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Kampf um Ghetto-Renten erfolgreich - Diskriminierung Ghetto-Beschäftiger mit Wohnsitz in Polen beendet!

Rede von Azize Tank,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vorgestern haben wir an den 70. Jahrestag der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee erinnert. Wir gedachten damit aller Opfer des deutschen Faschismus. Wir gedachten der Schoah, der industriellen Vernichtung von mehr als 6 Millionen europäischen Jüdinnen und Juden. Wir erinnerten gleichzeitig an Hundertausende ermordete Sinti und Roma, ebenso an die lange vergessenen Opfergruppen, die als sogenannte Asoziale verleumdeten Menschen, die Homosexuellen und andere.

Wenn wir an die Opfer der Massenmorde von Birkenau, Sobibor oder Treblinka erinnern, dürfen wir jedoch Eines nicht vergessen: Vor der Vernichtung wurden diese Menschen rassistisch diskriminiert, entrechtet, misshandelt, beraubt und ausgebeutet.

Nun zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Erst dank dem Einsatz engagierter Überlebender, Historiker, Richter und Rechtsanwältinnen wissen wir, was lange nicht anerkannt wurde: Für Ghettoarbeit wurden Beiträge zur Sozialversicherung abgezogen. Das Bundessozialgericht hat diese Rentenansprüche erst infolge der Bemühungen von Überlebenden anerkannt. Dafür gebührt den Überlebenden unser höchster Respekt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Beschämen sollte uns, dass anfangs 90 Prozent der Anträge auf Ghettorenten abgelehnt wurden. Beschämen sollte uns, dass Ghettobeschäftigte mit Wohnsitz in Polen von Anfang an ausgeschlossen wurden. Erst das neue Abkommen beendet diesen Zustand. In enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen hat die Fraktion Die Linke das Thema in den Bundestag getragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Erlauben Sie mir, Tomasz Miedziński aus Warschau zu zitieren, worum er mich gebeten hat. Als Vorsitzender der Vereinigung der Jüdischen Kombattantinnen und Kombattanten und Geschädigten des Zweiten Weltkriegs kämpfte er seit mehr als zehn Jahren für die Rechte der Ghettobeschäftigten aus Polen, unterstützt von Herrn Marian Kalwary, dem Vize-Vorsitzenden der Vereinigung „Kinder des Holocaust“ in Polen. Am Tag der Unterzeichnung des vorliegenden deutsch-polnischen Abkommens in Warschau erklärte Herr Miedziński ‑ ich zitiere ‑: „Ich sollte Freude empfinden über dieses Abkommen. Aber Freude empfinde ich nicht. Während der vielen Jahre des Kampfes gegen den Widerstand der deutschen Behörden und ihre Bürokratie ist mehr als die Hälfte der Berechtigten verstorben“.

Zehn Jahre! Eine Lösung wurde immer wieder als rechtlich nicht umsetzbar abgelehnt.

Durch gemeinsame Anstrengungen im Bundestag gelang es uns, in acht Monaten den Abschluss eines Abkommens herbeizuführen. Die Diskriminierung konnte dadurch beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit Freude habe ich gehört, dass unsere Staatssekretärin eine ebenso zügige Umsetzung des Abkommens fordert. Wir alle wissen: Es geht hier nicht um eine Drucksache, sondern um die Wiedererlangung von Würde, um Gerechtigkeit.

Erlauben Sie mir, dabei etwas zu unterstreichen, was in Deutschland oft ausgeblendet wird. Ja, auch Jüdinnen und Juden waren aktiv an dem bewaffneten Widerstand gegen deutschen Faschismus beteiligt. Auch sie haben ihren Anteil an der Befreiung Deutschlands vom Faschismus. Ihnen gebührt nicht nur Respekt für das erlittene Leid, sondern auch Dankbarkeit für ihren Widerstand. Sie haben sich um einen demokratischen Neuanfang verdient gemacht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts des Alters der letzten Zeugen der Schoah sind wir verpflichtet, deren Vermächtnis weiterzutragen: Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)