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Kinderkrippenplätze sind wichtiger als Golfplätze

Rede von Diana Golze,

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Es ist wahrlich ein Trauerspiel für die Familien man könnte auch sagen: eine Tragikomödie, was heute auf den Titelseiten der Tageszeitungen zu lesen ist: Union bremst von der Leyen aus, Christen kippen Kinderkrippen usw.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was alles in der Zeitung steht!)

Während Frau von der Leyen gestern Abend in den „Tagesthemen“ noch einmal deutlich machen durfte, dass ihre Pläne nichts anderes bedeuten als die Anpassung an europäische Standards, bleiben die Herren der CDU/CSU in ihrem Elfenbeinturm sitzen und träumen von den guten alten Zeiten, als sie nicht mit solchen schnöden Debatten gestört wurden.

Die Bundesregierungen haben in den vergangenen Jahren ein familienpolitisches Nickerchen gehalten, während in anderen europäischen Staaten die Frage nach der qualitativen und der quantitativen Kindertagesbetreuung ganz oben auf der Tagesordnung gestanden hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Jahr 2007 erlebten wir nun ein kurzes scheinbares Erwachen, aber am Ende ist es wohl doch nur wieder der berühmte Theaterdonner. Ich spreche zum einen von Herrn Kauder und den anderen Altvorderen in der Union,

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

die von den Lebensentwürfen junger Menschen so wenig wissen sind Sie jetzt traurig, dass ich Sie nicht namentlich genannt habe?,

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

dass sie immer noch die Familienideale des vorletzten Jahrhunderts hochhalten.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Wie heißt die Frau von Herrn Lafontaine?)

Statt den Vorstoß ihrer Familienministerin zum Anlass zu nehmen,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): So was Reaktionäres wie von Frau Müller werden Sie von der Union nicht hören!)

sich die Augen zu reiben, versuchen die Politiker der Unionsparteien, sich noch einmal gemütlich umzudrehen. Wachen Sie auf, liebe Kollegen! Ihre Kolleginnen diskutieren längst in den Talkshows der Abendprogramme offen darüber, dass man die Lebensentwürfe von jungen Menschen ernst nehmen muss und dass sich die Politik endlich dieser Fragen annehmen sollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt noch einmal nachzuprüfen, ob die Frau Ministerin ihre Hausaufgaben gemacht hat und es wirklich einen Bedarf an Betreuung von Kindern unter drei Jahren gibt, bevor sie neue Forderungen stellt, empfehle ich Herrn Kauder, sich selbst noch einmal auf den Hosenboden zu setzen. Eine kluge Expertise zum Thema Kinderbetreuung gibt es bereits. Sie hat die Drucksachennummer 15/6014 und heißt „Zwölfter Kinder- und Jugendbericht“. Darin wird nicht nur die Situation in der Kitalandschaft unter die Lupe genommen, sondern auch das System der Bedarfsermittlung. Ihre Forderung in der Koalitionsrunde war scheinheilig und hat nichts mit Realitätssinn zu tun, sondern vielmehr so sieht es aus damit, als wollten Sie mit Macht etwas verhindern, was nicht in Ihr Weltbild passt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich spreche hier aber auch von der SPD. Das Wort „Sozialdemokratie“ kommt mir in diesem Zusammenhang nur noch schwer über die Lippen. Sie haben heute früh im Ausschuss brav die Hand für die Rente ab 67 gehoben. Am Freitag wird das hier im Plenum wohl genauso sein. Sie beschließen für die Eltern und für die Kinder von heute die Rentenkürzung von morgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Finanzierung der Krippenplätze von heute fällt Ihnen auch nichts Besseres ein als eine Kindergeldkürzung.

(Widerspruch bei der SPD)

Es ist eine Kürzung. Um nichts anderes handelt es sich nämlich. Das kann man Ihnen nicht oft genug sagen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie das Kindergeld bereits zum 1. Januar dieses Jahres massiv gekürzt haben, nämlich durch die Absenkung des Bezugsalters von 27 auf 25 Jahre.

(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der SPD: Das hat doch nichts mit Kinderbetreuung zu tun!)

Im vergangenen Jahr wurden die Familienzuschläge für Bundesbeamte abgeschafft. Selbst nach Abzug der Übergangsregelungen war das eine Ersparnis von über 3 Milliarden Euro. Ebenfalls im vergangenen Jahr ist die Kürzung der Pendlerpauschale vorgenommen worden, eine Ersparnis von 2,5 Milliarden Euro, die fast hälftig den Bundeshaushalt und die Länder entlastet hat. Wem, denken Sie, haben Sie denn dieses Geld aus den Taschen gezogen?

(Beifall bei der LINKEN)

Das sind doch zum großen Teil die Erwerbstätigen, die Kinder haben und deshalb nicht flexibel dem Arbeitsplatz hinterherziehen können.
Ich habe es hier schon einmal gesagt und wiederhole es: Familienpolitik ist Sozialpolitik.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Eben nicht! Das ist eine eigene Art von Politik!)

Eine sozial gerechte Familienpolitik ist nur dann möglich, wenn wir auch die Frage nach der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums stellen. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen Eltern und Kinderlosen, auch nicht zwischen Jung und Alt, sondern immer noch zwischen Arm und Reich, zwischen oben und unten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer die Verteilungsfrage nicht stellen will, der sollte von sozial gerechter Familienpolitik schweigen.
Der Gipfel des Zynismus ist die Tatsache, dass Sie zur gleichen Zeit mit vollen Händen das Geld zum Fenster hinauswerfen. Milliardenschwere Steuergeschenke planen Sie für Unternehmen. An den Treueschwüren der Koalition zu diesem Projekt werden keine Zweifel laut.
Der Ausbau der Kindertagesbetreuung muss sofort beginnen, und er könnte sofort beginnen; denn das nötige Geld ist da. Die versprochenen Arbeitsplätze hat schon die letzte Unternehmensteuerreform nicht gebracht. Herausgekommen sind am Ende höchstens mehr Golfplätze für die Reichen.

(Widerspruch bei der SPD - Zurufe von der CDU/CSU: Oh! Zuruf von der SPD: Ihnen fällt zum Thema wohl nichts mehr ein!)

Aber ich sage Ihnen: Kinderkrippenplätze sind wichtiger als Golfplätze. Wir sagen: Vorfahrt für Kinder! Vorfahrt für Familien! Die Linke fordert: Stopp für das Projekt Unternehmensteuerreform. So würden mindestens 8 Milliarden Euro frei, die für den Ausbau der Kinderkrippenplätze verwendet werden könnten.

(Beifall bei der LINKEN Dirk Niebel (FDP): Sie haben noch gar nichts zu Afghanistan gesagt!)

Die Familien und vor allem die Kinder brauchen keine rituellen Sonntagsreden, Herr Niebel, sondern endlich sinnvolle Taten. Ich kann nur hoffen, dass sich die Familienministerin nicht von ihrem Vorhaben abbringen lässt und schnell eine familien- und sozial gerechte Finanzierung dafür vorschlägt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)