Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es steht nicht gut um die Netzneutralität in Europa - dies ist die weit verbreitete Meinung, nachdem im Oktober letzten Jahres das Europäische Parlament den Kompromiss zur Telekommunikationsbinnenmarktverordnung billigte. Sie erlaubt Telekommunikationsunternehmen, bestimmte Angebote vom Prinzip der Netzneutralität auszunehmen und sie als priorisierte Dienste auf Überholspuren auszulagern. Die Verordnung enthält neben Unbestimmtheiten und Auslassungen allerdings auch Bestimmungen, die ein solches Szenario, nämlich das eines Zweiklasseninternets, ausschließen könnten. Dementsprechend beginnt jetzt der Kampf um die Deutungshoheit hinsichtlich der Verordnung.
Einen regelrechten Salto mit halber Schraube legte die Telekom kürzlich hin, die ihre Spotify-Flatrate mit Verweis auf die Netzneutralität einschränkte. Damit Sie mich jetzt richtig verstehen: Das heißt nicht, dass die Telekom dieses Zero-Rating-Angebot plötzlich abschafft. Nein, die Kunden dürfen weiter dafür bezahlen, dass die Nutzung des Musikstreamingdienstes nicht auf das Datenvolumen angerechnet wird. Sollte das Datenvolumen aber trotzdem wegen anderer Nutzungen aufgebraucht sein, wird nun auch die Spotify-Nutzung gedrosselt. Die Telekom schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie kann noch mehr Geld von ihren Kunden kassieren, weil sie noch mehr Datenvolumen brauchen, und sie kann gleichzeitig bei ihren Kunden Stimmung gegen die Netzneutralität machen. Ich für meinen Teil kann da nur sagen, dass mir bei dieser einseitigen Auslegung der Netzneutralität die Spucke wegbleibt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen also dringend über die Umsetzung der EU-Verordnung reden, damit solche einseitigen Auslegungen nicht mehr stattfinden können. Die Linke hat jetzt einen Vorschlag vorgelegt, wie man trotz der EU-Verordnung ein Zweiklasseninternet verhindern kann. Bisher ist geplant, dass die Bundesnetzagentur gemeinsam mit den anderen Regulierungsbehörden Richtlinien zur Umsetzung der Verordnung aufstellt. Das reicht uns nicht aus. Die Einhaltung der Netzneutralität ist die wesentliche Grundlage des Internets,
(Beifall bei der LINKEN)
und die Festigung dieser Grundlage kann nicht ausgelagert werden. Das muss der Gesetzgeber selbst machen. Dies entspricht aus unserer Sicht der sogenannten Wesentlichkeitstheorie, nach der der Gesetzgeber die wesentlichen Sachen selbst regeln soll.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen, dass zweiseitige Märkte und Zero-Rating-Angebote untersagt werden. Zweiseitige Märkte bedeuten, dass Zugangsanbieter wie zum Beispiel die Telekom nicht nur Geld für den Internetanschluss nehmen, sondern auch zusätzlich Geld für die Nutzung: Wer schneller durchgeleitet werden will, muss mehr zahlen. Dabei handelt es sich um eine Priorisierung, die nur auf kommerziellen Erwägungen beruht. Das ist ausschließlich eine Einnahmequelle für die Internetanbieter. Verkehrsmanagement aus kommerziellen Gründen ist nun aber nach Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung nicht erlaubt.
(Beifall des Abg. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE))
Gleiches gilt für Zero-Rating-Angebote wie die schon erwähnte Spotify-Flatrate. Auch sie beruht auf einem kommerziellen Verkehrsmanagement, und auch das wäre nach der EU-Verordnung nicht erlaubt. Wenn wir also die EU-Verordnung entsprechend ihrer eigentlichen Regelungen auslegen würden und der deutsche Gesetzgeber es auch entsprechend unseres Antrages so regeln würde, dann gäbe es keine zweiseitigen Märkte und keine Zero-Rating-Angebote.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie sehen: Es steht nur dann schlecht um die Netzneutralität, wenn wir nicht selbst aktiv werden. Es gibt die Möglichkeit, das neutrale Netz zu sichern. Wir müssen es gemeinsam nur wollen. Denn ein neutrales Netz ist ein Internet für alle, und ein Internet für alle bedeutet letztendlich Demokratie für alle.
(Beifall bei der LINKEN)