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Internationale Unternehmen verstoßen häufig gegen Menschenrechte

Rede von Annette Groth,

In der Debatte über den Antrag "Die UN-Leitlinien für menschenrechtlich verantwortliches unternehmerisches Handeln aktiv unterstützen" erklärte die Menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion, DIE LINKE, Annette Groth zu Protokoll:

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Außenhandels- und Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik zeigt deutlich, dass unverantwortliches unternehmerisches Handeln durch staatliche Politik unterstützt wird. Ein Beispiel hierfür ist die Hermes-Bürgschaft in Höhe von 1,3 Milliarden Euro für den Atomreaktor Angra 3 in Brasilien. Es ist unverantwortlich, dass mit deutscher Hilfe, ein fast 25 Jahre alter Schrottreaktor in Brasilien fertiggebaut wird. Angra 3 ist vergleichbar mit dem Atomkraftwerk Grafenrheinfeld, das in Deutschland 2015 stillgelegt werden muss. In Brasilien soll es jedoch mit staatlicher Unterstützung der Bundesregierung noch Jahrzehnte betrieben werden.


Auch das zweite Großprojekt in Brasilien, der Bau des Stahlwerks von ThyssenKrupp und den Brasilianischen Konzern Vale in Sepetiba, im Bundesstaat Rio de Janeiro, hat massiv die Menschenrechte verletzt. Über 8000 Fischerfamilien, mit mehr als 40 000 Betroffenen, müssen um ihre Existenz fürchten. Die Fangmengen der Fischer sind durch den Bau des Stahlwerks um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig werden die wertvollen Mangrovenwälder nachhaltig geschädigt. Um den Protest der Fischerinnen und Fischer zu verhindern, werden Kritikerinnen und Kritiker des Stahlwerkbaus von Milizen bedroht.

Die Bundesregierung hat den Bau des Stahlwerkes als Entwicklungsperspektive bezeichnet. Dies ist zynisch. Alle Forderungen der Bundesregierung, die UN-Leitlinien für menschenrechtlich verantwortliches Handeln zu unterstützen, sind unglaubwürdig, wenn sie aus rein exportegoistischen Gründen eine unverantwortliche Politik unterstützt. Menschenrechtlich verantwortliches Handeln bedeutet, dass die Industriestaaten keine Investitionen zulassen oder fördern dürfen, die das Recht auf Arbeit und Nahrung von anderen Menschen zerstört. Von den Unternehmensmanagern von ThyssenKrupp erwarten wir, dass sie an die Fischerfamilien Entschädigungen bezahlen und das Stahlwerk so umbauen, dass die Existenz der Fischer gesichert werden kann und die Bucht von Sepetiba nicht mehr verschmutzt wird.

Auch in der neuen Rohstoffstrategie der Bundesregierung kommen Menschenrechte de facto nicht vor. Zwar wird im Einleitungsteil darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung die „nachhaltige Rohstoffwirtschaft unter Wahrung der Menschenrechte und Einhaltung international anerkannter sozialer und ökologischer Mindeststandards stärken“ will. Die Rohstoffstrategie ist jedoch einseitig auf „bilaterale Rohstoffpartnerschaften, „europäische Rohstoffpolitik“ und auf die „Bekämpfung von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen“ ausgerichtet. Damit will die Bundesregierung Länder in Afrika und Südamerika zwingen, ihre Exportsteuern auf unverarbeitete Rohstoffe massiv abzubauen oder abzuschaffen. Sie verhindert damit bewusst die Entwicklung von Wertschöpfungsketten in diesen Ländern. Auch die Staatshaushalte vieler rohstoffexportierender Länder werden dadurch massiv gefährdet.

Die gesamte Rohstoffstrategie ist einseitig von den Interessen der deutschen Industrie bestimmt. Viele Forderungen wurden im Vorfeld der Erarbeitung der Strategie vom BDI erhoben und finden sich fast wortgleich in der Rohstoffstrategie der Bundesregierung wieder. Durch diese Ausrichtung der Rohstoffpolitik Deutschlands auf die Liberalisierung von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, werden die Menschenrechte in vielen Regionen der Welt den ökonomischen Forderungen der Industriestaaten untergeordnet.

