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Höchste Zeit für einen Systemwechsel in der Wissenschaft

Rede von Nicole Gohlke,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt mittlerweile leider viele Branchen mit schlechten Arbeitsbedingungen, und leider ist auch der Wissenschaftsbetrieb – unsere Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen – überwiegend zu so einer Branche geworden. Zehntausende Beschäftigte in der Wissenschaft sorgen jeden Tag dafür, dass an unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen gelehrt, gelernt und geforscht werden kann. Aber viele von ihnen tun das eben unter äußerst prekären Bedingungen. Sie arbeiten unfreiwillig auf halben Stellen oder sogar auf Viertelstellen, und 80 Prozent von ihnen sind nur befristet beschäftigt. Sie nehmen unbezahlte Überstunden in Kauf. Sie wissen nicht, ob sie ihre wissenschaftlichen Projekte unter diesen Bedingungen überhaupt fertigbekommen. Sie haben wegen der befristeten Arbeitsverträge oft Probleme, Mietverträge zu kriegen, und sie verschieben die Familienplanung oder verzichten sogar ganz auf Kinder.

Schuld daran ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, ein Gesetz, das so sperrig und schlecht ist wie sein Name und das jetzt seit 15 Jahren ausufernde Befristungen, Kettenverträge und – kurz gesagt – Ausbeutung zulässt. Es lässt Ausbeutung zu! Kolleginnen und Kollegen, es ist höchste Zeit für einen Systemwechsel in der Wissenschaft, und das bringt Die Linke heute ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Als die damalige Große Koalition 2007 das Gesetz verabschiedet hat, hieß es, das Gesetz werde Befristungen eindämmen. Also, ich muss schon sagen: Das ist wirklich gründlich in die Hose gegangen. Und genau das haben wir Ihnen von diesem Redepult aus prognostiziert; aber leider waren wie so oft die Beharrungskräfte, ein schlechtes Gesetz nicht zu reformieren, ziemlich groß.

2016 hat wieder eine Große Koalition das Gesetz nach großem Druck vor allem aus den Gewerkschaften überarbeitet, aber so wenig ambitioniert und auch so halbseiden, dass sich, wie wir damals wieder von diesem Redepult aus angemahnt hatten, kaum was an der Situation geändert hat.

2021 dann die #IchbinHanna-Bewegung – eine Protestbewegung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Netz. Und danach viele Versprechungen von quasi allen Parteien, allen voran den Parteien der jetzigen Ampelkoalition, dass jetzt endlich gehandelt wird.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Herr Sattelberger hat hier sehr gerne geredet!)

Jetzt ist die Ampel schon über ein Jahr im Amt, und passiert ist nichts. Kolleginnen und Kollegen, das geht auf Kosten der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das geht aber auch auf Kosten der Attraktivität des Wissenschaftssystems und auf Kosten von Qualität in Forschung und Lehre. Und das können wir uns nicht mehr länger erlauben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke hat Eckpunkte vorgelegt, wie gute Arbeit in der Wissenschaft zum Prinzip werden kann. Befristet werden darf nur, wenn es sich um eine wissenschaftliche Qualifizierung handelt, also um eine Promotion. Ansonsten gilt das Prinzip: Dauerstellen für Daueraufgaben. Es braucht neue, dauerhafte Stellen neben der Professur.

(Beifall bei der LINKEN)

Es braucht außerdem vertragliche Mindestlaufzeiten, und zwar so lange, wie ein wissenschaftliches Projekt eben dauert, nicht kürzer als zwei Jahre und für eine Promotion sechs Jahre. Und natürlich müssen Gewerkschaften in die Lage versetzt werden, mit den Hochschulen Tarifverträge abzuschließen. Die Tarifsperre muss weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Kolleginnen und Kollegen, ein Sonderarbeitsrecht in der Wissenschaft ist nur dann akzeptabel, wenn es für gute Arbeit sorgt. Handeln Sie entsprechend!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)