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Kein Port Package III durch die Hintertür- marktradikale Hafenliberalisierung verhindern

Rede von Herbert Behrens,

Rede zu Protokoll am Do., den 25. Oktober 2012, TOP 38, Antrag der SPD 17/11147, Kein „Port Package III“ auf Kosten von Arbeitsplätzen und Sicherheit

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident,

50.000 Hafenarbeiter in zwölf europäischen Ländern protestieren gleichzeitig gegen die „europäische Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienstleistungen“ und legen ihre Arbeit nieder. Das war 2006!

Am 10. und 11. Januar standen in den europäischen Häfen die Kräne still. Es war der Höhepunkt einer europaweit koordinierten Streikserie, die eine Woche später zum Scheitern des so genannten Port Package II führte.
Das Europäische Parlament lehnte die marktradikalen Pläne der Kommission mit großer Mehrheit ab. Ver.di bezeichnete die geplante Richtlinie als Frontalangriff auf die Hafenarbeiter, sie gefährde die Leistungsfähigkeit der Häfen und bedrohe tausende Haufenarbeitsplätze. Darin war u.a. vorgesehen, dass die Seeleute künftig selbst die Ladung ihrer Schiffe löschen sollten, Lotsen-, Schlepper- und Abfertigungsdienste nur noch an zeitlich befristete Konzession gebunden werden, die europaweit ausgeschrieben werden sollten. Damit würde ein europaweiter sozialer Dumpingwettbewerb in Gang gesetzt. Bereits Anfang 2001 unternahm die Kommission hierzu einen ähnlichen Versuch, der nach den damals größten Demonstrationen in der Geschichte der europäischen Hafenarbeiter am 20. November 2003 scheiterte.

Eine erneute Initiative der Kommission in diesem Bereich halten auch Wirtschaftsverbände, wie der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) für völlig unverständlich. Auch die Stellungnahmen der Bundesregierung und der deutschen Küstenländer sprachen sich gegen eine Deregulierung in der Hafenwirtschaft aus.
EU Generaldirektor Matthias Ruete hat kürzlich erklärt, dass Verkehrskommissar Siim Kallas bis zum 15. November konkrete Vorschläge zur europäischen Hafenpolitik präsentieren werde, ein Port Package III aber nicht beabsichtigt sei. Falscher Alarm?
Leider nicht. Auch wenn es ein „Port Package III“ offiziell nicht geben soll, heißt das nicht, dass die EU Kommission von ihren Plänen Abstand genommen hätte, im Gegenteil: Sie hat nur gelernt, dass sie mit einer dritten Neuauflage dieses Hafenpaktes erneut gegen die Wand laufen würde. Daher sollen die gleichen Ideen einfach unter anderem Namen umgesetzt werden. Eines davon ist die EU-Richtlinie für die Konzessionsvergabe. In verschiedensten Dienstleistungsbereichen, auch der öffentlichen Daseinsvorsorge, soll hier die Vergabe von Konzessionen europaweit geregelt werden. Auch im Bereich der Häfen.
Damit droht der Konkurrenzkampf zwischen den Hafenstädten der EU nun auch in die einzelnen Häfen getragen zu werden. Damit soll z.B. erreicht werden, dass die Flächen auf den Kais in den Häfen regelmäßig öffentlich ausgeschrieben werden müssen, um mehr Konkurrenz unter den Umschlagsbetrieben zu erreichen. Die jeweils unterlegenen Terminalbetreiber müssten dann jedoch ihre dort errichteten Anlagen an die siegreichen Konkurrenten verkaufen.
Ähnliche Konsequenzen würden auf Lotsen, Schlepperbetriebe und andere Dienstleister zukommen. Derartige Regelungen würden Investitionen hemmen, Arbeitsplätze gefährden und den Seehafenstandort Europa schwächen. Die deutschen Häfen sind bislang mit einem blauen Auge davon gekommen, da deren Fläche meist via Miet- und Pachtverträgen und nicht über Konzessionen vergeben werden. Die Richtlinie würde dort nicht greifen, doch dies kann jederzeit verschärft werden.

In Südeuropa wird bereits gestreikt. Seit Ende letzten Monats haben Hafenarbeiter der staatlichen portugiesischen Häfen die Arbeit niedergelegt. Der Protest richtet sich gegen die umstrittenen Pläne der konservativen Regierung unter Pedro Passos Coelho und die ihr unterstehende Hafenbehörde, die Arbeitsbedingungen in den Häfen zu liberalisieren. Die Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) warte davor, dass der Angriff auf die Hafenarbeit in Portugal ein Vorgeschmack auf die künftigen Entwicklungen sei und einen konzertierten Versuch der EU-Kommission zur weiteren Liberalisierung des europäischen Hafensektors darstelle. Sie erklärten der Kommission am Runden Tisch zu maritimen Angelegenheiten in Casablanca (Marokko), dass sie die Einführung eines "Hafenpakets III" durch die Hintertür nicht dulden werden. Der aktuelle Streik könne demnach noch bis Dezember andauern, wenn keine Einigung mit der Regierung gefunden wird. Für den 14. November ist ein länderübergreifender Generalstreik in Spanien und Portugal angekündigt, als Protest gegen die europäische Wirtschaftspolitik und die verhängten Sozialkürzungen.

Ein Port Package III durch die Hintertür darf es nicht geben. Alle bisherigen Erfahren haben gezeigt, dass jegliche Versuche, Regelungen auf europäischer Ebene gegen die Interessen der Beschäftigten in den Häfen durchsetzen zu wollen, auf den erbitterten Widerstand der Betroffenen treffen und scheitern. Eine Liberalisierung von Hafendienstleistungen, führt zu nichts anderem als weiteren Lohndumping.
Was wir brauchen, sind verbindliche soziale Mindeststandards und verlässliche Rahmenbedingungen für die Hafenbetriebe. Wir brauchen intelligente Kooperation zwischen den einzelnen Häfenstandorten und keine blinde Konkurrenz um Güterumschlagsmengen. Dafür bedarf es einer stärkeren nationalen Koordinierung, um einen zielgenauen Ausbau der Hafenhinterlandinfrastruktur zu erreichen und um die zukünftige Güterumschlagsentwicklung und Spezialisierung der Seehäfen stärker zu lenken.

DIE LINKE. fordert, keine weiteren Deregulierungen und Liberalisierungen unserer Häfen, insbesondere keine Neuregelungen von Konzessionsvergaben für Hafenumschlag, Schlepper- und Lotsendienste sowie andere technisch-nautische Dienstleistungen.