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Ingrid Remmers: Autokonzerne verpflichten - Fahrverbote vermeiden

Rede von Ingrid Remmers,

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die heutige Debatte beruht auf dem Betrug der Autoindustrie und dem Versagen der Bundesregierung in gleich zwei Bereichen:

Erstens haben Sie bei der Luftreinhaltung jahrelang blind auf die Versprechen der Autoindustrie gesetzt, dass die neuen Autos schon weniger Schadstoffe ausstoßen werden und Sie so die europäischen Grenzwerte einhalten können. Das ist ein großer Irrtum, der Ihnen nun aber auch schon seit Jahren bekannt ist.

Zweitens haben Sie bei der Aufarbeitung des Abgas­skandals – –

(Unruhe)

– Es ist hier vorne ein bisschen laut.

Danke. – Zweitens haben Sie bei der Aufarbeitung des Abgasskandals auf ganzer Linie versagt.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben mit der Autoindustrie einen schmutzigen Deal gemacht: Die Hersteller haben sich zu einem Softwareupdate mit geringer Wirkung verpflichtet, im Gegenzug verzichtet die Bundesregierung darauf, die Rechtswidrigkeit der Manipulation festzustellen.

Im Ergebnis der Aussitzerei durch die Bundesregierung schichtet sie ein Problem auf das nächste. Die seit 2010 geltenden Grenzwerte werden immer noch nicht eingehalten. Eine Klage der EU-Kommission steht quasi vor der Tür.

Die Gesundheit der Bevölkerung wird weiter hoch belastet. Die betrogenen Dieselbesitzer haben schon jetzt einen erheblichen Wertverlust ihres Autos erlitten und müssen nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch noch befürchten, bald nicht mehr in die Innenstädte fahren zu dürfen. Mit diesem wegen Ihrer Untätigkeit wachsenden Problem verhöhnen Sie die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit unserem Antrag zeigen wir als Linke einen rechtlichen Weg auf, wie Sie den gordischen Knoten Ihres schmutzigen Deals in vernünftiger Weise lösen können.

(Erich Irlstorfer [CDU/CSU]: Bitte ein bisschen sachlicher!)

Das Kraftfahrt-Bundesamt hat mit der europäischen Fahrzeuggenehmigungsverordnung eine Grundlage, die dazu ermächtigt, die Hersteller zu einer Hardwarenachrüstung zu verpflichten. Liegt nämlich ein erhebliches Risiko für die öffentliche Gesundheit vor, ist das KBA sogar befugt, die Typengenehmigung zu widerrufen oder zu entziehen, das heißt das Auto stillzulegen.

Das Umweltbundesamt bestätigt noch einmal das erhebliche Risiko für die öffentliche Gesundheit, unabhängig davon, was hier heute Abend für ein Mist losgelassen wurde. – Entschuldigung!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Na, na, na!)

Es geht in seiner neuesten Studie davon aus, dass in Deutschland 6 000 Menschen aufgrund der Belastung mit Stickoxiden vorzeitig sterben und dass 8 Prozent der bestehenden Diabetes-mellitus-Erkrankungen auf Stickoxide in der Außenluft zurückzuführen sind.

(Oliver Luksic [FDP]: Was?)

Bei Asthmaerkrankungen sind es sogar rund 14 Prozent.

Wie viele Gründe braucht die Bundesregierung denn noch, um die massive Gesundheitsbelastung der Bevölkerung schnellstens zu beenden?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich wollen wir dafür nicht die Fahrzeuge stilllegen, auch wenn das hier heute behauptet wurde. Das käme ja einer Enteignung von Millionen Dieselbesitzern gleich. Wir wollen, dass sie endlich sauber werden.

(Beifall bei der LINKEN)

§ 25 Absatz 2 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung sieht vor, dass das KBA bei fehlender Vorschriftsmäßigkeit von Fahrzeugen im Wege einer Anordnung nachträglich Nebenbestimmungen erlassen kann, um die Vorschriftsmäßigkeit wiederherzustellen. Aus unserer Sicht muss als Nebenbestimmung die Hardwarenachrüstung der Fahrzeuge gefordert werden. Das wäre gerecht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt also im bestehenden Recht eine Grundlage dafür, die Autoindustrie zu verpflichten, ihre Fahrzeuge wirklich wirksam nachzurüsten. Auch die Gelder dafür sind aufseiten der Industrie vorhanden. BMW, Daimler und VW haben allein im vergangenen Jahr nach Steuern über 30 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Was fehlt, ist der politische Wille der Bundesregierung, endlich zu handeln. Andernfalls wird Deutschland wohl schon in der nächsten Woche von der EU-Kommission wegen der Nichteinhaltung der Grenzwerte teuer verklagt – und das völlig zu Recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt also eine geeignete Maßnahme, es gibt eine Rechtsgrundlage zur Anordnung dieser Maßnahme, und es gibt eine ausreichende Finanzierungsgrundlage der Autoindustrie. Was noch fehlt, ist die im Gesetz vorgesehene Strafe für die Autoindustrie. Darüber sprechen wir ein anderes Mal.

Ja. – Frau Bundeskanzlerin, Herr Verkehrsminister, Frau Umweltministerin, wir haben Ihnen hiermit den Rechtsweg aufgezeigt. Handeln Sie endlich!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)