Zum Hauptinhalt springen

Jede Teilung von außen erzeugt neue Gewalt im Kosovo

Rede von Norman Paech,

Der Kosovo soll von Serbien getrennt werden. Das ist nicht nur das eindeutige Ziel der Kosovo-Albaner, sondern das ist auch das Ziel der NATO-Staaten. Die UN-Resolution 1244 spricht jedoch von der Erhaltung der Souveränität Serbiens und der substantiellen Autonomie und Selbstverwaltung des Kosovo. Die Entscheidung zwischen Trennung und Autonomie mag noch Zeit erfordern, aber jede Teilung von außen - durch die EU oder sogar durch die NATO - ist nicht nur völkerrechtswidrig, sondern wird mit Sicherheit neue Gewalt erzeugen. Norman Paech in der Debatte zur Gesamtstrategie für die Balkanstaaten.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das anspruchsvolle Thema heißt: Gesamtstrategie für die Balkanstaaten und ganz Südosteuropa. Wir haben insgesamt 30 Minuten dafür. Mir bleiben vier Minuten. Was mache ich? (Uta Zapf [SPD]: Aufhören! - Weitere Zurufe) Ich konzentriere mich auf das, was sich bei näherem Hinsehen auf die Beseitigung der Folgen eines beispiellosen Zerfalls- und Zerschlagungsprozesses eines Landes reduziert. Da bin ich mit Ihnen, Herr von Klaeden, über die Leistung der NATO-Staaten gar nicht einer Meinung; die NATO hat nicht einmal vor einem völkerrechtswidrigen Krieg zurückgeschreckt. Daran ist immer wieder zu erinnern; denn die Wunden dieses Krieges sind noch heute zu spüren. (Beifall bei der LINKEN - Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Fangen Sie mit Ihrer Erinnerung mal etwas früher an, Herr Kollege!) Jetzt soll der Kosovo von Serbien getrennt werden. Das ist nicht nur das eindeutige Ziel der Kosovo-Albaner, sondern das ist auch das Ziel der NATO-Staaten. Dabei spielt die Ausgangsresolution 1244 des UNO-Sicherheitsrats gar keine Rolle mehr. Diese Resolution spricht noch von der - ich zitiere - Erhaltung der Souveränität und territorialen Unversehrtheit Serbiens und einer substanziellen Autonomie und tatsächlichen Selbstverwaltung des Kosovo innerhalb der Grenzen Serbiens. Das ist auch das Angebot Belgrads. Von dort wird gesagt: Gebt uns 20 Jahre, um den endgültigen Status dieser Provinz zu finden. - Das ist ein faires Angebot. Beide Seiten müssen sich gemeinsam über die neuen Grenzen und die eventuelle Teilung einigen. Die Entscheidung zwischen Trennung und Autonomie mag noch Zeit erfordern, aber jede Teilung von außen - durch die EU oder sogar durch die NATO - ist nicht nur völkerrechtswidrig, sondern wird mit Sicherheit neue Gewalt erzeugen. (Beifall bei der LINKEN) Der EU und der Bundesregierung - das wissen wir jetzt - sind 20 Jahre allzu lang und sie drängen auf eine Lösung noch in diesem Jahr. Aber anders als in Montenegro hilft hier kein Referendum; denn es geht um eine weitere Teilung Serbiens, der auch die serbische Regierung zustimmen muss. Das Recht auf Selbstbestimmung, auf das man sich so oft beruft, gibt in diesem Fall kein einseitiges Recht auf Sezession. Das ist genauso wie zum Beispiel bei den Völkern Abchasiens, Transnistriens, Kurdistans und des Baskenlandes. Deswegen fordern wir von der Bundesregierung - da sind wir, Herr von Klaeden, wieder zusammen -: Unterlassen Sie alles, was eine einseitige und gewaltsame Trennung des Kosovo herbeiführt! Bleiben Sie bei dem Verhandlungsprozess, auch über das Jahr 2006 hinaus! (Beifall bei der LINKEN) Schauen wir dann noch kurz auf Bosnien-Herzegowina, wo drei Völker in einem Protektorat zusammengehalten werden. Hier ist von Separation keine Rede, sondern nur von Demokratiedefizit, Kriminalität, Prostitution und Drogenhandel, sozusagen den üblichen und notwendigen Konsequenzen aus den Schwierigkeiten des Zusammenlebens solcher Völker im Alltag. Hier wird der Aufbau eines neuen multiethnischen Staates versucht. - Serbien hingegen soll in weitgehend monoethnische Teile getrennt werden. Ein Narr, wer einer solchen Gesamtstrategie der Widersprüche nicht misstraut. (Beifall bei der LINKEN) Wir - damit komme ich zum Ende - unterstützen allerdings alle Versuche, aus dem Protektorat Bosnien-Herzegowina einen eigenständigen und souveränen Staat zu machen und die spätfeudalen Eingriffsrechte eines Hohen Repräsentanten, auch wenn er ein Deutscher ist, abzuschaffen. Aber das ist nur ein Schritt auf dem Weg zu einem richtigen Staat und zu einer richtigen Gesellschaft. - Deswegen unsere Forderung: Ziehen Sie - Herr Stinner, das ist überfällig - die deutschen Truppen der Althea-Mission jetzt ab; (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein, unter keinen Umständen! Das machen wir nicht!) denn diese haben nur noch polizeiliche Aufgaben zu verrichten; das ist nachgewiesen. Das kann auch eine Polizei machen. (Beifall bei der LINKEN) Ziehen Sie sie ab, (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Nein, mache ich nicht!) ersetzen Sie sie durch polizeiliche Kräfte und stärken Sie die immer noch schwachen institutionellen Kräfte des Staates! Dabei werden wir Sie immer unterstützen. Danke sehr. (Beifall bei der LINKEN)