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Klaus Ernst: Hartz IV war Scharlatanerie

Rede von Klaus Ernst,

Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN zur Frage der Praxistauglichkeit der Hartz- Gesetze und der Erforderlichkeit einer Generalrevision.

 

Die Hartz IV Reform ist gescheitert, eine Generalrevision von Hartz IV richtig. Hartz-Gesetze haben maßgeblich zur Armut, auch zur Kinderarmut, in diesem Lande beigetragen.

Klaus Ernst (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegenwärtig geistern ja einige Debatten durch die Republik, die durch Herrn Rüttgers angestoßen wurden und die es wert sind, dass man darüber nachdenkt. Das macht es notwendig, den einen oder anderen Punkt deutlich anzusprechen.

Es geht vor allen Dingen um die Frage: Waren die Hartz-Gesetze erfolgreich oder nicht?

(Zuruf von der SPD: Die Frage stellte Rüttgers nicht!)

Die Frage ist sehr einfach zu beantworten, wenn man sich einmal überlegt, mit welchem Ziel man angetreten ist. Ich möchte hier an das erinnern, was Herr Hartz am 16. August 2002 im Französischen Dom zu Berlin gesagt hat: Heute ist ein schöner Tag für die Arbeitslosen. Unser Ziel ist es, die Zahl der Arbeitslosen in drei Jahren um 2 Millionen zu reduzieren. - Die Realität kennen wir alle: Das war die größte politische Scharlatanerie, die wir in den letzten Jahren in diesem Land erlebt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen: Das Gegenteil ist eingetreten. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, Billigjobs verdrängen reguläre Arbeitsverhältnisse, versicherungspflichtige Beschäftigung ist zurückgegangen.

(Wolfgang Grotthaus [SPD]: Wo haben Sie das denn her?)

Diese Reform ist gescheitert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)

Deshalb ist eine Generalrevision von Hartz IV richtig. Natürlich muss man das Arbeitslosengeld I länger zahlen. Das sage ich ganz bewusst in Richtung SPD. Jeder weiß, dass jemand, der älter als 50 ist und seinen Job verliert, eher das Bundesverdienstkreuz bekommt, als noch einmal einen neuen Job zu finden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß überhaupt nicht, warum gerade in Ihrer Fraktion Aufregung entsteht, wenn nun das Arbeitslosengeld I wieder einigermaßen vernünftig gezahlt werden soll, sodass man nicht direkt nach einem Jahr beim Arbeitslosengeld II mit 345 Euro Regelsatz landet. Wo da die Logik sein soll, wenn Sie als Sozialdemokraten dagegen sind, verstehe ich nicht. Ich weiß auch nicht, warum Sie Angst haben, einen Fehler zuzugeben.

Herr Hartz ist weg wegen unredlichen Lebenswandels.

Herr Schröder hat inzwischen ein Buch geschrieben.

Sie brauchen keine Angst mehr zu haben, als unredlich darin vorzukommen.

(Wolfgang Grotthaus [SPD]: Sie brauchen uns nicht anzuschreien!)

Sie können einfach wieder sozialdemokratische Politik machen. Fangen Sie doch mal damit an!

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der SPD)

Auf etwas möchte ich dabei deutlich hinweisen:

(Wolfgang Grotthaus [SPD]: Wir hören Sie, aber wir können Sie nicht verstehen!)

Es ist an dieser Stelle natürlich Vorsicht geboten. Es ist sinnvoller, das Arbeitslosengeld I nicht nur danach zu bemessen, wie lange ein Arbeitnehmer eingezahlt hat, sondern auch danach, wie alt jemand ist. Das war die alte Regelung, die wir beim Arbeitslosengeld I hatten. Die war vernünftig, weil die Arbeitslosenversicherung eine Risikoversicherung ist und weil es einfach so ist, dass man im Alter ein höheres Risiko hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist das eine. Das Zweite ist etwas ganz anderes, nämlich die Vorschläge, die mit den Rüttgers-Positionen verbunden sind. Da muss man genau hinschauen. Es gibt keinen Grund, über eine Gegenfinanzierung nachzudenken, wenn die Bundesagentur 10 Milliarden Euro Gewinn macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum muss man eigentlich bei anderen sparen, wenn offensichtlich das Geld sprudelt, und zwar auf Kosten der Arbeitslosen, bei denen man eingespart hat? Deshalb sage ich Ihnen, meine Damen und Herren: Das, was Ihr zweiter Vorschlag beinhaltet, ist eigentlich - da hat Müntefering Recht - eine Sauerei.

Sie wollen wieder einführen, dass beim Arbeitslosengeld-II-Bezug sozusagen die Alten für die Jungen sowie die Jungen für die Alten in der Familie einstehen sollen; nur vor diesem Hintergrund soll Geld gezahlt werden. Ich will Ihnen sagen, wo Sie da abgeschrieben haben. Ich zitiere aus dem Antrag der CDU-Landesverbände. Dort heißt es, im Gegenzug zu Ihren Vorschlägen werden die alten Regelungen der Sozialhilfe „zur gegenseitigen Einstandspflicht von Eltern für ihre Kinder, auch von Kindern für ihre Eltern“ wieder eingeführt. Sie wollen also beim Arbeitslosengeld II dafür sorgen, dass der Streit wieder in die Familien kommt. Sie wollen dafür sorgen, dass die Sozialpolitik letztendlich abgeschafft und ihre Aufgabe wieder in die Familien verlagert wird. Das ist Ihr Vorschlag und das ist ein politischer Skandal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Was Sie hier vorschlagen, ist nichts Neues und ist relativ einfallslos. Wir wissen ja, dass es in der CDU enge Verbindungen zur Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gibt; ich erwähne Herrn Göhner.

Nun heißt es in dem BDA-Papier „Konsequente Reform von‚ Hartz IV‘ - 10-Punkte-Plan der BDA“ vom 31. Juli - ich zitiere -: Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips muss die gegenseitige Unterstützung von Eltern und Kindern wie bei der früheren Sozialhilfe wieder Vorrang vor staatlicher Unterstützung erhalten. Sie haben ja nicht einmal etwas Neues geschrieben, meine Damen und Herren von der CDU/CSU!

(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Aber Sie jeden Tag!)

Sie haben schlichtweg nur das BDA-Papier abgeschrieben. Dieser sozialpolitische Vorschlag ist ein Trojanisches Pferd: Sie tun so, als würden Sie das Arbeitslosengeld I sinnvollerweise erhöhen wollen; eigentlich wollen Sie aber beim Arbeitslosengeld II, bei den Ärmsten der Armen, weiter sparen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Skandal ist, dass Sie hier bei der Armutsdebatte so tun, als hätten Sie mit der Armut in dieser Republik nichts zu tun. Sie sind nicht ursächlich dafür verantwortlich; aber mit Ihren Hartz-Gesetzen haben Sie maßgeblich zur Armut, auch zur Kinderarmut, in diesem Lande beigetragen. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

(Beifall bei der LINKEN -
Dirk Niebel [FDP]: Komm mal runter!)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN -
Wolfgang Grotthaus [SPD]: Das war jetzt aber schwach!)