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Intelligente Mobilität - intelligent für die Allgemeinheit oder für die Kassen der Konzerne?

Rede von Sabine Leidig,

Das ist intelligente Mobilität der Zukunft. Wir müssen die sozialen Strukturen ändern. Wir müssen den sozialökologischen Umbau angehen, statt auf Technologien zu setzen, wie sie VW und andere Autokonzerne einsetzen, um noch mehr Abgase in die Luft zu blasen, während sie versuchen, etwas zu retten, was nicht mehr zu retten ist.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sabine Leidig für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Sabine Leidig (DIE LINKE):

Guten Morgen, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Vor ungefähr 14 Tagen konnte man in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Überschrift lesen: „Google warnt vor eigenen Roboterautos“. Eigentlich dachte ich, damit ist das Thema weitgehend vom Tisch. Aber nein, weit gefehlt. Jetzt kommt die Große Koalition mit einem großen Antrag und spricht von intelligenter Mobilität und Digitalisierung. - Aha!

Was steckt eigentlich dahinter? Sie haben es selber gesagt, Frau Bär: Man muss die Idee in die Bevölkerung hineintragen. - Das heißt, von dort kommt sie nicht. Ich kenne keine einzige Bürgerinitiative, keinen Seniorenklub, kein Rathaus, in dem die Leute sagen: Wir brauchen jetzt unbedingt mehr Digitalisierung im Verkehr.

(Beifall der Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE))

Nein, weit gefehlt. Diese Idee kommt von Bitkom, vom Deutschen Verkehrsforum und von den einschlägigen Wirtschaftsunternehmen, die sich von einem solchen Geschäftsfeld neue Profitmöglichkeiten versprechen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir wollen keinen Stillstand!)

Daher kommt auch die Überschrift. Frau Bär, dafür brauchen Sie niemanden zu loben. Sie haben „intelligente Mobilität“ einfach von dem Aktionsplan 

abgeschrieben, den Ihnen die großen Konzerne wie Telekom usw. praktisch in die Feder diktiert haben.

(Beifall bei der LINKEN - Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Das sagt auch die Bundestagsverwaltung auf ihrer Homepage!)

Das kann man natürlich machen. Ich finde aber, das ist falsch;

(Beifall bei der LINKEN)

denn intelligent sind diese Systeme nur für die Kassen der Konzerne, nicht für die Allgemeinheit.

(Maik Beermann (CDU/CSU): Arbeitsplätze!)

Sie wissen ganz genau, dass es 80 Prozent der Bevölkerung als einen Zuwachs von Lebensqualität bezeichnen, wenn es weniger Autos und Verkehr in ihrer Umgebung gibt. Es gibt einen Beschluss des Europäischen Parlamentes, der übrigens im Vorfeld der Klimakonferenz von Paris mit Beteiligung Ihrer Kollegen zustande gekommen ist, in dem eindeutig festgelegt ist: Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, müssen wir Verkehr reduzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Weniger motorisierter Verkehr: Das ist intelligent, modern und zukunftsfähig.

Was Sie hier vorlegen, ist ein Plan für mehr Verkehr auf der Straße. Sie machen das konkret und deutlich: Wenn man diese intelligenten Informationssysteme nutzt, können die Lkws in noch dichterer Folge fahren.

(Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Noch mehr Arbeitsplätze schaffen!)

Noch mehr Autos, die durch automatisierte Systeme an die richtige Stelle geleitet werden, können in den Städten parken. - Ich bitte Sie: Was ist das denn für eine Zukunftsvision?

(Maik Beermann (CDU/CSU): Wir haben wenigstens eine!)

Für mich ist das echt der Horror.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben eine Zukunftsvision, aber die sieht anders aus.

(Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Dampflokomotiven?)

Die sieht nämlich so aus, dass man die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt der Verkehrspolitik stellen muss. Dabei muss man zur Kenntnis nehmen: Drei Viertel der Menschen in Deutschland leben in großen und ganz großen Städten. Von diesen Menschen fahren immer mehr mit dem Fahrrad - sie verhalten sich automatisch intelligent und vernünftig;

(Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Autos fahren genug!)

denn es gibt kein effektiveres Verkehrsmittel in der Stadt -, während die Autos zu über 95 Prozent stehen und eigentlich als Stehzeuge, nicht als Fahrzeuge bezeichnet werden müssen. Das ist überhaupt nicht effizient.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Für diese Gruppe der intelligenten Verkehrsteilnehmer haben Sie in Ihrem intelligenten Mobilitätskonzept kein einziges Wort übrig. Fahrräder kommen da überhaupt nicht vor. Auch Fußgänger kommen überhaupt nicht vor. 

Was ist das denn für eine rückwärtsgerichtete, fossile Denkart? Wir brauchen Parkraumkonzepte für diejenigen, die ihre Kinder und ihre Einkäufe mit dem Fahrrad transportieren. Wo sollen diese denn in Zukunft mit ihren Fahrzeugen bleiben? Darüber haben Sie überhaupt kein Wort verloren.

(Maik Beermann (CDU/CSU): Radwege!)

Sie fabulieren von der fahrerlosen Straßenbahn, von der Vollautomatisierung des öffentlichen Verkehrs. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Die Sicherheit und der Service des öffentlichen Nahverkehrs hängen nicht davon ab, dass noch mehr Kameras und Sensoren eingebaut werden, sondern davon, dass qualifiziertes Personal zur Verfügung steht, dass man Fragen stellen kann, dass es vernünftige und bezahlbare Angebote gibt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist intelligente Mobilität der Zukunft. Wir müssen die sozialen Strukturen ändern. Wir müssen den sozialökologischen Umbau angehen, statt auf Technologien zu setzen, wie sie VW und andere Autokonzerne einsetzen, um noch mehr Abgase in die Luft zu blasen, während sie versuchen, etwas zu retten, was nicht mehr zu retten ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)