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Kindertagesbetreuung für Kleinstkinder sofort ausbauen und Qualität verbessern

Rede von Diana Golze,

- Es gilt das gesprochene Wort. -

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte Frau Ministerin von der Leyen - sie kann anscheinend nicht persönlich anwesend sein - für die Debatte der vergangenen zwei Wochen ein paar Sätze der Bewunderung aussprechen. Ja, sie hat es geschafft, die Debatte über Kinderbetreuung auf ein neues Niveau zu heben, das einen Hauch von Selbstverständlichkeit der öffentlich organisierten Tagesbetreuung in die Alltagsdebatten der Bundesrepublik bringt. Vielleicht hat sie damit auch den längst überfälligen Frühjahrsputz in einer verstaubten Männerwelt angestiftet.

Ich möchte die Ministerin bitten, den Staubwedel nicht abzusetzen oder gar wegzupacken, sondern ihn endlich auch den Herren aus ihrer eigenen Partei in die Hand zu drücken.

(Beifall bei der LINKEN - Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das müssen Sie auch Ihrer Partei sagen!)

Allen, die immer noch am traditionellen Bild von Familie und Mutterschaft festhalten, sage ich ganz deutlich: Mütter, die nach der Geburt ihres Kindes schnell wieder in den Beruf einsteigen wollen, tun nichts Verwerfliches, sondern wollen auch nur das Beste für ihr Kind.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir ihnen weiterhin die Rückkehr in den Beruf erschweren, werden sich noch mehr Frauen gegen Kinder entscheiden und Familien mit Kindern wären dann ein Auslaufmodell.

(Zuruf der Abg. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))- Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, dann schonen Sie Ihre Stimme.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich zweifle nicht daran, dass Frau von der Leyen sicherlich eine gesellschaftliche Mehrheit für dieses Vorhaben hat. Gerade im Osten der Republik ist trotz aller Einsparungen der letzten Jahre immer noch ein gutes Angebot im Hinblick auf die Betreuung von Kindern unter drei Jahren vorhanden. Viele Familien in Westdeutschland wünschen sich solche Möglichkeiten. Die Gesellschaft folgt also den Plänen der Ministerin. Aber ich frage mich: auch die Mehrheit ihrer Partei?
Ich fühle mich außerdem bitter an die Debatte über das Elterngeld erinnert. Auch damals begann alles mit schönen Reden über Gleichstellung und eine größere Beteiligung der Väter. Herausgekommen ist ein Oberklasseförderprogramm, dessen Rechnung die Erwerbslosen und die Einkommensschwachen begleichen müssen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Auch die Linke befürwortet ein Elterngeld, aber eines, das sozial gerecht ist und diesen Namen verdient, weil es für alle Eltern einen Gewinn darstellt.

(Beifall bei der LINKEN Johannes Singhammer (CDU/CSU): Das tut es doch!)

Meine Damen und Herren, die Linke steht ohne Wenn und Aber für einen konsequenten Ausbau des Angebots an Kinderkrippen- und Kindergartenplätzen. Das sind Orte, an denen soziale Ungleichheit abgebaut werden kann. Die Kinder von Professorinnen bzw. Professoren und Friseurinnen bzw. Friseuren sind auf ihrem späteren Bildungsweg nie wieder so gleichberechtigt wie bei ihrem gemeinsamen Aufenthalt in der Kindertagesbetreuung. Die Kinderbetreuung erhöht außerdem die Erwerbsbeteiligungsquote junger Mütter und verhindert damit Kinderarmut, wie eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung kürzlich zum Ausdruck gebracht hat. Für die Finanzierung dieser Infrastruktur, deren Nutzung beitragsfrei sein sollte, muss der Sozialstaat, müssen damit wir alle auf solidarische Weise einstehen. Hier wird schließlich in Zukunft investiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, ich habe gerade vom Sozialstaat und von Solidarität gesprochen - zwei Worte, die Ihnen eigentlich gut vertraut sein sollten.

(Frank Schwabe (SPD): Das sind sie auch!)

Dass dem so ist, daran zweifle ich allerdings nicht erst seit diesem Montag, als Sie Ihr Konzept zur Finanzierung der Kindertagesbetreuung vorgelegt haben. Denn Sie wollen die Kindertagesbetreuung unter anderem durch ein Aussetzen der nächsten Kindergelderhöhung finanzieren.

(Frank Schwabe (SPD): Und wie wollen Sie das bezahlen?)

Ich nehme zunächst mit Interesse zur Kenntnis, dass Sie die Notwendigkeit einer Erhöhung nun faktisch anerkennen. Aber ich übersetze Ihre Forderung einmal in normales Deutsch: Das Kindergeld wurde zuletzt im Jahr 2000 erhöht. Seitdem hat es aufgrund von Preissteigerungen real 10 Prozent an Wert eingebüßt. Wenn Sie mit der nächsten Erhöhung nun vielleicht bis zum Jahr 2013 warten, dann fordern Sie in Wirklichkeit eine Kürzung des Kindergeldes um 23 Prozent im Vergleich zum Jahr 2000.

(Beifall bei der LINKEN)

Von 4 Euro nehmen Sie den Familien 1 Euro weg. Dazu kann ich nur sagen: ein wahrhaft sozialdemokratisches Vorhaben.

(Caren Marks (SPD): Ich kann nur sagen: Sie haben nichts begriffen!)

Das ist eine fantasielose Umverteilungspolitik auf Kosten der Familien, wie der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband zu Recht festgestellt hat.
Umverteilung ist ebenfalls ein schönes Wort. Soweit ich es überblicken kann, sind wir die einzige Fraktion im Parlament, die eine wirkliche Umverteilung fordert,

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Oh ja! Das kann man wohl sagen! Alles zum Staat! Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das trauen wir Ihnen auch allemal zu!)

eine Umverteilung, die Kindern, Jugendlichen und Familien zugute kommt. Wir stehen zu der Aussage, dass ein angemessener Anteil der gesellschaftlichen Ressourcen für Kinder und Jugendliche und ihre Familien zur Verfügung gestellt werden muss. Das darf aber nicht so aussehen, dass die Schulkinder aufgrund einer Kindergeldkürzung die Krippenplätze für ihre Geschwister bezahlen. Die notwendigen finanziellen Mittel müssen vielmehr durch eine konsequente Umverteilung von hohen Einkommen, Gewinnen und Vermögen aufgebracht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Denkbar wären zum Beispiel danach ist gefragt worden die Einführung einer Börsenumsatzsteuer,

(Ina Lenke (FDP): Aber wir haben doch auch schon eine Reichensteuer, Frau Kollegin! Johannes Singhammer (CDU/CSU): Aha! Interessant!)

die Kappung des Ehegattensplittings oder die stärkere Beteiligung der Arbeitgeber im Rahmen einer sozialversicherungsbasierten Finanzierung. So schwer ist es nämlich gar nicht, eine sozial gerechte Familienpolitik zu machen.
Wer eine sozial gerechte Familienpolitik machen will, der muss bei der Ausgestaltung und bei der Gegenfinanzierung von Leistungen für Kinder, Jugendliche und Familien auch die Frage nach der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums stellen. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen Eltern und Kinderlosen, auch nicht zwischen Schulkindern und Vorschulkindern, sondern immer noch zwischen Arm und Reich, zwischen oben und unten. Wer die Verteilungsfrage nicht stellen will, der sollte von sozial gerechter Familienpolitik schweigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)