Zum Hauptinhalt springen

Herbert Behrens: Dobrindt ist der Meister Alternativer Fakten

Rede von Herbert Behrens,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem vom Verkehrsminister vorgetragenen Unsinn kommt mir sofort die US-Administration in den Sinn.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Dort haben sich viele darüber aufgeregt, dass Trump immer dann, wenn er mit unbestreitbaren Tatsachen Schwierigkeiten hat, auf „alternative Fakten“ ausgewichen ist.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das macht Putin ja überhaupt nicht! Schon gar nicht Russia Today! Das ist die Wahrheit, die reine Wahrheit! Russia Today!)

Nun muss ich mich fragen, ob möglicherweise Geld geflossen ist. Egal ob das Konzept vom amerikanischen Präsidenten übernommen worden ist oder ob man dort ein Nutzungsrecht erworben hat: Hier sitzt der Meister der alternativen Fakten als Verkehrsminister auf der Kabinettsbank. Das ist doch keine Basis für eine Verkehrspolitik, die wir brauchen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit alternativen Fakten war er doch schon 2013 unterwegs, als er mit der steilen These, Gratisfahren von Ausländern auf deutschen Straßen beenden zu wollen, quasi aus einem Paralleluniversum berichtet hat. Und warum? Allein die Einnahmen aus der Energiesteuer, die Ausländer zu zahlen haben, wenn sie auf deutschen Autobahnen unterwegs sind, übersteigen bei weitem das, was die Einführung der Infrastrukturabgabe kostet, und zwar sogar um das Doppelte. Diese Angaben stammen vom ADAC.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wieso schreien Sie denn so?)

– Weil es mich aufregt, was hier gerade passiert: Weil hier mit unsinnigen Argumenten immer wieder auf falsche Fakten verwiesen wird und nicht zur Kenntnis genommen wird, dass von Experten, aber auch aus unseren Reihen vernünftige Vorschläge gemacht worden sind.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Ausländermaut ist nicht europarechtskonform, wurde uns von Experten gesagt. Weiterhin gibt es hier die These von Herrn Dobrindt, sie sei es.

(Alexander Dobrindt, Bundesminister: Von der EU-Kommission!)

Ich weiß nicht, wie die Abstimmung mit der Europäischen Kommission verlaufen ist, und kann nicht feststellen, wie man dieses Unwerk tatsächlich europarechtskonform machen könnte. Die Frage der Europarechtskonformität ist in der EU-Kommission auf größte Zweifel gestoßen.

Es ist doch nach wie vor so: Wenn nur die Ausländer auf deutschen Autobahnen zahlen müssen, dann ist das eine einseitige Diskriminierung von ausländischen Autofahrern auf deutschen Straßen. Zwar mag es an anderer Stelle eine Entlastung geben, aber es ist kein Ausdruck von Europarechtskonformität, wenn diese Entlastung die Belastung auf der anderen Seite sogar noch übersteigt.

Das zweite alternative Faktum: Die Ausländermaut wird zu Mehreinnahmen führen. Auch da haben die Experten in den Sachverständigenanhörungen bereits darauf hingewiesen, dass das nicht zutrifft. Und was machen Sie, Herr Dobrindt? Sie verschieben die Parameter so lange hin und her, bis zumindest eine kleine schwarze Null dabei herauskommt, damit man irgendwie begründen kann, warum es diese Maut überhaupt geben kann, die angeblich etwas einbringt und nichts kostet.

Ihre Berechnung, Herr Dobrindt, steht auf ausgesprochen tönernen Füßen. Das weiß inzwischen auch der Bundesrat, der sich heute ebenfalls mit diesem zweifelhaften Projekt auseinandersetzen muss.

Man könnte zwar meinen, das Ganze sei ein Treppenwitz und wir können darüber Späße machen. Doch das ist nicht so. Im Gegenteil: Die Maut hat sich zu einem ernsthaften Problem in ganz Europa entwickelt.

Wir haben doch feststellen können, was in Österreich passiert. Österreich begnügt sich nicht nur mit der „Mautmaulerei“, wie Sie, Herr Dobrindt, diese Kritik gerne abschätzig bezeichnen. Nein, die Regierung in Wien hat einen sogenannten Beschäftigungsbonus beschlossen, der die Einstellung von Inländern finanziell fördern soll. Dadurch wird Menschen aus Deutschland und anderen europäischen Staaten der Eintritt in den Arbeitsmarkt der Alpenrepublik schwerer gemacht.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Den wir zahlen dürfen!)

Das ist die schlimmste Konsequenz der Maut à la Dobrindt. Mir wird angst und bange, wenn ich daran denke, auf welche Ideen die Regierungen in Warschau und Bukarest kommen können.

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Diese von der EU gebilligte und als Vignette daherkommende Diskriminierung von Ausländern ist eine Steilvorlage für Rechtspopulisten in ganz Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie werden ihre reaktionären Forderungen mit Verweis auf die deutsche Maut mit noch mehr Nachdruck vortragen können. Jeder von uns sollte begriffen haben, dass man den Rechtspopulisten und Nationalisten den Wind nicht dadurch aus den Segeln nimmt, dass man ihre Forderungen bzw. Programme umsetzt.

(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie reden einen Quatsch!)

Ich hoffe sehr, dass die Abgeordneten der SPD, die jetzt zumindest einen selbsternannten überzeugten Europäer als Kanzlerkandidaten auserkoren hat, nicht länger den alternativen Fakten des Herrn Dobrindt auf den Leim gehen. Setzen Sie sich gemeinsam mit den Linken und den Grünen für einen echten Wechsel ein! Setzen Sie dem rechten Spuk der CSU endlich ein Ende!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was war das denn jetzt?)