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Kerstin Kassner: Neustart für den Tourismus jetzt verantwortungsvoll umsetzen

Rede von Kerstin Kassner,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Reisewillige draußen an den Bildschirmen! Ich bin, anders als meine Vorredner, der FDP sehr dankbar für diesen Antrag. Er bietet uns doch die Möglichkeit, dass wir uns mit einer sehr gebeutelten Branche solidarisch erklären. Und es lohnt sich auch, über die Vorschläge zu diskutieren, die die Kollegen der FDP-Fraktion gemacht haben. Viele davon finden unsere Unterstützung, aber nicht alle, zum Beispiel der Verlustrücktrag. Ich muss Ihnen das erklären: Das bedeutet, dass Steuern, die auf Gewinne aus weit zurückliegenden Jahren gezahlt wurden, den Unternehmen zurückerstattet werden. Das könnte manchem helfen, ist aber sehr ungerecht, weil neu gegründete Unternehmen oder Unternehmen, die gerade investiert haben, von dieser Möglichkeit nicht profitieren werden. Wir erinnern uns an die vielen Soloselbstständigen, die wirklich jeden Tag um ihr Überleben ringen. Auch denen ist damit nicht geholfen.

Aber meine Kritik sollte sich nicht an eine andere Fraktion richten, sondern ganz klar und deutlich an diese Regierung.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn was hat diese Regierung getan, um der gebeutelten Branche zu helfen? Wir befinden uns in einem großen Chaos; wir haben einen Flickenteppich. Fragen Sie doch mal Ihre Freunde, Nachbarn, Verwandten, wo sie Pfingsten hinfahren könnten. Sie wissen das nicht. Das bedeutet eine enorme Recherchearbeit. Und genau die Koordinierung dieser unterschiedlichen Situationen hätte unsere Bundesregierung leisten müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und noch etwas anderes muss sie leisten: die Koordinierung der Überbrückungshilfen. Dort gibt es im Moment eine von Unterschieden geprägte Situation. Die einzelnen Bundesländer haben 80 bis minimal 64 Prozent der Überbrückungshilfen ausgereicht. Da könnte man sagen: 80 Prozent ist ja schon viel. Aber das heißt, dass jedes fünfte bis jedes dritte Unternehmen in diesem Land auf Überbrückungshilfe wartet. Stellen Sie sich mal vor, wie viele schlaflose Nächte das für die Menschen, die davon betroffen sind, bedeutet! Das kann nicht angehen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Etwas anderes, das mir großen Kopfschmerz bereitet: Wie geht es mit der Anzeigepflicht von Insolvenzen weiter? Der 30. April ist der letzte Tag, bis zu dem die Insolvenzanzeigepflicht ausgesetzt ist. Meine Forderung: Diese Regelung muss verlängert werden!

(Beifall bei der LINKEN)

Denn anders, als uns gesagt wurde, nämlich dass es keine oder nicht viele Insolvenzen gibt, bestätigt das Statistische Bundesamt, das schon vom Jahr 2019 auf das Jahr 2020 die Zahl der eröffneten Insolvenzen bei Reisebüros deutlich gestiegen ist, nämlich von 34 auf 75, und bei Reiseveranstaltern von 23 auf 40, sich also etwa verdoppelt hat. Was wird sich da erst in diesem Jahr zeigen? Man sollte also unbedingt noch mal überlegen, ob man hier den richtigen Weg gegangen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Weg aus der Krise – das wissen wir alle – ist Impfen, Impfen, Impfen. Es geht langsam vorwärts, für meine Begriffe viel zu spät. Aber was man nicht macht, ist, dass man schon Vorsorge dafür trifft, dass es den Europäischen Impfpass geben wird, dass in den Arztpraxen Schnittstellen vorgehalten werden, entsprechende Software aufgebaut wird, dass man mit einem Druck auf den Knopf diesen Impfpass bespielt und jedem Menschen das dann per App beispielsweise wieder auf sein Handy spielt. Dann hätte man ganz schnell diesen bürokratischen Wahnsinn gestoppt.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun will ich aber nicht nur meckern. Ich will auch mal sagen – ich habe mir nämlich Gedanken gemacht –, was ich, wenn ich jetzt Verantwortung tragen würde, machen würde: Was kann man tun? Also: Ich hätte viel mehr Modellvorhaben zugelassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei mir auf Hiddensee würde es schon ein Modellvorhaben geben. Ich hoffe darauf, dass Vorpommern-Rügen schon früher einen Modellversuch starten kann, als es für Mecklenburg-Vorpommern geplant ist. Man munkelt jetzt: statt 14. Juni ab 1. Juni. – Na gut, der Branche hilft jeder Tag.

Ich hätte auch mehr in Forschung und Entwicklung investiert, weil es neue Trends gibt – sie müssen wir aufgreifen, ihnen müssen wir uns stärker stellen –, beispielsweise eine andere Mobilität, damit man zukünftig nicht mehr so viel mit dem Flugzeug fliegt, vor allem innerdeutsch und innereuropäisch nicht.

(Michael Donth [CDU/CSU]: Vor allem nach Hiddensee!)

Deswegen sind neue Möglichkeiten des Reisens ganz wichtig. So sollten wir beispielsweise mit dem Zug – vielleicht auch noch mehr mit Nachtzügen –

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Bernd Rützel [SPD])

die Verknüpfungen zwischen europäischen Metropolen verstärken. Das wären Lösungsansätze. Auch das Rad ist ein toller Mobilitätstreiber. Die Menschen fahren Fahrrad. Wir brauchen eine andere Infrastruktur, um dies gewährleisten zu können.

Aber ich wünsche mir auch, dass wir an die junge Generation denken, die ganz besonders gebeutelt ist. Meine Forderung ist, Bildung und Reisen zu verbinden. Mit Bildung an einem anderen Ort bestünde jetzt doch die Gelegenheit,

(Beifall bei der LINKEN)

dass wir der jungen Generation, die so viel mitgemacht hat, die Möglichkeit einräumen, das Reisen mit dem Lernen zu verbinden. Wagen wir da Neues! Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir hier in eine andere Zukunft gehen.

Ich wünsche mir, dass der Tourismus prominenter bei uns im Bundestag verankert ist, auch in der Bundesregierung. Und ich wünsche mir, dass wir uns an die Erarbeitung eines Gesetzes für den Tourismus machen. Wir sind es dieser Branche, die 3 Millionen Beschäftigte hat, einfach schuldig, dass wir hier mehr tun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)