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Jörn Wunderlich: Vorhanden Ressourcen angemessen verteilen

Rede von Jörn Wunderlich,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Siebte Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland stellt die Sorge und Mitverantwortung in der Kommune und damit den Aufbau und die Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften in den Mittelpunkt der Untersuchungen.

Die neue Generation der Seniorinnen und Senioren unterscheidet sich von ihren Vorgängergenerationen ganz erheblich. Heute sind sie mobiler, sozial gut vernetzt, gesundheitlich und geistig fit und eine wichtige Stütze für die Familie und Gesellschaft. Ausgeprägter Wunsch der älteren Menschen ist, ein selbstbestimmtes und aktives Leben so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Nirgendwo zeigen sich die demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen so deutlich wie in den Kommunen, wo die Menschen wohnen, arbeiten und zusammenleben. Das heißt für die Kommunen, Wege und Möglichkeiten zu finden, gemeinsam mit den Vertretern des zivilgesellschaftlichen Engagements vor Ort, den Vereinen, Verbänden und der Kirche, eine Infrastruktur zu schaffen, die eigenständiges und selbstbestimmtes Leben ermöglicht und sichert.

So wurde im Koalitionsvertrag unter anderem festgeschrieben, dass im Rahmen des siebten Altenberichts, der im Frühjahr 2015 vorzulegen war, integrative regionale seniorenpolitische Gesamtkonzepte zu entwickeln sind. Nach mehrfachem Drängen der Opposition wurde der Bericht schließlich im November 2016 an den Bundestag überwiesen; beraten wurde er dann aber noch lange nicht.

Heute steht er auf unserer Tagesordnung. Er wird im Schnellverfahren ohne Debatten in den Ausschüssen und ohne eventuelle Anhörungen letztlich im Bundestag durchgewunken. Das ist genauso wie beim Jugendbericht; so muss man nämlich keine Konsequenzen aus den Berichten ziehen. Stellt sich die Regierung eine Zusammenarbeit mit dem außerparlamentarischen Sachverstand so vor? Ich finde das eher oberpeinlich.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Weiter fordern die Sachverständigen in ihren Handlungsempfehlungen Bund und Länder auf, den Kommunen mehr Mitbestimmung einzuräumen. So empfehlen sie, die Finanzhoheit in diesem Land vom Kopf auf die Füße zu stellen, sowie die Unterstützung von informellen Hilfsnetzwerken aus Familien, Freunden und Nachbarn, die Förderung ehrenamtlichen Engagements älterer Menschen und die verbesserte Beratung für pflegende Angehörige. Dabei muss man aber bei der Förderung des ehrenamtlichen Engagements immer darauf achten, dass sie tatsächlich on top geht, weil das Engagement nicht als Ausfallbürge für angeblich nicht finanzierbare staatliche Aufgaben herhalten darf.

So wie die Sachverständigen formuliert auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme, dass es auf strukturelle, inhaltliche und finanzielle Rahmenbedingungen sowie darauf ankommt, die „sehr unterschiedlichen Entwicklungen in den Kommunen in Deutschland“ zu beachten. Betroffen seien alle wichtigen Lebensbereiche und die Lebensqualität des Miteinanders aller Generationen vor Ort. Das betrifft Wohnen, Wohnumfeld und Daseinsvorsorge, medizinische, pflegerische und betreuende Versorgung, Selbstbestimmung, Bildung und Information, Mobilität und soziale Kontakte.

Eine wichtige Unterscheidung bei der Beschreibung regionaler Vielfalt ist die Differenzierung von städtischem und ländlichem Raum. So gibt es laut Bericht erhebliche Unterschiede hinsichtlich Wohlstand, Infrastruktur und Bevölkerungszusammensetzung. – Alles neue Tatsachen? Da müssen wir uns wirklich an den Kopf fassen: Das war uns doch seit Jahren bekannt. Daraus hätte man schon längst etwas entwickeln müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Um die Situation der Kommunen zu verbessern, dürfen haushaltspolitische Zwänge nicht sinnvolle Entwicklungen in der Seniorenpolitik demontieren, und das ist jahrelang gemacht worden. Kommunen brauchen finanzielle Stabilität und Planungssicherheit. Scheinbarer oder tatsächlicher Geldmangel darf nicht zur Streichung von Leistungen führen. So wären eine gezielte Förderung von wirtschaftlicher Betätigung durch den Abbau von Einschränkungen zugunsten der öffentlichen Hand und die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftsteuer erstrebenswert.

Fazit: Erfolgversprechende Potenziale sind vorhanden. Sie müssen greifen, weil für den Erfolg einer emanzipatorischen Seniorenpolitik engagierte Menschen in Politik und Gesellschaft entscheidend sind. Die Gestaltungskraft der Kommunen könnte bei angemessener Verteilung der vorhandenen Finanzen und Ressourcen sowie nachhaltigem, sozialgerechtem Handeln der politisch Verantwortlichen – und das sind Sie, meine lieben Kollegen aus der Koalition – gemeistert werden. Hier sind Bund und Länder gefordert. Auf geht’s – hoffentlich.

(Beifall bei der LINKEN)