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Katrin Werner: Kinderwunsch unabhängig vom Geldbeutel

Rede von Katrin Werner,

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über den Antrag der FDP über die finanzielle Unterstützung von Paaren, die ungewollt kinderlos sind und sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden möchten.

Insbesondere geht es hier um die Richtlinie des Bundesfamilienministeriums. Mit dieser Richtlinie können Länder mit dem Bund eine Vereinbarung treffen. Paare, die sich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, können einen Zuschuss zu ihrem Selbstkostenanteil erhalten. Leider beteiligen sich an dieser Förderung – wie in Ihrem Antrag erwähnt – nur sechs Bundesländer.

Sie wollen die Richtlinie reformieren. Sie sind selber darauf eingegangen, dass es ein Anfang wäre. Zukünftig soll der Bund den Zuschuss in allen Ländern finanzieren, auch wenn sich die Länder selbst nicht finanziell beteiligen. Die Förderung soll zudem auf Alleinstehende und die Nutzung von Samenzellspenden – und damit auf gleichgeschlechtliche Paare – ausgeweitet werden.

Natürlich sind diese Änderungen begrüßenswert.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie ändern mit Ihrem Antrag aber leider am grundlegenden Problem nichts.

Eine finanzielle Unterstützung der gesetzlichen Krankenkassen zur Kinderwunschbehandlung erhalten nur heterosexuelle Paare, die verheiratet sind und zudem in eine bestimmte Altersgruppe fallen. Nicht verheiratete Paare, gleichgeschlechtliche Paare, Alleinstehende, Frauen, die jünger als 25 oder älter als 40 Jahre sind, erhalten keine Zuwendungen der gesetzlichen Krankenkasse. Dieses Problem gehen Sie mit Ihrem Antrag nicht an.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie kritisieren zwar die Einschränkung der Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen – Sie kritisieren, dass die Krankenkassen lediglich verpflichtet sind, die Hälfte der Kosten zu übernehmen, und dass dies nur bei den ersten drei Versuche gilt –, Sie möchten aber, weil Sie nur an der Richtlinie herumdoktern, nichts prinzipiell ändern. Damit – das sagen wir – bleibt die Kinderwunschbehandlung weiterhin ein Privileg der Besserverdienenden.

Ich möchte Ihnen das einfach einmal an einem Rechenbeispiel verdeutlichen. Gehen wir von einem verheirateten Paar aus, das sich entscheidet, eine Kinderwunschbehandlung durchzuführen. Es benötigt vier Behandlungen. Eine Behandlung kostet 4 000 Euro. Die Hälfte der Kosten der ersten drei Versuche wird durch die gesetzliche Krankenkasse übernommen. Die Kosten der vierten Behandlung muss das Ehepaar selbst tragen. Somit muss das Paar insgesamt 10 000 Euro selbst finanzieren.

Zudem können sie beim Bundesfamilienministerium einen Antrag auf Förderung stellen und einen 25-prozentigen Zuschuss erhalten. Gibt es keinen weiteren Zuschuss durch die Länder, bleiben 7 500 Euro übrig, die das Ehepaar zahlen muss.

Für die gleiche Behandlung müssen Alleinstehende, nicht verheiratete sowie homosexuelle Paare 12 000 Euro selbst bezahlen. Denn Sie erhalten nach der Vorstellung der FDP lediglich die Förderung des Bundesministeriums und keinen Zuschuss der gesetzlichen Krankenkasse.

Hinzu kommt, dass Menschen mit Kinderwunsch keineswegs das Recht auf eine Förderung durch das Familienministerium haben. Ist der entsprechende Haushaltstopf nämlich leer, gibt es keinen Zuschuss. Mehrausgaben möchten Sie – das wurde ja schon von Frau Yüksel erwähnt – durch Umschichtungen im Haushalt und durch Kürzungen anderer Forderungen oder Leistungen finanzieren. Das halten wir für nicht vereinbar mit einer modernen Familienpolitik, die allen Menschen unabhängig vom Geldbeutel, von ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung eine selbstbestimmte Familiengründung ermöglichen möchte.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie wirklich etwas an der Situation ändern möchten, dürfen Sie nicht an dieser Richtlinie herumdoktern. Wenn Sie etwas ändern möchten, muss es eine Gesetzesänderung geben, die die volle Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ermöglicht. Dafür brauchen wir ein Krankenversicherungssystem, in das alle nach der Höhe ihres gesamten Einkommens einzahlen, eine Versicherung, in der alle die gleichen Leistungen erhalten, und zwar ohne Zuzahlungen –

(Klopfen des Präsidenten)

und das alles unabhängig vom Geschlecht, der sexuellen Orientierung oder dem Beziehungsstatus.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)