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Kein Lohndumping und keine Lohnkonkurrenz durch die europäische Hintertür

Rede von Jutta Krellmann,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 1. Mai 2011 kommt die absolute Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa: Die Übergangsregelungen für die Entsendung von Arbeitnehmern aus den neuen Beitrittsländern, die bisher keinen freien Zugang hatten, laufen dann aus. Die europäische Entsenderichtlinie muss daher sozial gestaltet werden. Das deutsche Arbeitnehmer-Entsendegesetz muss auf alle Branchen erweitert werden. Die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen muss erleichtert werden. Ein flächendeckender Mindestlohn muss eingeführt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit wären die größten Löcher gestopft.
Wir wollen aber noch mehr als nur Löcher stopfen. Bereits im Februar 2006 fanden in Berlin und Straßburg zwei große Demonstrationen statt, und zwar unter Eis und Schnee; das war eine schweinekalte Angelegenheit. Das Ergebnis war: Die Dienstleistungsrichtlinie wurde anschließend mit Änderungen eingeführt.
Die Dienstleistungsrichtlinie regelt, dass Unternehmen in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union Dienstleistungen anbieten können. Viele Menschen sorgen sich seitdem, dass Beschäftigte, die nun europaweit arbeiten können, europaweit um die billigsten Löhne konkurrieren müssen. Um das zu verhindern, gibt es die europäische Entsenderichtlinie. Sie regelt, dass Beschäftigte, die mit ihren Unternehmen innerhalb der EU arbeiten, nicht schutzlos sind. Sie enthält Mindestarbeitsbedingungen; dabei geht immer mehr als das Minimum. Vor Ort gelten dann für inländische und entsendete Arbeitnehmer die gleichen Bedingungen. Ziel der Entsenderichtlinie ist es also, Lohndumping und Lohnkonkurrenz zu vermeiden sowie einheitliche Rechtsstandards an einem Arbeitsort zu sichern. Das ist an sich eine gute Idee.
Dieser Plan wurde jedoch ohne den Europäischen Gerichtshof gemacht. Er hat mit seinem Urteil die Minimalstandards in Maximalstandards verwandelt. Mehr als das, was in der Richtlinie steht, geht demnach nicht. Plötzlich wurde das Streikrecht vor Ort eingeschränkt. Geltende Tarifverträge wurden als Wettbewerbshemmnis erachtet und für ungültig erklärt. Wirtschaftliche Freiheitsrechte Herr Lehrieder hat sie erwähnt gehen damit auch in diesem Land vor Freiheitsrechte der Menschen. Das ist skandalös und verkehrt das Anliegen der Richtlinie in das Gegenteil.
Schon einmal wurde versucht, die Arbeitnehmerrechte in Europa auszuhebeln. Nach dem ersten Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie sollte der Firmensitz darüber entscheiden, welche Arbeits- und Tarifstandards gelten. Ein Chaos von 27 parallel geltenden Arbeitsrechten drohte. Die Firmen hätten sich durch eine Verlagerung ihres Firmensitzes die für sie günstigsten Bedingungen heraussuchen können. Das wurde zum Glück verhindert.
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes kommen diese Zustände nun durch die Hintertür zurück. Deswegen muss ein absoluter Riegel vorgeschoben werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass auf soziale Standards geachtet wird, auch auf europäischer Ebene.
Ich wiederhole: Wir brauchen in diesem Bereich Nachbesserungen; an dieser Stelle muss sich etwas ändern. Es muss einen Mindestlohn geben. Tarifstandards müssen eingehalten und ihre Durchsetzung erleichtert werden. Im Grunde muss die Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern auf alle Bereiche ausgeweitet werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)