Zum Hauptinhalt springen

Keine Zensur des Internet

Rede von Halina Wawzyniak,

- es gilt das gesprochene Wort -

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, dass sich die SPD-Fraktion endgültig für die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes einsetzt. Sie hat aus ihren Fehlern gelernt. In der Großen Koalition 2009 stimmte sie noch wider besseren Wissens mit für die Einführung von Internetsperren. Angesichts der überwältigenden Argumente gegen die Netzsperren, ist es heute eigentlich nicht mehr möglich, klaren Verstandes weiter für dieses Gesetz einzutreten.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco hat am Dienstag erneut belegt, dass mit einem schnellen und effektiven Vorgehen kinderpornografische Inhalte zügig – auch international – aus dem Netz gelöscht werden können. Dazu braucht es keine Netzsperren.

Um nicht alle Argumente zu wiederholen nur ein paar Stichworte. Das Verstecken von kinderpornografischen Inhalten hinter technisch leicht zu umgehenden Stopp-Schildern bringt gar nichts. Schon das Betreiben von Sperrlisten ist kontraproduktiv. Die Erfahrung in anderen Ländern zeigt, dass diese Listen nie dauerhaft geheim bleiben. Einmal öffentlich geworden, können sie geradezu als Wegweiser zu kinderpornografischen Inhalten dienen. Stoppschilder werden zu Hinweistafeln. Sie warnen die Betreiber dieser Seiten davor, dass ihnen die Strafverfolgungsbehörden auf der Spur sind. Außerdem bringen die geplanten Netzsperren auch die Gefahr des so genannten „Overblocking“ mit sich. Es wird also möglicherweise der Zugang zu allen Inhalten eines Servers gesperrt – damit aber auch unbedenkliche. Die Einführung von Netzsperren bringt erhebliche Kollateralschäden für die Freiheit des Internet mit sich.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das ständige Werben der innenpolitischen Hardliner der CDU/CSU für Netzsperren -das regelmäßig von BKA-Präsident Ziercke flankiert wird-, macht eines deutlich: Es geht längst nicht mehr um die vermeintliche Bekämpfung von Kinderpornografie, sondern um die Errichtung einer universalen Sperrinfrastruktur. Schon heute werden immer wieder Stimmen laut, die den Einsatz von Netzsperren u.a. auch bei Urheberrechtsverletzungen, -Internetseiten mit vermeintlich extremistischen Inhalten oder sonstigen unliebsamen Angeboten- fordern. Die LINKE stellt sich solchen Entwicklungen entgegen. Eine Zensur des Internet wird es mit uns nicht geben.

Die geplante Einführung von Internetsperren ist aber nicht die einzige Bedrohung für das freie Internet. Parallel dazu wird auch eine Debatte über das Ende der Netzneutralität geführt. Wenn es nach den Vorstellungen der Netzbetreiber geht, soll der Zugang zum Internet und die Nutzung verschiedener Dienste -wie Internettelefonie oder Videoplattformen- zukünftig vom Geldbeutel der Nutzer abhängen. Die Netzbetreiber möchten gern selbst entscheiden, welche Inhalte sie zu welchen Preisen und welchen Geschwindigkeiten durch ihre Netze leiten. Die Koalition geht hier unkritisch mit der Lobby der Netzbetreiber Hand in Hand.

Wir müssen endlich aufhören, das Internet als Bedrohung wahrzunehmen, der nur mit Gesetzen und Regulierungen begegnet werden kann. Wir müssen die emanzipatorischen Potentiale des Internet erkennen und nutzen. Wir müssen die Strukturen für freie Kommunikation und für freies Verbreiten von Informationen sowie die Möglichkeiten für die Demokratisierung der Gesellschaft gegen alle Angriffe verteidigen.

Reden wir über uns, das Parlament. Was können wir tun? Wir könnten die demokratischen Potenziale des Internets noch besser nutzen. Die Online-Petition ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Wir brauchen aber mehr! Gerade in Zeiten sinkender Wahlbeteiligung und steigender Politikverdrossenheit, sollten wir das Internet nutzen, um mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Wir könnten beispielsweise die interessierte Öffentlichkeit bereits in der Entstehungs- und Beratungsphase von Gesetzen beteiligen. Lassen Sie uns hier mutig vorangehen.

Meine Damen und Herren,

wir sollten das Internet nicht ausschließlich als einen Wirtschaftsraum, sondern als einen globalen Kulturraum begreifen. Das Einhegen und Abschotten sowie die Errichtung eines weitgehend regulierten „deutschen“ oder „europäischen“ Internet lehnt die LINKE ab.

Auf der EU-Ebene wird zur Zeit intensiv über Internetsperren diskutiert. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich auch in Europa gegen verpflichtende Netzsperren für die Mitgliedstaaten einzusetzen.

Dafür braucht es jede denkbare Unterstützung – auch gerade aus dem außerparlamentarischen Bereich. Ich freue mich daher über die Kampagne von „European Digital Rights“ zum Stoppen der europäischen Netzsperrenpläne. Auf netzpolitik.org wurde am Dienstag auf diese Kampagne hingewiesen und ich empfehle auch ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lektüre.

Die LINKE fordert ein Umdenken und Umsteuern der deutschen Netzpolitik – weg von Regulierung und Bevormundung, hin zu einem dauerhaft geschützten offenen und freiheitlichen Internet.