Rede der umweltpolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Eva Bulling-Schröter zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Keine Wettbewerbsverzerrungen für Landwirte durch die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Haltung von Nutztieren in nationales Recht (Drucksachen 16/590, 16/1142)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider zu später Stunde soll über das Schicksal von 39 Millionen Legehennen diskutiert werden. (Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Die sitzen schon lange auf der Stange!) Inzwischen ist die Frage, ob Legehennen in Käfigen leben sollen und wie groß diese dann sein sollen, zu einer Glaubensfrage hochstilisiert worden. Es ist aber keine Glaubensfrage. Schließlich hat sich das Bundesverfassungsgericht dazu schon im Jahre 1999 - das ist sieben Jahre her, meine Damen und Herren - eindeutig geäußert: Eine artgerechte Unterbringung muss den grundlegenden Verhaltensbedürfnissen von Hühnern entsprechen. (Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Das hat doch Herr Priesmeier schon widerlegt! Haben Sie das nicht gehört?) Das heißt - es wurde schon zitiert: scharren, picken, sandbaden sowie erhöht auf Stangen sitzen, ungestörte und geschützte Eiablage, sich aufbäumen. Ich verstehe nicht, meine Damen und Herren, warum Sie sich da jetzt so aufregen und was daran missverständlich ist. Ich verstehe erst recht nicht, warum gerade dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts immer wieder in Zweifel gezogen wird. (Beifall bei der LINKEN) Bei anderen Urteilen tun Sie das nicht; die nehmen Sie so hin. Damals bei der Anhörung im Bundestag - ich war dabei - wurden genau die gleichen Argumente vorgetragen. Daran hat sich nichts geändert. Aber sie werden nicht richtiger, wenn sie immer wieder neu hervor-gekramt werden. Immer wieder wird das Festhalten an den Hühnerkäfigen mit der notwendigen Wettbewerbs-fähigkeit begründet; sonst würde die Eierproduktion ins Ausland wandern. Solche Argumente höre ich zu jedem x-beliebigen Thema, zum Beispiel AEG: Wenn ihr nicht billiger werdet, verlagern wir die Produktion ins Ausland. (Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) - Paul Lehrieder (CDU/CSU): Das ist doch leider schon lange Fakt!) Herr Holzenkamp hat sich dieses Arguments wieder bedient. Er hat sogar Karl Marx zitiert. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Herr Holzenkamp, ich kann Ihnen nur sagen: Zu Karl Marxens Zeiten gab es noch keine Hühnerlegebatterien, der konnte sich nicht geäußert haben. (Beifall bei der LINKEN - Peter Bleser (CDU/CSU): Die Kommunisten haben die schlimmsten Hühnerkäfige!) Natürlich werden Eier im Ausland billiger produziert. Aber den Wettbewerb um das billigste Ei werden wir sowieso verlieren. Wir können auch noch einmal über den Mindestlohn in Europa diskutieren; (Julia Klöckner (CDU/CSU): Das hat damit gar nichts zu tun!) er ist dringend notwendig. Wenn in großen Hühnerlegebatterien in Niederbayern den Leuten die Löhne gekürzt werden, dann ist das eine Sauerei. (Julia Klöckner (CDU/CSU): Dann zahlen Sie doch für ein Ei 3 Euro!) Andererseits importiert Deutschland inzwischen Millionen von Eiern aus artgerechter Haltung aus Ländern wie den Niederlanden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Bulling-Schröter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schirmbeck? Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Ja. Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Verehrte Frau Kollegin, Sie haben gerade Karl Marx zitiert. Stimmen Sie mir zu, dass es ein Ergebnis der modernen Landwirtschaft, die Sie kritisieren, ist, dass sich heute alle Arbeiter in Deutschland täglich ein Frühstücksei und regelmäßig ein Stück Fleisch leisten können? Das ist etwas, wovon man zu Zeiten von Karl Marx gar nicht zu träumen gewagt hätte. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Ich stimme Ihnen zu, dass sich Arbeiterinnen und Arbeiter Eier und Fleisch leisten können. Aber unabhängig davon denke ich, dass diese Menschen Eier und Fleisch aus tiergerechter Haltung wollen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Aber zum selben Preis! - Julia Klöckner (CDU/CSU): Wenn sie das bezahlen können!) Die Holländer haben die Zeichen der Zeit erkannt und eben schon eher umgestellt. Denn sie wissen, dass immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher genau hinsehen, wie die Lebensmittel, die sie kaufen, produziert werden. Ich frage die Befürworter der Batteriehaltung: Sehen Sie nicht eine Chance, hier Marktanteile zurückzugewinnen, indem genau die Lebensmittel produziert werden, die die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher wünscht? Wir reden jetzt einmal über Preise. Sachverständige haben uns die Preisdifferenz genannt: Ein Ei aus tiergerechter Haltung ist, wenn alles gut läuft, um 0,4 Cent teurer. Ich bitte Sie! Wir reden also nur über 0,4 Cent. Natürlich nimmt gerade unsere Fraktion die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen sehr ernst. (Zuruf von der CDU/CSU: Aha! - Peter Bleser (CDU/CSU): Aber?) Aber wir müssen auch mittel- und langfristig denken: Eine artgerechte Haltung von Legehennen schafft mehr Arbeitsplätze und bessere Arbeitsbedingungen. (Beifall bei der LINKEN) Sie bietet die Möglichkeit zu einer regionalen Vermarktung. (Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Die Eier sind dann so teuer, dass sich die Arbeiter keine mehr leisten können! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Es gibt dazu sogar ein Programm der CSU. Warum regen Sie sich also darüber auf? Auch wir wollen diese regionale Vermarktung. (Beifall der Abg. Ina Lenke (FDP)) Um dies zu unterstützen fordern wir in unserem Antrag, die vom Bundestag beschlossene Förderung der tiergerechten Geflügelhaltung ohne Einschränkung beizubehalten. Gerade in den neuen Bundesländern wurden im Geflügelbereich schon in den 90er-Jahren Investitionen getätigt. Wir möchten nicht, dass diese Firmen durch die Umstellung in Existenzschwierig-keiten geraten. Auch sie sollen die Möglichkeit erhalten, über Sonderkreditprogramme die Haltung der Tiere auf artgerechte Haltungssysteme umzustellen. Das bedeutet für uns eben nicht Kleinvolieren. Mein Kollege Wunderlich - er ist Jurist - hat es einmal ausgerechnet. Ein Huhn mit einem Gewicht von 2 Kilo soll auf 800 Quadratzentimeter leben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Das bedeutet für einen Mann mit einem Gewicht von 90 Kilogramm, dass ihm, wenn Sie so entscheiden, in Zukunft 3,6 Quadratmeter zum Wohnen zusteht. (Beifall bei der LINKEN - Julia Klöckner (CDU/CSU): Aber er legt keine Eier!)
Keine Batteriehaltung von Hühnern durch die Hintertür!
Rede
von
Eva Bulling-Schröter,