Zum Hauptinhalt springen

Karikaturenstreit - deeskalieren und abrüsten!

Rede von Norman Paech,

Rede von Norman Paech (DIE LINKE.) zum Karikaturenstreit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich noch der brennenden Vorstädte von Paris, Lyon und Marseille? Nun brennen Botschaften und Konsulate in Beirut und Damaskus. Ein Ende ist nicht abzusehen. Sicherlich wird der Ausbruch von Empörung, Hass und Gewalt zum Teil auch benutzt und instrumentalisiert. Aber der Hass muss schon vorhanden sein, ehe er zu einem Instrument der Gewalt gemacht werden kann. (Beifall bei der LINKEN) Wie aber konnte durch ein paar Karikaturen das Fass zum Überlaufen gebracht werden? Das hat nur entfernt mit Toleranz und Pressefreiheit zu tun, Herr Kuhn - es hat niemand hier vorgeschlagen, sie anzutasten -; das ist meines Erachtens die falsche Erklärung, mit der in Europa auf die Vorfälle reagiert wird. Das Ganze hat vielmehr mit Provokation, Demütigung und Arroganz zu tun. (Beifall bei der LINKEN) Nicht nur der Westen fühlt sich - durch die Terrorakte - in seinen Grundfesten angegriffen, auch die gesamte islamische Welt fühlt sich bedroht, und zwar durch die Kriege gegen Afghanistan und den Irak, die täglich wiederholte Drohung gegen den Iran und die offene Forderung nach Regimewechseln in den so genannten Schurkenstaaten. Zur Demütigung trägt auch die Globalisierung bei. Sie verstärkt auch in den islamischen Ländern die Kluft zwischen Arm und Reich. Die Programme der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds erfährt die breite Bevölkerung nicht als Wohltat oder Heilsbotschaft. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Was haben Sie denn für Vorurteile?) Sie fördern die Verarmung, zerreißen die Gesellschaften und tragen zur Zerstörung der Identität dieser Gesellschaften bei. Was wir als Demokratisierung, Good Governance und zivilisatorische Mission begreifen, (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Zum Thema, bitte!) kommt auf der anderen Seite immer mehr als eine neue Kolonialisierung an, zumal wenn sie von Militär und Krieg begleitet wird. Das ist doch nicht unbegreiflich. (Beifall bei der LINKEN) Guantanamo und Abu Ghureib sind nicht nur schlichte Orte der Haft und Folter, sondern auch Metaphern der kulturellen Demütigung, der Verhöhnung und des Angriffs auf die kulturelle Identität der Muslime. (Beifall bei der LINKEN) Was haben wir zu tun? Der Dialog ist gut, wenn er denn gelingt. Doch glaube ich, dass der „Muslimtest“ nicht gerade der richtige Anfang ist. Zuerst müssen wir deeskalieren und abrüsten. Zu unserer friedenspolitischen Kultur gehört doch, dass wir Eskalation nicht mit Eskalation beantworten. (Beifall bei der LINKEN) Der Terror ist nicht mit Krieg zu besiegen. Das sollte uns das Scheitern von Bushs Antiterrorkrieg gelehrt haben. Noch können wir innehalten. Ein Überfall auf den Iran, wie er derzeit in der Logik der beiderseitigen Eskalation liegt, hätte einen verheerenden Flächenbrand im ganzen Nahen und Mittleren Osten zur Folge, und nicht nur das: Eventuell würden wir auch Berlin nicht wieder erkennen. Wir fordern deswegen von der Bundesregierung - sie ist nicht anwesend -: Leiten Sie den Weg zum UNO- Sicherheitsrat um zu einer internationale Friedens- und Sicherheitskonferenz über den Nahen Osten! (Beifall bei der LINKEN) Die Aufgabe einer solchen Sicherheitskonferenz wäre, die Lösung der ungelösten Probleme der Region umfassend anzugehen. Das heißt zunächst eine unantastbare Garantie der Existenz Israels in eindeutig definierten Grenzen - an dieser Stelle vermisse ich Ihren Beifall -, aber auch eine unantastbare Garantie eines lebensfähigen, souveränen Staates Palästina in zukunftsfähigen Grenzen, Abzug aller Besatzungstruppen aus dem Irak und statt der dauernden Drohung mit militärischen Sanktionen gegen den Iran Gewaltverzicht und eine Nichtangriffsgarantie der USA und schließlich eine atomwaffenfreie Zone im ganzen Nahen Osten. (Beifall bei der LINKEN) Ich bin mir sicher: Eine solche Friedenskonferenz würde natürlich nicht alle Probleme dauerhaft lösen. Aber sie würde deeskalieren, der islamischen Welt die gebührende Achtung erweisen und für Gleichberechtigung sorgen. Zum Schluss: Erst wenn in dieser Region Frieden und Sicherheit vor westlichen Interventionen herrschen, werden solche Karikaturen wie die jetzigen zwar noch immer Kritik auslösen, aber keine brennenden Botschaften mehr hinterlassen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN)