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Kinderarmut ist familienpolitisches Armutszeugnis

Rede von Elke Reinke,

(Es gilt das gesprochene Wort!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste,

immer mehr Kinder haben immer weniger.
Mit der Agenda 2010 und Hartz IV wurden Armut und Ausgrenzung per Gesetz beschlossen. Die Zahl der armen Kinder hat sich seit Einführung von Hartz IV auf über 2,5 Millionen verdoppelt.

Dass die Kinderarmut in den letzten Jahren dramatisch gestiegen ist, belegen zahlreiche Studien und Berichte:
der Kinderreport 2007, der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der UNICEF-Bericht zur „Lage von Kindern in Deutschland“, die PROGNOS-Studie zu „Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ und viele weitere wissenschaftliche Erhebungen.

Besonders stark von Armut betroffen sind Kinder von Alleinerziehenden, Kinder in Hartz-IV-Familien und Kinder mit Migrationshintergrund.

Trotz der vorliegenden alarmierenden Zahlen dreht die Bundesregierung Däumchen und wartet nun auf den nächsten Bericht. Der Existenzminimum-Bericht soll im Herbst 2008 erscheinen. Erst danach wird weiter beraten, ob auch die Kinderregelsätze erhöht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Betroffenheit, die hier viele an den Tag legen und die ich den meisten sogar abnehme, reicht nicht. Ebenso wenig hilfreich sind Ihre in Hochglanzbroschüren bejubelten Maßnahmen.

Das Warten muss endlich aufhören; es müssen sofort Taten folgen.

Sorgen Sie dafür, dass der Kinderzuschlag mehr Betroffenen hilft und erhöhen Sie ihn für unter 14-jährige auf 200 Euro, für über 14-jährige auf 270 Euro.

Die Höhe muss nach dem Alter der Kinder unterschieden werden. Über-14-Jährige dürfen nicht wieder in Armut rutschen, nur weil sie eigene altersbedingte Bedarfe haben.

In der Anhörung zum Kinderzuschlag am vergangenen Montag waren sich fast alle Expertinnen und Experten einig: Kinder von Alleinerziehenden werden weiterhin deutlich benachteiligt und ausgegrenzt.
Nehmen Sie doch bitte die Expertenmeinungen ernst!

Wir brauchen auch einen eigenständigen Kinderregelsatz, der die Bedarfe realitätsnah abbildet.
Deshalb fordert meine Fraktion eine Anhebung des Kinderregelsatzes im ersten Schritt auf mindestens 300 Euro.

Ebenso notwendig ist es, das Kindergeld auf mindestens 200 Euro zu erhöhen. Nur zur Erinnerung: Das Kindergeld ist seit 2002 nicht mehr erhöht worden.

Besser wäre natürlich gleich eine bedarfsgerechte, eigenständige Kinder-Grundsicherung, wie es auch in der Anhörung zur Sprache kam.

Unsere Vorstellungen kennen Sie ja: 420 Euro für jedes Kind!

Eines sollte dabei klar sein: Um Kinderarmut ernsthaft zu bekämpfen, muss man zusätzliches Geld ausgeben wollen. Dieses Geld ist auch da. Das sag ich Ihnen nicht zum ersten Mal.

Mit einem gerechten Steuer- und Sozialsystem ist dies durchaus finanzierbar. Diese Meinung vertreten auch viele Sozialverbände und Gewerkschaften.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN,

in Ihrem Antrag finden sich erfreulicher Weise viele unserer Forderungen wieder.

Man sieht: DIE LINKE wirkt auch hier!

Aber auf den neun Seiten Feststellungsteil ist leider nicht zu lesen, dass auch in sieben Jahren grüner Regierungsverantwortung die Kinderarmut enorm angestiegen ist.

Vieles, was Sie kritisieren - den zu niedrigen Kinderregelsatz, fehlende Schulbedarfe oder spezielle Bedarfe für Jugendliche - haben Sie mitbeschlossen.
Sind Sie wirklich so vergesslich?

Auf den Antrag der FDP möchte ich gar nicht näher eingehen.
Nur so viel: Sie wollen, wie in vielen anderen Bereichen, nun auch noch die Kinderbetreuung weiter privatisieren. In das gleiche Horn bläst auch die Bundesregierung mit ihrem Kinderförderungsgesetz.

Das ist aber mit der LINKEN nicht zu machen!

Meine Damen und Herren der Koalition,

Sie stehen sich nur noch selbst im Weg.
Die SPD fordert einen Mindestlohn, will aber keine Hartz-IV-Erhöhung für Kinder und kein höheres Kindergeld. Die Union ruft nach mehr Kindergeld, will aber keinen gesetzlichen Mindestlohn. Doch gerade das zusammen brauchen wir.
Das geht übrigens auch sehr deutlich aus dem aktuellen Positionspapier des DGB hervor.

Es ist ebenfalls notwendig, die Einkommensarmut der Eltern zu bekämpfen:
Ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn darf nicht nur gefordert, er muss auch beschlossen und umgehend eingeführt werden.

Noch mal in Richtung Regierungsbank:

Sie „schmücken“ sich mit Armutsberichten, ohne zu bemerken, dass genau diese Studien Ihnen ein Armutszeugnis ausstellen.

Und da die Medien alle brav mitspielen, sagt auch keiner, dass der Kaiser - Nein! - die "Kaiserin doch eigentlich nackt" ist.

Auf den Punkt gebracht:
Unsere Kinder haben das Recht - und dafür muss ein Sozialstaat sorgen -, gesund aufzuwachsen, freien Zugang zu guter Bildung zu haben und gleichberechtigt am täglichen Leben teilhaben zu können.

Vielen Dank!