Zum Hauptinhalt springen

Herbert Behrens: Ein Gesetz für die Autoindustrie und Datensammler

Rede von Herbert Behrens,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verkehrsminister hat noch einmal deutlich gemacht, worum es hier eigentlich geht: Es geht nicht darum, eine moderne Mobilität, eine moderne Verkehrspolitik auf den Weg zu bringen, sondern es geht darum, ein neues Geschäftsfeld für die Automobilindustrie in Deutschland zu entwickeln. Das passt nun wirklich nicht zusammen. Denn wir müssen darüber nachdenken, wie wir ein sicheres Verkehrssystem schaffen, und zwar für die Leute, die hinter dem Lenkrad sitzen oder künftig sozusagen nicht mehr hinter dem Lenkrad sitzen sollen, und für die, die sich auf der Straße bewegen. Sicherheit ist doch das oberste Ziel, das wir in der Verkehrspolitik anstreben müssen. Dazu steht in diesem Gesetzentwurf überhaupt nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Gegenteil: Hier wird suggeriert, dass wir diesen Schritt nur zwangsläufig machen, um die neuen Technologien, die es in den Autos gibt, in der Gesetzgebung nachzuvollziehen. Ich habe den Eindruck, dass die Autofahrerinnen und Autofahrer hier zu Versuchskaninchen gemacht werden und Folgendes herausfinden sollen: Was geht im Straßenverkehr mit dem Auto? Wann muss der Autofahrer übernehmen? Wann schaltet sich die Technik aus? Dann wird festgestellt, ob es funktioniert oder nicht funktioniert. Das ist keine vorausschauende Politik, wie wir sie machen müssen. Wir müssen uns das Ganze grundsätzlich anschauen, dann entscheiden, was wir wollen, und dann ein Gesetz auf den Weg bringen, das Rechtssicherheit schafft. Sie haben das Ganze von den Füßen auf den Kopf gestellt, und das geht bei diesem Thema überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben die scharfe Kritik des Bundesrats zwar offenkundig wahrgenommen, aber nicht ernst genommen. In der Stellungnahme des Bundesrates steht beispielsweise, dass die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher weitgehend unberücksichtigt bleiben. Dort steht auch, dass klare Regelungen fehlen, die verlässliche Bedingungen schaffen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat festgestellt, dass es aus verbraucherschutzrechtlicher Sicht hoch riskant ist, was Sie bei der Haftung geregelt haben. Es wird immer wieder darauf hingewiesen: Der Fahrzeughalter, der Fahrzeugführer muss doch wissen, wofür er haftet. – Das kann nicht erst dann geklärt werden, wenn ein Unfall geschehen ist. Das muss von vornherein klar sein, und das ist es eben nicht.

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat deutlich darauf hingewiesen und versucht, zu erreichen, dass die Regelungen präzisiert werden. Wenn es denn bei diesem Gesetzentwurf bleibt, dann sollte man doch zumindest eine Regelung einführen, die besagt, dass der Fahrzeugführer bzw. der Fahrzeughalter festlegt, was gespeichert wird und was nicht, dass Daten, die erfasst werden, nur dann genutzt werden dürfen, wenn ein Auto in einen Unfall mit Personen- oder Sachschaden verwickelt worden ist. Erst dann ist es doch erforderlich, festzustellen, wer das Auto zu dem Zeitpunkt geführt hat, ob es der Computer oder der Autofahrer, die Autofahrerin gewesen ist. Dieses Problem wird zwar wahrgenommen, aber nicht ernst genommen. Das ist angesichts dieses wichtigen Themas, das hier auf der Tagesordnung steht, viel zu wenig. Darum ist dieses Gesetz überhaupt nicht zukunftstauglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben versucht, die Bedenken und die Hinweise der Datenschutzbeauftragten im Gesetzentwurf unterzubringen. Darum haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, in dem wir ganz klar das übernehmen, was die Datenschutzbeauftragte gesagt hat. Damit präzisieren wir: Wann ist der Halter verantwortlich? Wann ist der Fahrer verantwortlich? Wann ist der Computer verantwortlich? Wir haben weiterhin gesagt, dass Daten nur erhoben und gespeichert werden dürfen, wenn es wirklich um die Aufklärung eines Unfalls geht – nicht darüber hinaus.

Es gibt einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, der aufgenommen worden ist. Darin heißt es zwar: „Die Speicherzeit der Daten von drei Jahren ist nicht sinnvoll, wir reduzieren sie daher auf sechs Monate“, aber all diese Daten werden erhoben, über ein Navigationssystem abgesaugt und an anderer Stelle gespeichert, ohne dass die Fahrerin oder der Fahrer genau weiß, was dort über ihn und seine Fahrweise gesammelt worden ist. Diese Art der Gesetzgebung in diesem wichtigen Feld, auf dem es wirklich um zukunftsweisende Fragen geht, können wir so nicht akzeptieren. Da können wir nicht mitmachen.

Die Ethikkommission – Sie haben es gesagt – ist von Ihnen eingesetzt worden, und sie hat ihre Arbeit aufgenommen. Aber an den Ergebnissen sind Sie offenbar nicht interessiert. Im Juni erst wird diese Kommission ihre Arbeit beenden und wird Handlungsempfehlungen geben; das hoffe ich zumindest. Diese hätten doch abgewartet werden müssen, um festzustellen: An welchen Stellen besteht eigentlich Regelungsbedarf? Was haben wir möglicherweise bei der Gesetzgebung nicht gesehen?

Insofern bleibt es dabei: Dieser Gesetzentwurf ist zu diesem Zeitpunkt völlig falsch. Damit werden völlig falsche Signale gesendet, weil die grundlegende Frage: „Wer soll künftig auf der Straße das Sagen haben – der Computer oder der Autofahrer?“, vorher geklärt sein muss – nicht erst dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

(Beifall bei der LINKEN)