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Kathrin Vogler: Regierung bleibt bei Arzneimittelpolitik auf industriefreundlichem Kurs

Rede von Kathrin Vogler,

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, in der Arzneimittelpolitik ist es immer ein bisschen wie bei dem Wettlauf zwischen Hase und Igel: Der Hase ist die Gesundheitspolitik, und der Igel ist die Pharmaindustrie. Der politische Hase läuft und läuft und läuft, um die Bevölkerung mit wirksamen, sicheren und bezahlbaren Arzneimitteln zu versorgen. Immer, wenn er glaubt, er wäre jetzt am Ziel, ist der Igel von der Pharmaindustrie schon da – mit Scheininnovationen, mit massivem Marketing, mit monopolartigen Strukturen und mit Medikamentenpreisen, die in überhaupt keinem Verhältnis zu den eigentlichen Aufwendungen für Forschung, Entwicklung und Produktion stehen.

Von 2011 bis 2015, also in nur vier Jahren, sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Medikamente um nahezu 20 Prozent gestiegen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres sind sie noch einmal um fast 4 Prozent explodiert. Noch stärker explodieren nur die Aktienkurse der großen Pharmakonzerne. Allein die Aktie der US-Firma Gilead hat ihren Wert seit 2012 mehr als verdreifacht. Das Gesetz, welches uns die Bundesregierung heute im Entwurf vorlegt, ändert daran leider nichts. Sie wollen die Fehler vergangener Gesetze ausbessern und neue Maßnahmen zur Kostenbegrenzung einführen. Einige davon sind sogar sinnvoll. Aber insgesamt bleiben Sie eher der samtpfötige Hase.

(Beifall bei der LINKEN)

Worum geht es? Seit 2011 müssen die Hersteller neu zugelassene Präparate einer Nutzenbewertung unterziehen. Dabei wird das neue Mittel mit den bisherigen Standardtherapien verglichen. Auf dieser Grundlage verhandeln dann die Krankenkassen mit den Herstellern über den Preis. Der Gedanke dahinter: Ist ein Mittel wirklich innovativ und gut für die Patientinnen und Patienten, dann darf es auch mal teurer sein. Ist es nicht besser als ein altes Medikament, dann soll es auch nicht mehr kosten. Aber es gibt eine Hintertür: Im ersten Jahr dürfen die Unternehmen den Preis frei bestimmen.

(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist schon immer so!)

Den setzen sie natürlich so hoch wie möglich an.

Daran wollen Sie im Prinzip nichts ändern. Man könnte dem Einhalt gebieten, wenn der auf Basis der Nutzenbewertung ausgehandelte Preis rückwirkend ab dem Tag der Zulassung gelten würde. Das wäre im Übrigen auch ein wirklicher Anreiz, nur echte Innovationen auf den Markt zu bringen. Ich weiß, dass es auch in den Koalitionsparteien durchaus Sympathien für diesen Vorschlag gibt;

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Mit wem haben Sie denn da geredet? Bestimmt nicht mit Koalitionskollegen! – Maria Michalk [CDU/CSU]: Was Sie da erzählen, stimmt nicht!)

aber Minister Gröhe hat mit den Unternehmen hinter verschlossener Tür etwas anderes ausgehandelt, und zwar zum Schaden der Allgemeinheit. Sie wollen jetzt eine Umsatzschwelle für das erste Jahr einführen. Erst dann, wenn ein Medikament im Jahr mehr als 250 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, soll eine Kostenbremse greifen. Das halten wir nicht nur für willkürlich, sondern auch für absolut nicht ausreichend.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Gröhe, was gar nicht geht, ist Ihr Vorschlag, die ausgehandelten Erstattungspreise geheim zu halten. Damit wollen Sie Preisvergleiche unmöglich machen. Sie wollen die Listenpreise in Deutschland künstlich hochhalten und damit eben auch die Arzneimittelpreise in anderen Ländern, die sich am deutschen Preis orientieren. Das ist unsolidarisch, und es ist auch zutiefst antieuropäisch. Wir fordern Transparenz und Solidarität im Gesundheitswesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht aber nicht nur um den Preis. Inzwischen haben wir ernsthafte Versorgungsprobleme. Immer wieder kommt es zu Lieferengpässen und Ausfällen bei wichtigen Medikamenten, zum Beispiel bei Antibiotika und Impfstoffen. Die Bundesregierung aber folgt auch hier dem Motto: Bloß keinen Ärger mit den Unternehmen. Ich sage Ihnen: Mit völlig unverbindlichen Selbstverpflichtungen und freundlichen Gesprächen werden Sie das Problem nicht lösen. Hier müssen klare gesetzliche Regelungen her wie eine verbindliche Meldepflicht bei drohenden Lieferausfällen und eine gesetzliche Pflicht zur Lagerhaltung. Das Ganze muss mit spürbaren Sanktionen bei Verstößen verbunden sein.

Zum Schluss will ich noch auf das Thema Versandhandel zu sprechen kommen. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs können ausländische Versandapotheken jetzt mit Dumpingpreisen auf den deutschen Markt drängen. Die Linke fordert schon seit Jahren, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu verbieten. Wir sagen: Medikamente gehören in die fachkundige Hand des Apothekers oder der Apothekerin und nicht in den Hermestransporter.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn noch mehr Apotheken im ländlichen Raum von kapitalgetriebenen internationalen Konzernen in Grund und Boden konkurriert werden, dann steht man nämlich demnächst in der Uckermark oder in der Eifel am Sonntag oder in der Nacht mit einer Krankheit ganz alleine ohne Medikamente da. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, Herr Gröhe, dass Sie sofort angekündigt haben, einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen. Auch die Bayerische Landesregierung hat unsere Forderung aufgegriffen und eine Bundesratsinitiative gestartet,

(Reiner Meier [CDU/CSU]: Ja, genau! Na, sehen Sie mal!)

der sich inzwischen auch Brandenburg und Thüringen angeschlossen haben.

Leider ist dieses Thema vor allem in der SPD noch umstritten. Aber ich hoffe, dass wir gemeinsam erfolgreiche Überzeugungsarbeit leisten können, sodass es vielleicht noch möglich ist, diese Änderungen mit diesem Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen.

(Beifall der Abg. Karin Maag [CDU/CSU])

In diesem Sinne freue auch ich mich auf die Beratungen.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: So viel Vorfreude!)