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Jugend(medien)schutz

Rede von Lothar Bisky,

Rede von Prof. Dr. Lothar Bisky zur zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes (Drs. 16/8546)
am 08.05.2008 im Plenum des Deutschen Bundestages

Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in einem kulturel-len Umbruchprozess, der vor allem durch die fortschreitende Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche gekennzeichnet ist. Digitale Spiele sind heute zu normalen Produkten der Alltagskultur geworden. Am meisten verbreitet sind die sogenannten Ballerspiele; manche nennen sie auch Killerspiele. Wir müssen das ist meine Position den Herausforderungen des digitalen Zeitalters vor al-lem kulturell begegnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Erwachsene, aber vor allem Kinder und Jugendliche müssen Medienkompetenz erwerben. Darum geht es. Medienkompetenz ist die Schlüsselkategorie. Eine moderne Mediensozialisation kommt ohne einen kritischen Verstand und ohne die Fähigkeit, Realität und Fiktion zu unterscheiden, nicht aus. Das sind unabdingbare Voraussetzungen. Daher tritt die Linke dafür ein, Medienkompetenz so früh wie möglich entwickeln zu helfen und entsprechende Maßnahmen Kindergärten, Horten und Schulen institutionell verpflichtend vorzugeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen muss gefördert werden. Sie brauchen eine Schulung in Sachen Medienkompetenz, sonst sind sie für die Zukunft in einer digitalen Welt nicht gut gerüstet.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Jugendschutzgesetzes beinhaltet kein Totalverbot mit Strafandrohung für Hersteller, Verbreiter und Nutzerinnen und Nutzer von solchen Spielen. Gut so; denn solche Verbote bringen nichts. Der Gesetzentwurf bleibt jedoch im Kern unzureichend. Das zeigt sich besonders in der Neufassung des § 18. Wenn künftig nun auch solche Medien in die Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen sind, die, wie es im Gesetzentwurf heißt, Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert
darstellen, werden die Gerichte sehr viel zu tun bekommen.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Das ist wohl wahr!)

Von diesem rechtsunsicheren Passus sind nämlich nicht nur Computerspiele betroffen, sondern ebenso Spielfilme und auch so mancher Antikriegsfilm.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Ja!)

Nein, mit Verboten kommt man hier nicht weiter.
Auch die Indexierung von Medien, die „Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit“ nahelegen, ist aus meiner Sicht falsch. Selbstjustiz ist zu Recht strafbewehrt. Aber sollte diese Formulierung Gesetzeskraft erlangen, so würde demnächst mancher Film etwa mit Charles Bronson auf dem Index stehen. Nun kann ich mir gut vorstellen, dass manche von Ihnen den Film „Ein Mann sieht rot“ verbieten wollen. Ich möchte dies nicht.

(Beifall bei der LINKEN Ute Kumpf (SPD): Ha, ha, ha! Das ist eine ganz billige Nummer!)

Meine Damen und Herren, der oft behauptete wissenschaftliche Nachweis eines Zusammenhangs von virtuellem Spiel und realer Gewalt ist nichts anderes als ein Mythos.

(Kerstin Griese (SPD): So einfach darf man sich das nicht machen, Herr Kollege!)

Gewalt und Amokläufe an Schulen entstehen nicht allein durch den Konsum von gewalthaltigen Computerspielen. Ein sehr komplexes Bedingungsgefüge aus sozialen, psychologischen und familiären Komponenten muss als Ursache betrachtet werden. Aus Zeitgründen kann ich sie hier im Einzelnen nicht aufführen.

Ich komme zum Schluss. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein untauglicher Versuch, diesen neueren sozialen Bedingungen in der gebotenen Komplexität zu begegnen. Er trägt nicht dazu bei, die kulturellen Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu gestalten. Die Linke lehnt eine prohibitive Politik im Umgang mit gewalthaltigen Computerspielen ab. Darum lehnen wir auch diesen Gesetzentwurf ab.
Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)