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Jutta Krellmann: Acht Stunden mehr für Liebe und Verkehr

Rede von Jutta Krellmann,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeit ist reif: Gestern, heute und morgen gehen eine halbe Million Menschen auf die Straße und kämpfen für ihre Forderungen. Die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie beantworten die Frage „Wem gehört die Zeit?“ gerade sehr eindrucksvoll. Sie sagen: „Mein Leben – meine Zeit.“

(Beifall bei der LINKEN)

Damit ist die Frage der Arbeitszeit zurück im Zentrum der politischen Debatte. Ich als Gewerkschafterin im Bundestag verstehe das als politischen Auftrag.

Die Beschäftigten spüren es jeden Tag: Ihr Leben wird weitgehend von der Arbeit und damit vom Arbeitgeber bestimmt. Die Menschen müssen zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten arbeiten, egal ob an Feiertagen oder am Wochenende. Arbeitsverhältnisse werden dadurch zunehmend unsicher. Das öffnet der Ausbeutung Tür und Tor und hat mit Selbstbestimmung nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Je nach Auftragslage arbeiten die Beschäftigten bis zum Umfallen oder müssen zu Hause bleiben. So werden unternehmerische Risiken auf die Beschäftigten verlagert. Die Gesundheit, das Privatleben sowie Sorge- und Pflegearbeit bleiben auf der Strecke.

Es ist höchste Zeit, im Interesse der Beschäftigten und der Gesellschaft die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 40 Stunden zu begrenzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es darf nicht sein, dass jährlich 1,7 Milliarden Überstunden anfallen und nicht einmal die Hälfte davon bezahlt wird. Ich nenne das organisierten Lohnraub.

(Beifall bei der LINKEN)

Und dann stellt sich auch noch Gesamtmetall-Präsident Dulger hin und behauptet, dass ein Teillohnausgleich bei Pflege und Kinderbetreuung „Geld fürs Nichtstun“ ist. Es ist ein Schlag ins Gesicht von Millionen von beschäftigten Menschen und eine bodenlose Frechheit, so etwas zu sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Würden wir alleine diese 1,7 Milliarden Überstunden umverteilen, dann hätten wir laut Bundesregierung 1 Million Vollzeitstellen mehr. Mit der vorhandenen Menge an Arbeit ist es wie mit dem Reichtum: Es ist genug da, es ist nur falsch verteilt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Entwicklung müssen wir endlich einen Riegel vorschieben. Wir brauchen sichere Arbeitsverhältnisse für alle. Wir brauchen kürzere, aber ausreichende Wochenarbeitszeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Heben Sie den Schatz an Teilzeitbeschäftigten, die gerne länger arbeiten würden. Wie das Sondierungspapier zeigt, haben Beschäftigte in dieser Hinsicht leider auch von einer Großen Koalition nichts zu erwarten. Das Arbeitszeitgesetz soll im Sinne der Arbeitgeber verändert und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten gleich mitverkauft werden.

(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Wie kommen Sie denn darauf?)

Das geplante Rückkehrrecht aus Teilzeit ist dabei ein Witz.

(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Sagen Sie doch mal die Stelle! Das steht doch gar nicht drin!)

Es betrifft die Beschäftigten in 95,5 Prozent der Betriebe nicht. Zudem schließt es von vornherein mehr als die Hälfte aller Frauen aus. Ich als Gewerkschafterin fordere ein echtes Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt nur einen Weg für die lohnabhängig Beschäftigten, damit aus fremdbestimmter Flexibilität eine selbstbestimmte Arbeitszeitrealität wird: Vertraut auf eure Kraft! Organisiert euch in den DGB-Gewerkschaften! Kämpft solidarisch für eure Interessen! Wir, Die Linke, werden euch unterstützen und den politischen Rahmen setzen, um gute, selbstbestimmte Arbeit für alle zu ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das machen wir sehr gerne!)

Begrenzen wir die wöchentliche Höchstarbeitszeit! Schaffen wir einen echten Anspruch auf ein Rückkehrrecht in Vollzeit! Kolleginnen und Kollegen der IG Metall, wir solidarisieren uns mit eurem Kampf für mehr Lohn und eine Absenkung der Arbeitszeit. In ein paar Stunden fahre ich zu meinen Kolleginnen und Kollegen nach Gronau und werde an ihrer Seite gemeinsam mit ihnen kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)