn Die Linke?)

Und offenbar geht auch RWE fest davon aus, noch weit über 2030 hinaus Kohle verfeuern zu können.

(Zuruf der Abg. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

RWE will nämlich ein Reservelager von 50 Millionen Tonnen anlegen für die Zeit nach 2030. So ist es nämlich nachzulesen in der Antwort des NRW-Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage einer grünen Landtagsabgeordneten. Und das Ausstiegsgesetz der Ampel sieht ja ausdrücklich vor, dass man die Reserve im Jahr 2026 noch mal prüft – wer auch immer dann regiert. Glückwunsch! Ganz toller „Kompromiss“! Da kann ich gut verstehen, dass die Aktiven sich verraten und verarscht fühlen; das kann ich gut verstehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin sehr froh, dass die Fraktion Die Linke geschlossen gegen diesen Deal mit RWE gestimmt hat. Denn das Problem bei den Grünen ist, dass sie nicht bereit sind, sich für den Klimaschutz mit Konzerninteressen anzulegen, sich auch mal mit dem eigenen Koalitionspartner anzulegen. Das kenne ich aus Hessen. Wissen Sie, diese Woche wurde der Fechenheimer Wald in Frankfurt geräumt. Er soll gerodet werden für einen Autobahnausbau. Und da sitzen die unmittelbar Verantwortlichen nicht in Konzernzentralen, auf die man ja keinen Einfluss nehmen kann. Nein, hier ist der Bauherr der Bund, und Grüne tragen das im Bund, in Hessen und in Frankfurt mit.

Ob es um die Energiewende, um den Flughafenausbau oder die Automobilindustrie geht: Wenn es wirklich ernst wird, zeigen die Grünen ein Rückgrat wie Wackelpudding, und das ist das Problem, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD])

Ich war letzte Woche in Lützerath. Ich habe im Camp übernachtet. Ich war bei Aktionen und Sitzblockaden. Ich habe dort Menschen getroffen,

(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

die sich um das Klima, um kommende Generationen, um die Demokratie sorgen, die sich mit den Bauern in der Region und den Anwohnern zusammengetan haben, die friedlich für eine lebenswerte Zukunft kämpfen – sozial gerecht, mit zukunftssicheren Arbeitsplätzen, meine Damen und Herren. Diese Menschen sind keine Klimaterroristen, wie die AfD behauptet. Sie sollten sich sowieso erst mal um die Terroristen in Ihren eigenen Reihen kümmern.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Oh! Sagen die grünen Kommunisten!)

Die wahren Klimaterroristen, das sind die, die illegal Wälder im Amazonasgebiet zerstören, das sind die, die Indigene und Umweltschützer, die sich gegen den Raubbau an der Natur engagieren, ermorden lassen. 227 Umweltaktivisten sind allein im Jahr 2020 ermordet worden. Das, meine Damen und Herren, ist Klimaterrorismus.

(Beifall bei der LINKEN)

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Die Räumung von Lützerath konnte nicht verhindert werden, aber die Klimabewegung hat neue Kraft getankt. Und noch ist die Kohle im Boden.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Noch, genau!)

Es ist höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)