Wenn Geduldete eine Aufenthaltserlaubnis erhalten wollen, sind sie der Willkür der Ausländerbehörde ausgeliefert. Nur in Ausnahmefällen erhalten sie eine Arbeitserlaubnis. Die Ausländerbehörden nutzen ihren Ermessensspielraum fast ohne Ausnahme zum Nachteil der Betroffenen. Daher brauchen wir eine gesetzliche Klarstellung und wir brauchen sie sofort. Ulla Jelpke hat ihre Rede zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Kettenduldungen abschaffen“ (Drs. 16/687) zu Protokoll gegeben
Ich begrüße ausdrücklich, dass die Fraktion der Grünen hier noch einmal das Problem der Kettenduldungen auf die Tagesordnung gesetzt hat. Gleichzeitig stellt sich für mich die Frage, ob es sich hier nicht um einen Fall von Populismus handelt, mit dem man die eigene Klientel befriedigen will. Denn es gibt schon einen Antrag der Fraktion Die Linke zur Änderung des § 25 des Aufenthaltsgesetzes, der demnächst in den Ausschüssen behandelt wird. Nach dem, was der Kollege Bürsch in der letzten Rede zum Thema gesagt hat, kann man hier auf eine konstruktive Diskussion hoffen. Ich halte das Problem für zu dringlich, um das von den Grünen vorgeschlagene Vorgehen für ausreichend halten zu können. Zunächst soll es eine Neufassung der Anwendungshinweise für die Ausländerbehörden geben. Dann guckt man mal, ob sich was tut. Wenn nicht, dann soll die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Das dauert uns zu lange. Bei der letzten Debatte über das Thema waren sich alle Rednerinnen und Redner einig, dass das Problem dringend gelöst werden muss. Der einzige, der dem widersprochen hat, war der Kollege Grindel. Da diese Rede von wenig Sachkenntnis geprägt war, kann man sie hier aber ruhig zur Seite lassen. Ich möchte kurz begründen, warum wir eine sofortige Lösung des Problems wollen. Die Zahlen dürften ja bekannt sein. Ich wiederhole sie noch einmal. Nach Angabe der Bundesregierung halten sich über 47 000 Geduldete seit mehr als zehn Jahren hier auf, weitere 72 000 seit mehr als fünf Jahren. Ich erinnere auch noch mal an die Beispiele, die hier letztes Mal genannt wurden: die Familie mit fünf Kindern aus dem Libanon, der die Papiere verweigert wird und die seit 14 Jahren mit einer Duldung hier lebt; die allein erziehende Mutter mit neun Kindern, seit 13 Jahren in Deutschland - die Mutter soll nun allein abgeschoben, die Familie auseinander gerissen werden -; der Flüchtling aus dem Irak, seit neun Jahren in Deutschland, wiederholte Angriffe von Neonazis haben zu einer Retraumatisierung geführt; das kurdische Geschwisterpaar, das nach 18 Jahren abgeschoben werden soll - obwohl sie einen Schulabschluss haben und voll integriert sind. Oder ein aktueller Fall: die Familie Kutlu aus der Türkei, seit neun Jahren in Neuruppin. Am 6. März hat sich die Stadtverordnetenversammlung in großer Einmütigkeit für eine dauerhafte Aussetzung der Abschiebung ausgesprochen. 4 500 Bürgerinnen und Bürger haben sich per Unterschrift für ein Bleiberecht eingesetzt. Ein besseres Zeichen gelungener Integration kann es kaum geben. Wir alle hoffen, dass sich die Verantwortlichen noch zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen bewegen lassen. Doch ändert das nichts an der grundsätzlichen Problematik: Wenn Geduldete eine Aufenthaltserlaubnis erhalten wollen, sind sie der Willkür der Ausländerbehörde ausgeliefert. Nur in Ausnahmefällen erhalten sie eine Arbeitserlaubnis. Nur wenn sie Arbeit haben, steht ihnen der Weg zur Härtefallkommission offen. Selbst wenn sie diese Hürde geschafft haben, nützt ihnen das meist nichts; denn die Innenminister müssen der Empfehlung der Härtefallkommission nicht folgen, manche tun das in keinem Fall. Der Vorsitzende der Migrationskommission der Bischofskonferenz, Bischof Josef Voß, hat zu Recht darauf hingewiesen: Die Ausländerbehörden nutzen ihren Ermessensspielraum fast ohne Ausnahme zum Nachteil der Betroffenen. Daher brauchen wir eine gesetzliche Klarstellung und wir brauchen sie sofort. Wir haben einen entsprechenden Vorschlag eingebracht, nun sind Sie alle in der Pflicht, nicht nur guten Willen zu zeigen, sondern das Richtige zu tun: Kettenduldungen abschaffen!
Kettenduldungen abschaffen
Rede
von
Ulla Jelpke,