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Kinderfilme über Sonderfonds finanzieren

Rede von Kathrin Senger-Schäfer,

Rede zum Antrag der Fraktionen CDU/CSU und FDP, BT-DS 17/12381- zu Protokoll -

„Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Der hier vorliegende Koalitionsantrag ist für mich und meine Fraktion in mehrfacher Hinsicht überraschend. Er ist es zunächst wegen des Zeitpunktes. Nahezu ohne Anlass oder inhaltlichen Vorlauf stellt die Regierung diesen Antrag und tut damit so, als sei sie eine nachhaltige Verfechterin für die Belange des Kinderfilms. In allen meinen Fachgesprächen mit den Verbänden, Freunden und Organisatoren zur Förderung des Kinderfilms, die ich seit drei Jahren kontinuierlich führe, habe ich nichts darüber gehört, dass sich CDU/CSU und FDP besonders für den Kinderfilm engagieren oder gar Maßnahmen ergriffen haben, dessen sehr schwierige Lage zu verbessern. Diese Fraktionen sind doch in der Regierungsverantwortung! Da müssen sie sich fragen lassen, was sie bisher geleistet haben – und das frage nicht nur ich, sondern mit Sicherheit auch die von der Koalition so hoch gelobte ‚sehr engagierte Szene’ des Kinderfilms in Deutschland.

Überraschend ist für mich zweitens, dass die Regierung nunmehr offenbar die von ihren eigenen Fachkräften erarbeitete Neufassung der Förderinstrumentarien für den deutschen Film im Bereich des Kinderfilms selber als unzureichend klassifiziert. Anders ist nicht zu erklären, warum sie – mehr oder weniger an sich selbst appellierend – dazu aufruft, die Ausgestaltung der §§ 15, 23 und 53 des Filmförderungsgesetzes (FFG) für den Kinderfilm stärker zu optimieren.

Und überraschend ist schließlich auch, dass die Regierungskoalition die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in die Pflicht nehmen möchte, ‚ausreichende Sendeplätze für originäre Kinderfilme’ zur Verfügung zu stellen bzw. selbst produzieren zu lassen. Immerhin ist dabei mindestens die FDP dafür der denkbar ungünstigste Absender, denn ihr Interesse gilt ja – folgt man ihren medienpolitischen Äußerungen der letzten Monate – weniger der Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems, sondern eher der Reduzierung und Beschneidung öffentlich-rechtlicher Kernkompetenzen in der Berichterstattung und der Mittelverteilung. Es ist nicht so, dass die Fraktion DIE LINKE nicht auch gehörige Kritik am Zustand der öffentlich-rechtlichen Senderpolitik übt und üben muss. Aber uns geht es hier um die Rückbesinnung auf den Verfassungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, während die FDP mit ihrem Marktradikalismus auch noch die letzten Ressourcen öffentlich-rechtlicher Information und Unterhaltung lieber heute als morgen den Privatanbietern übereignen möchte. Wo bei dieser Doppelzüngigkeit der Kinderfilm im öffentlich-rechtlichen Fernsehen seinen angemessenen Platz bekommen soll, ist mehr als fragwürdig.

Die inhaltliche Ausrichtung des Antrags ist mit einem Rundumschlag des guten Willens gleichzusetzen. Freilich werden richtige Dinge angesprochen, Missstände benannt und die sporadischen Ansätze gewürdigt, die dafür sorgen, dass es in Deutschland überhaupt noch Kinderfilme gibt. Aber dann passiert der gleiche Fehler, der schon die Debatte um die Sicherung und Bewahrung des nationalen Filmerbes zur Farce verkommen ließ: Wieder werden Forderungen aufgestellt – in diesem Falle zwölf –, die erneut ‚im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel’ realisiert werden sollen. Wieder muss die Fraktion DIE LINKE dem entgegenhalten: Das wird bei weitem nicht reichen! Es wird nicht nur nicht reichen, sondern es wird auch auf diesem bedeutenden Feld der Filmpolitik eher dazu führen, ein wichtiges Thema zu zerreden und durch folgenlose Prüfaufträge schlicht zu neutralisieren. So etwas hilft weder denjenigen, die Kinderfilme produzieren und zeigen möchten, noch denen, die Kinderfilme als einen unverzichtbaren kulturellen Bestandteil in unserem Land ansehen. Und eine solche Scheindiskussion hilft natürlich erst recht nicht den Kindern und Jugendlichen selbst – sie werden aufgrund dieses Antrags nicht mehr Filme bekommen, auch keine besseren und vermutlich auch keine originären Kinderfilme, die, dem Antrag zufolge, ‚nach zeitgenössischen Stoffen gedreht’ sind und ‚die aus der unmittelbaren Lebenswirklichkeit der Kinder stammen’. Wenn es übrigens wirklich ein Anliegen wäre, ‚ansprechende, Mut machende und Selbstbewusstsein vermittelnde Kinder- und Jugendfilme’ zu fördern, dann müssten diese Filme ein hohes Potential an Herrschaftskritik beinhalten und sich damit deutlich gegen die Politik der jetzigen Regierung wenden. Denn Anspruch, Mut und Selbstbewusstsein werden nur in der ästhetischen Erziehung zur Mündigkeit erzeugt. Dagegen stehen die systematische soziale Ungerechtigkeit und der Ausschluss vom öffentlichen Leben in diesem Land – bei Millionen von Kindern und ihren Eltern ist eben das die traurige Lebenswirklichkeit. Vernünftige Kinderfilme, die diesen Zustand thematisieren, werden aus ökonomischen und politischen Gründen nicht verlangt. Die Regierung will das eigentlich nicht ändern!

Daher schwadroniert der Antrag auch nebulös über Filme, ‚die auf den Werten unserer Gesellschaft aufbauen’ und die Erfahrungen mit ‚Migrationserscheinungen’ verarbeiten sollen, ohne in irgendeiner Form zu reflektieren, dass solche Zuschreibungen gerade nicht dafür geeignet sind, ein gesellschaftlich verträgliches Selbstbewusstsein zu erzeugen. Für die öffentlichen Filmfördereinrichtungen soll sogar das untaugliche Mittel der Förderquote angewendet werden. DIE LINKE wird so etwas nicht unterstützen!

Die Art der Problembewältigung und ihre Pseudoabhilfen sind falsch! Man muss sich eher früher als später von dem Fetisch des ‚Rahmens der vorhandenen Haushaltsmittel’ verabschieden, wenn eine sinnvolle und zielsichere Aktivität entfaltet werden soll. Ein praktischer Vorschlag ist zum Beispiel die Auflage eines Sonderfonds für Kinderfilme zur Anschubfinanzierung, der aus Mitteln des Staatsministeriums für Kultur und Medien und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gebildet werden kann. Zur Gegenfinanzierung sind natürlich verschiedene Prestigeobjekte des Bundes zu streichen – im Sinne und im Interesse des Kinderfilms in Deutschland.“