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Ich wiederhole mich gerne: Gute Pflege ist ein Menschenrecht!

Rede von Pia Zimmermann,

Herr Präsident!

Meine Damen und Herren!

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff soll nun Wirklichkeit werden. Ja, durch die Reform des Begutachtungsverfahrens werden nun endlich auch Menschen mit einbezogen, die bisher keinen oder nur unzureichenden Anspruch auf Pflegeleistungen hatten. Das betrifft in besonderem Maße ‑ Herr Gröhe, Sie haben es genannt ‑ Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Dass sich damit der Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich erweitert, ist sehr zu begrüßen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was auch wichtig ist: Dieser längst überfällige Schritt ist dem jahrelangen gesellschaftlichen Druck auf die verschiedenen Regierungen zu verdanken. Sie geben diesem Druck nun nach, aber nur so weit, dass es nicht wehtut und nicht so viel kostet. Meine Damen und Herren, anstatt die Pflegeversicherung endlich auf eine solide finanzielle Basis zu stellen, setzen Sie von Union und SPD auf Ihre altbewährte Strategie der Konzeptlosigkeit und vergessen die Pflegerealität, nämlich dass pflegende Angehörige am Limit sind, nicht nur körperlich, sondern auch finanziell; denn Pflege in Deutschland macht arm. Das hat nicht zuletzt die Antwort auf unsere Kleine Anfrage an die Bundesregierung bestätigt.

Das Personal in der Pflege leistet sehr gute Arbeit, und das, obwohl die Personalsituation im Grenzbereich ist; denn die Personaldecke in der Pflege ist viel zu dünn. Gut ausgebildete Fachkräfte verlassen ihren Beruf schon nach wenigen Jahren, weil der Dauerstress nicht länger zu ertragen ist, die Löhne nicht ansatzweise eine angemessene Anerkennung der täglichen Leistung spiegeln und auch, weil sie ein anderes Verständnis von ihrem Beruf haben. Die zunehmende Auslagerung von Tätigkeiten an Betreuungskräfte ist für die Arbeitgeber billiger. Die Pflege wird somit aber aufgespalten. Für viele Pflegekräfte führt das zu Frust. Sie haben ein ganzheitliches Verständnis von Pflege.

(Mechthild Rawert (SPD): Wir auch!)

Nicht zuletzt die Teilleistungsversicherung in der Pflege bleibt ungerecht. Menschen mit Pflegedarf können nicht selbstbestimmt entscheiden ‑ Ihr Gesetz ändert daran gar nichts, Herr Gröhe ‑, wo und von wem sie gepflegt werden wollen; das können Menschen mit Pflegebedarf heute, aber auch nach Ihrem Gesetz nicht entscheiden. Ganz im Gegenteil: Ihr Gesetz zwingt die Menschen in den unteren Pflegegraden gerade dazu, von Angehörigen gepflegt zu werden, und das, ohne dass Sie die Rahmenbedingungen dafür verbessern. Ganz im Gegenteil: In den unteren Pflegegraden werden mal eben ‑ hopplahopp - mehrere 100 Euro gestrichen. Sie können sich darauf verlassen: Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der LINKEN - Mechthild Rawert (SPD): Wir werden Thüringen sehr genau beobachten!)

Ihre Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffes reicht einfach nicht aus. Was die Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, und diejenigen, die pflegen, brauchen, ist ein neuer Pflegebegriff, der auch mit Leben erfüllt wird und nicht als leere Luftblase daherkommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es geht nicht nur darum, ab wann und in welchem Grad ein Mensch auf Pflege und Unterstützung angewiesen ist, sondern auch darum, wie diese Pflege und Unterstützung gestaltet und geleistet wird. Es reicht nicht, das Begutachtungsverfahren zu verbessern, wenn die Leistungen dahinter nicht qualitativ weiterentwickelt und auf die Bedürfnisse der Menschen mit Pflegebedarf und die ihrer Angehörigen ausgerichtet werden.

(Dr. Roy Kühne (CDU/CSU): Das machen wir doch mit dem Gesetz! Das können Sie doch auch mal sagen!)

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass ein neues Verständnis von Pflege auch zu einem veränderten Pflegeprozess führen muss.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Mechthild Rawert (SPD): Genau! Deswegen haben wir so viel gearbeitet in der Vergangenheit!)

Das heißt, Mechthild Rawert, Teilhabe sichernde Pflege braucht Zeit und qualifiziertes Personal. Es muss ebenso das Ziel sein, die Menschen dabei zu unterstützen, den Alltag weitestgehend alleine zu meistern. Daher fordern wir gemeinsam mit Gewerkschaften und Sozialverbänden schon lange eine verbindliche Personalbemessung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung hat diesem Druck jetzt nachgegeben und will bis 2020 ein Personalbemessungsinstrument entwickeln. Aber das ist nur ein ganz kleiner Schritt ‑ zwar in die richtige Richtung, aber nur ein kleiner Schritt ‑; denn das Personal wird jetzt gebraucht. Kurzfristige Maßnahmen fehlen in Ihrem Gesetz völlig. Stattdessen parken Sie Geld, das jetzt so dringend benötigt wird, in einem Pflegefonds. Ihr Gesetz führt zu einer weiteren Arbeitsverdichtung für die Pflegekräfte und gefährdet die Pflegequalität noch weiter.

(Heike Baehrens (SPD): Ganz falsch!)

Ich wiederhole mich gerne, meine Damen und Herren: Gute Pflege ist ein Menschenrecht.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Zugang zu einer qualitativ hochwertigen und umfassenden pflegerischen Versorgung darf nicht Kostenkalkülen untergeordnet werden. Es liegt in der gesellschaftlichen Verantwortung, Bedingungen zu schaffen, damit dieses Menschenrecht auch verwirklicht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke versteht unter gesellschaftlicher Verantwortung Solidarität.

Ich komme zum Schluss. ‑ Um grundsätzlich ein neues Pflegeverständnis und eine bedarfsdeckende pflegerische Versorgung nachhaltig zu sichern, ist ein Systemwechsel in der Finanzierung erforderlich. Eine solche solidarische Pflegeversicherung schafft den notwendigen finanziellen Spielraum für eine gute Pflege und für gute Arbeitsbedingungen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)