Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Und insbesondere möchte ich jetzt die noch zu Zehntausenden streikenden Kita-Erzieherinnen und Kita-Erzieher grüßen, die für eine Aufwertung ihrer Berufe - Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeiter, Kita-Erzieherinnen, Kita-Erzieher - eintreten, die eine hervorragende Arbeit für viel zu wenig Geld machen und die hoffentlich auch nach Pfingsten kraftvoll weiter streiken und - wie ich auch hoffe - den Verband der kommunalen Arbeitgeber zu einem Einlenken bewegen können. Die Linke steht an ihrer Seite.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Marks, Sie feiern Ihre Erfolge. Das sei Ihnen gegönnt. Feste soll man ja bekanntlich feiern, wie sie fallen. Aber ich möchte Ihnen einen Rat geben - Sie haben es in Ihrer Rede selbst anklingen lassen ‑: Lassen Sie den Sekt im Schrank
(Caren Marks, Parl. Staatssekretärin: Das Wasser!)
‑ oder auch das Wasser -, und lassen Sie uns da, wo die Probleme sind, anfangen! Kommen wir dahin, dass Kita-Ausbau und ‑Qualität einen deutlichen Sprung nach vorn machen! Die Erfolge sind bei Weitem nicht so groß, wie Sie sie hier dargestellt haben.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Es fehlen 185 000 Plätze, und die Plätze, die wir in den letzten Jahren ausgebaut haben, haben eine - sagen wir es einmal freundlich - höchst unterschiedliche Qualität in der Betreuung. Den Ausbau so, wie er in den vergangenen Jahren geschehen ist - bei allen Erfolgen, die es gegeben hat ‑, haben Sie zwar durch den Bund unterstützt, aber er ist im Wesentlichen auf dem Rücken der Kommunen, der Länder und der Beschäftigten, die in den Kitas arbeiten, geleistet worden. Dazu möchte ich Ihnen vier Punkte sagen.
Erstens. Ein Mehr an Kita-Plätzen bedeutet nun einmal nicht, dass die Qualität der Plätze dem entspricht, was wir uns alle vorstellen. Stichwort hierzu ist: eine spürbare Absenkung des Betreuungsschlüssels, und zwar flächendeckend. Er ist in vielen Kindertagesstätten in vielen Ländern viel zu hoch. Stichwort ist ferner: ein kostenfreies Mittagessen für die Kinder oder überhaupt ein Mittagessen, das wir ja in vielen Betreuungseinrichtungen überhaupt nicht haben. Stichwort ist: eine Ertüchtigung der baulichen Substanz. Da haben wir einige Schritte getan, aber auch da ist noch viel zu tun. Und schließlich ist am Ende ein weiteres Stichwort: eine Aufwertung der Berufe.
Sie wollen nicht über ein Kita-Qualitätsgesetz sprechen. Deswegen werden Sie unseren Antrag dazu hier heute ablehnen. Wir haben beantragt - nichts weiter als das ‑, dass sich der Bund in die Spur begibt, ein Kita-Qualitätsgesetz zu verabschieden, das genau diese Punkte anpackt. Aber genau diese Punkte - die Grünen sind in eine ähnliche Richtung gegangen - wollen Sie eben bundesrechtlich nicht vereinheitlichen und wollen da auch keine weiteren Schritte gehen. Das ist sehr bedauerlich.
Zweitens: Der Ausbau der Kita-Plätze geht einher mit einem massiv erhöhten Personalbedarf. Das ist richtig. Die Bundesregierung spricht hier in ihrem Bericht von „pädagogisch Tätigen“ und eben nicht von „Erzieherinnen und Erziehern“. Warum ist das so? Weil nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft von 522 000 Beschäftigten in den Kitas 354 000 Erzieherinnen und Erzieher sind und der Rest eben nicht vollwertig ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher, sondern Vertreter anderer Berufe sind, schlechter qualifiziert, schlechter bezahlt. Damit kann gute Qualität in frühkindlicher Bildung nicht funktionieren. Wir brauchen beste Ausbildung, wir brauchen in den Kitas durchgängig Erzieherinnen und Erzieher, die in diesem Beruf auch ausgebildet worden sind, und nicht anderes Personal mit schlechterer Ausbildung.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens - hier sind wir bei dem Anliegen der derzeit streikenden Erzieherinnen und Erzieher ‑: Verdi und die GEW streiken für eine deutlich höhere Eingruppierung. Das ist auch berechtigt, weil wir - das geht auch aus Ihrem Bericht hervor - inzwischen ganz andere Anforderungen an diesen Beruf haben, weil wir inzwischen unter Kita-Erzieherinnen und ‑Erziehern nicht mehr die verstehen, die auf die Kinder aufpassen, damit sie nicht weglaufen und nicht zu Schaden kommen. Vielmehr haben sie einen pädagogischen Auftrag, sie haben einen Auftrag, der bedeutet, dass frühkindliche Bildung am Ende mehr mit Bildung als mit Betreuung zu tun hat.