Ein typisches Beispiel für die bewusste Ausblendung der Folgen deutscher Rohstoffpolitik ist der Abbau von Uran in Niger. Wenn die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zur Herkunft des in deutschen Atomkraftwerken eingesetzten Urans mitteilt, dass „Unter ‚Herkunft‘ des Materials das Land verstanden wird, in welchem der letzte Konversionsschritt bei der Verarbeitung z. B. des Urans durchgeführt worden war“, zeugt das von einer bewussten Ignoranz der Bundesregierung. Allgemein bekannt ist, dass Frankreich mehr als 40 Prozent seines Uranimports aus Niger bezieht. Wenn die Bundesregierung aber mitteilt, Deutschland beziehe sein Uran zu großen Teilen aus europäischen Ländern, ist das die bewusste Unwahrheit, um von den katastrophalen Abbaubedingungen in den Uranminen Nigers abzulenken. Der französische Konzern Areva betreibt Uranminen in Niger. Seit 1968 haben sie mehr als 100 000 Tonnen des Atombrennstoffs in den Minen gefördert. Die Folgen des Uranabbaus in Niger sind Millionen Tonnen radioaktiver Abfälle, schwere Krankheiten, verstrahltes Wasser und ganze Regionen, die radioaktiv verstrahlt sind.

Der Abbau von metallischen und nicht-metallischen Rohstoffen sowie die Förderung von Erdöl- und Erdgas ist in vielen Entwicklungsländern eine der wichtigsten Wirtschaftfaktoren. Häufig führt dieser Rohstoffreichtum dazu, dass für die Interessen der Rohstoffkonzerne, die Armutsbekämpfung auf der Strecke bleibt, das Recht auf Nahrung, Gesundheit und menschenwürdiges Wohnen mit Füßen getreten wird. In den Förderländern leben mehr als die Hälfte der Menschen in äußerster Armut. Gerade in Ländern mit hohen Rohstoffreichtum nehmen Armut, Staatszerfall, Gewalt und Korruption durch die einseitige Umsetzung der Interessen der Rohstoffkonzerne massiv zu. Die Landrechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften werden häufig verletzt. Umweltzerstörungen führen zu einer Verletzung des Rechts auf Gesundheit.

Eine Studie des “Open Society Institute of Southern Africa” kommt zu dem Ergebnis, dass die Abbauländern kaum von dem Preisboom der Rohstoffe zwischen 2003 und 2008 profitiert haben, „weil den Bergbauunternehmen zu viele Steuererleichterungen gewährt werden und viele Unternehmen die Zahlung von Steuern durch geheime Verträge und konzerninterne Gewinnverlagerung umgehen.“ Hierbei nennt die Studie Beispiele aus Ghana, Tansania, Sierra Leone, Sambia, Malawi, Republik Südafrika und der Demokratische Republik Kongo.

Deshalb weist das Global Policy Forum völlig zu Recht darauf hin, dass nur „eine faire und ökologisch tragfähige Rohstoffstrategie die Senkung des Ressourcenverbrauchs, die Achtung und Schutz der Menschenrechte, die Einhaltung der internationalen Umwelt- und Sozialstandards, die zivile Konfliktprävention sowie die Eindämmung der Rohstoffspekulation“ Entwicklung in den rohstoffreichen Ländern ermöglichen und Menschenrechtsverletzungen durch die Unternehmen eindämmen kann.

Der bisherige Entwurf der OECD-Leitlinien bezieht an keiner Stelle die Verantwortung von Geschäftsführern, weder im Völkerrecht noch im nationalen Recht, und weder unter straf- noch unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten“ ein. Das „EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS“ (ECCHR) kritisiert, dass mit der Ausrichtung des Entwurfs der weiteren Untätigkeit der Staaten des globalen Nordens Vorschub geleistet wird.

Dies will die Fraktion DIE LINKE verändern, damit transnationale Unternehmen und deren Verantwortliche in Zukunft auch für ihr Handeln direkt zur Rechenschaft gezogen werden können.

Der Antrag der SPD geht bei einigen Forderungen in die richtige Richtung und fordert teilweise verbindlichere UN-Leitlinien ein. Dennoch fehlen in dem Antrag weitergehende Forderungen, wie die nach einem verpflichtenden Zugang der Opfer zu Beschwerde- und Klagemöglichkeiten und die Möglichkeiten der Betroffenen, Schadensersatzzahlungen von den transnationalen Unternehmen zu erhalten. Aus diesem Grund wird sich die Fraktion DIE LINKE bei diesem Antrag enthalten.