Nur mit hohen Qualitätsstandards kann Deutschland international wettbewerbsfähig bleiben. Dies gilt auch in der Schweinehaltung.“ Rede von Kirsten Tackmann zum Antrag der FDP-Fraktion „Keine Wettbewerbsverzerrungen für Landwirte durch die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Haltung von Nutztieren in nationales Recht“
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste und Besucher! Es ist schon erstaunlich, welche Konjunktur die Schweine in diesen Tagen in der Öffentlichkeit haben. Das Schwein ist politisch gesehen sozusagen in aller Munde. (Heiterkeit bei der LINKEN und der CDU/CSU) Jetzt geht es also um das Schwein an sich und um einen Verordnungsentwurf, den das Bündnis Tierschutz den Schweinekompromiss nennt und der ein weiteres Beispiel dafür ist, wie im Bund-Länder-Kompetenzgerangel und politischen Profilierungsdschungel manch wichtiges Anliegen auf der Strecke bleibt. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP) Es geht in der Bundesrepublik immerhin um knapp 27 Millionen Schweine in etwa 90 000 Beständen. Das heißt, hier geht es unbestritten auch um wirtschaftliche Existenzen. Die von der FDP als letztes Wort beschworene EU-Richtlinie sollte bis 2003 in nationales Recht umgesetzt sein und sieht bereits in zwei Jahren ohnehin eine Revision vor. Angesichts dieser Situation greift nun die FDP in ihr Antragsarchiv 2002 und fordert erneut eine Eins-zu-eins-Umsetzung mit dem Argument der Wettbewerbsverzerrung. Nun haben solche Argumente ja im Moment Hochkonjunktur. Standardabbau wird, neben Bürokratieabbau, zum Generalschlüssel erklärt. Natürlich kann jeder von uns treffliche Beispiele als Beleg dafür nennen. Aber auf einen merkwürdigen Umstand wurden wir neulich bei einer Anhörung unserer Fraktion zum Koalitionsvertrag hingewiesen: In der EU hat man sich sehr schnell auf so absonderliche Standards wie die Krümmung der Banane oder die Länge der Gurke einigen können; nur bei gesellschaftlich wichtigen Standards wie Sozial-, Umwelt-, Steuer- oder Tierschutzstandards versagt der politische Wille zur Einigung oft sehr jäh. Aber davon abgesehen: Es muss doch die so liebevoll gepflegten politischen Vorurteile mächtig ins Wanken bringen, wenn jetzt ausgerechnet die Fraktion Die Linke die FDP in diesem Hohen Haus daran erinnern muss, dass in der vorneoliberalen Zeit gerade die hohen Standards den Wirtschaftsstandort Deutschland international konkurrenzfähig gemacht haben. Hohe Löhne können wir nur mit hohen Qualitätsstandards sichern. (Hans-Michael Goldmann (FDP): Aber das kann doch jeder Schweinehalter machen! Das hindert einen Schweinehalter doch gar nicht daran! Es ist die Frage, was die gesetzliche Grundlage ist; das wissen Sie doch!) - Gemach, gemach. Das hat man mir in der vergangenen Woche in Neuruppin in einem mittelständischen Unternehmen, das Feuerlöscher herstellt, erklärt. Diese hohen Qualitätsstandards solle ihnen die Politik unbedingt erhalten. (Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch meine Rede seit 1999!) Das sei erfolgreiche Mittelstandpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber gut. Fragen wir konkret, welche Regelungen denn in dem vorliegenden Entwurf der Schweinehaltungsverordnung den Wettbewerb verzerren könnten. Der Entwurf orientiert sich sehr stark an dem Arbeitsstand im Dezember 2004 und tritt damit gleichzeitig wieder zwei Schritte hinter bereits Erreichtes zurück. An folgenden zweieinhalb Punkten geht der Entwurf der Verordnung in der Tat über Angaben in der EU-Richtlinie hinaus: Er genehmigt den Schweinen 3 Prozent Fensterfläche, bei bestimmten Stalltypen 1,5 Prozent. Das sind 60 bis 80 Lux Tageslicht - welch ein Luxus! - statt 40 Lux Kunstlicht in der EU-Richtlinie. Zum Vergleich: Selbst ein trüber Dezembertag bringt 3 000 Lux. Zweitens sollen jedem Mastschwein mit 0,75 Quadratmetern 0,1 Quadratmeter mehr Fläche als in der EU-Richtlinie zugestanden werden. (Hans-Michael Goldmann (FDP): Das kann doch jeder Halter machen!) Außerdem werden fünf Kategorien aufgestellt, die die EU-Richtlinie nicht enthält, wobei der Sinn von drei dieser Kategorien kaum bestritten wird. Und das soll den Wettbewerb tief greifend verzerren? Wagen wir einmal einen Blick über den Tellerrand: Auch ein Land wie Dänemark, das mit 85 bis 90 Prozent Schweinefleischexport auf den internationalen Märkten sehr erfolgreich ist leider ohne ein Musterland in Sachen Tierschutz zu sein , spendiert seinen Sauen eine größere Fläche, als in der EU-Richtlinie vorgesehen. (Hans-Michael Goldmann (FDP): Ein ganz schlechtes Beispiel!) In den Niederlanden trifft das auf Ferkel und Mastschweine zu. Gönnen wir also den Schweinen etwas mehr als das EU-Minimum! Standarddumping würde die Marktchancen unserer Landwirtschaft nur schwächen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wilhelm Priesmeier von der SPD-Fraktion. Dateiende
Höherer Standard in der Schweinehaltung ist kein Wettbewerbsnachteil!
Rede
von
Kirsten Tackmann,