Dieser Berufszweig, der noch immer überwiegend ein Frauenberuf ist, soll für die Gesellschaft geöffnet werden; der Zugang soll breiter werden. Auch Männer sollen sich für diesen Beruf stärker interessieren. Das heißt, wir brauchen hier eine vernünftige Entlohnung. Das geht eben nur, wenn am Ende die Berufe aufgewertet werden und deutlich mehr Geld bei den Erzieherinnen und Erziehern bleibt.
(Bettina Hornhues (CDU/CSU): Männer brauchen mehr Geld?)
Viertens. Wir alle sprechen lieber von „frühkindlicher Bildung“ als von „Kinderbetreuung“. An diesem Punkt begegnet uns eine Entwicklung, die aktuell die Republik umtreibt: Warum müssen Eltern Geld, teilweise viel Geld, für die Erfüllung ihres Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung ihrer Kinder zahlen? Bundesweit gibt es die Forderung, die Elternbeiträge für Kindertageseinrichtungen abzuschaffen. Wir als Linke halten diese Forderung für berechtigt. Wir wissen, dass das nicht von heute auf morgen geht. Aber wir finden, wir sollten uns darauf als Fernziel verständigen. Wenn es um Bildung geht, dann dürfen Elternbeiträge für Kitas nicht mehr erhoben werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich fasse zusammen. Der Ausbau der Kitaplätze, die Verbesserung des Betreuungsschlüssels durch massive Neueinstellungen, die Verbesserung der Qualität frühkindlicher Bildung sowie die Aus- und Weiterbildung und die Abschaffung der Elternbeiträge: Diese Prozesse müssen parallel angegangen werden. Das alles kostet Geld. Damit kommen wir zum Kern des Problems. Im Jahre 2011 gab die gesamte öffentliche Hand 17,3 Milliarden Euro oder 0,6 Prozent des BIP für Kindertagesbetreuung aus. Selbst die OECD geht davon aus, dass der Gesamtbedarf bei etwa 26 Milliarden Euro liegen würde - die OECD erhebt ähnliche Forderungen wie wir -, um wenigstens das Versorgungsniveau Frankreichs oder der skandinavischen Ländern zu erreichen. Das Deutsche Kinderhilfswerk hat heute 5 Milliarden Euro mehr pro Jahr gefordert, die allein der Bund in die Hand nehmen soll, um diese Ziele zu erreichen.
Wir brauchen hier den Einstieg des Bundes in die Personalkostenfinanzierung. Wir brauchen eine viel breitere Beteiligung. Das muss mehr sein als im Wesentlichen nur die Übernahme der Investitionskosten - das haben wir jetzt -, damit der Kitaausbau und die Qualitätsverbesserung eben nicht mehr auf dem Rücken der Länder und Kommunen und am Ende auf dem Rücken der schlecht entlohnten Beschäftigten ausgetragen wird. Vielmehr ist hier der Bund in der Pflicht. Er hat den Rechtsanspruch erlassen; das war gut und richtig.
(Paul Lehrieder (CDU/CSU): Wie immer!)
Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Müller, bitte achten Sie auf Ihre Redezeit.
Aber die Konsequenzen dürfen dann nicht nur halbherzig gezogen werden, sondern man muss da ein bisschen mehr Butter bei die Fische geben.
In diesem Sinne: Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Was machen die Länder dann noch? - Gegenruf des Abg. Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): Dazu kann ich Ihnen was sagen!)