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Hinter Röslers scheinbaren Erfolgsbilanz verbirgt sich die brutale Realität von schlechter Arbeit und von Lohnkürzungen

Rede von Michael Schlecht,

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rösler, hinter Ihrer scheinbaren Erfolgsbilanz verbirgt sich die brutale Realität von schlechter Arbeit und von Lohnkürzungen.
Seit dem Jahr 2000 sind rund 2,3 Millionen Vollzeitarbeitsplätze vernichtet worden.

Gleichzeitig sind etwas mehr als 4 Millionen „bad jobs“, schlechte Arbeitsplätze, entstanden.

Es kam zu einer massiven Ausweitung von Teilzeitarbeit und geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen in Gestalt von Minijobs und Leiharbeit. Außerdem müssen mittlerweile viel zu viele Menschen diese schlechten Jobs auch noch befristet machen. Dadurch ist die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften geschwächt worden. Das Resultat: Seit 2000 kam es in Deutschland zu Lohnkürzungen um 4,5 Prozent. Das ist wirklich ein ungeheuerlicher Skandal.
Dass Sie angesichts dessen ein so buntes Bild von den Perspektiven malen, ist wirklich abenteuerlich.

Positive Perspektiven sind lediglich für Kapitalbesitzer und Unternehmer festzumachen. Die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und aus Vermögen sind seit dem Jahr 2000 um mehr als 30 Prozent gestiegen. Anscheinend sind Sie nur der Wirtschaftsminister für diese Menschen, aber nicht für die breite Masse der Bevölkerung. Das ist wirklich unglaublich.
Nicht nur in dieser Hinsicht ist Ihre Wirtschaftspolitik für die breite Masse der Bevölkerung ein Desaster, sondern auch was die europäische Wirtschaftspolitik betrifft. Wir erleben seit zwei Jahren, dass Sie eine geradezu blutrünstige Kürzungspolitik
und eine Austeritätspolitik nach Europa tragen. Diese Kürzungspolitik führt ins Desaster.

Die Völker Europas stehen gegen diese Politik auf. Das haben insbesondere die Wahlergebnisse vom letzten Sonntag in Griechenland und in Frankreich gezeigt.
In Griechenland, wo diese Politik die breitesten Blutspuren hinterlassen hat, wird sie jetzt Gott sei Dank beendet, weil unsere griechische Schwesterpartei, die Linke in Griechenland, bei der Wahl zweitstärkste Partei geworden ist und kein Weg mehr an ihr vorbeiführt. Die Linke in Griechenland wird dafür sorgen, dass diese absolut brutale und menschenverachtende Politik beendet wird. Wir unterstützen, dass dieser Kurs durchgezogen wird.
Wir brauchen in Europa keinen Fiskalpakt. Wir brauchen keine weiteren Austeritätsprogramme für andere Länder. Wir brauchen keinen weiteren Export der Agenda 2010. Es reicht, dass die Menschen hierzulande darunter leiden; auch dieser Zustand wird beendet werden. Was wir brauchen, ist ein Wachstumspakt für Europa. Er wird mittlerweile auch gefordert. Auf Ihrer Seite gibt es bereits erste Absetzbewegungen, auch von Kanzlerin Merkel. Es besteht inzwischen die Bereitschaft, auf bestimmte Forderungen einzugehen. Man wird sehen, inwieweit das überhaupt geht. Wir, die Linke, fordern einen europäischen Wachstumspakt in der Größenordnung von 360 Milliarden Euro,
um diesen Kontinent wieder nach vorne zu bringen. Dieser Wachstumspakt soll aber nicht schuldenfinanziert sein; das ist ja Ihr Einwand. Unsere Schuldenbremse heißt Millionärs- und Milliardärsbesteuerung.

Wenn wir in Europa eine konsequente Besteuerung von Millionären und Milliardären durchführen,dann können wir derartige Programme problemlos finanzieren, und dann haben wir auch die Möglichkeit, die Verschuldung in Europa und in Deutschland, die natürlich auch viel zu hoch ist, abzubauen. Deswegen treten wir klar für diese Orientierung ein. Wie gesagt: Unsere Perspektive heißt „Millionärsbesteuerung“.

Letzter Punkt. Über einen Wachstumspakt in Europa und auch in Deutschland hinaus brauchen wir knackige Lohnerhöhungen. Es gibt sogar einzelne Vertreter Ihrer Regierung, die in den Erkenntnisprozessen mittlerweile - man hat den Eindruck - nicht mehr so resistent sind wie Sie. Der Finanzminister Schäuble zum Beispiel hat jetzt immerhin gesagt, er unterstütze die Lohnforderungen der IG Metall, was er ausdrücklich damit begründet hat, dass damit ein Beitrag zum Abbau von Außenhandelsungleichgewichten in Europa geleistet werden soll. Das ist wirklich lobenswert.
Das Problem ist nur: Wenn er wirklich konsequent wäre, dann müsste er auch unverzüglich dafür eintreten, die gesamten Prekarisierungen, die durch die Agenda 2010 hervorgerufen worden sind, zu beseitigen, weil vor allen Dingen durch diese Prekarisierungen der entscheidende Beitrag dazu geleistet worden ist, in Deutschland zu einem atemberaubenden Lohndumping - die 4,5 Prozent habe ich eingangs geschildert - zu kommen. Dies muss umgedreht werden, dies ist sozial ungerecht, und dies vor allen Dingen die entscheidende Ursache dafür, dass wir in Europa dieses dramatische Leistungsbilanzungleichgewicht haben.
Danke schön.