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Her mit der Hälfte!

Rede von Cornelia Möhring,

Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Buschmann, ehrlich gestanden: Natürlich kann man das in der Zeitung nachlesen; da haben Sie durchaus recht. Aber nicht alles, was in der Zeitung steht, stimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Marco Buschmann (FDP): Aha! - Otto Fricke (FDP): Aha, die Zeitung lügt! - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt wissen wir zumindest, was die FDP denkt!)

Man sollte sich schon ein bisschen intensiver mit dem Thema befassen. Aber ich möchte Sie an dieser Stelle ehrlich gestanden gar nicht stärker aufwerten.

Ich freue mich darüber, dass trotz der besinnlichen Adventszeit dieses Thema hier so gar nicht besinnlich diskutiert wird; denn es ist höchste Zeit, es einmal vehementer zur Sprache zu bringen. Das Einzige, was es vielleicht mit besinnlicher Zeit zu tun haben könnte, wäre, dass wir hier alle Jahre wieder das gleiche Lied von der Bundesregierung hören und nur noch den Text umdichten müssen, ohne dass davon die Koalition oder die Bundesregierung irgendwie bewegt würden.

Wir blicken jetzt - deswegen denke ich, dass wir mittlerweile auf einem Irrweg sind - auf neun Jahre freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zurück. Wie lange wollen Sie denn noch auf Selbstverpflichtung setzen?
(Beifall bei der LINKEN)

Es hat sich seitdem wirklich nichts Wesentliches getan. Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der gleichstellungspolitischen Schlusslichter in der EU. Vielleicht ist das ja der Grund, warum Frau Schröder nicht einmal mehr zu dieser Debatte erscheint.

(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht ist sie schon zurückgetreten! - Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die ist leider beratungsresistent!)

Vielleicht empfindet sie an dieser Stelle ja doch einen Anflug von Peinlichkeit.
(Beifall bei der LINKEN)

Dabei gibt es doch viele gute Gründe, Frauen stärker an Entscheidungsprozessen in Wirtschaft und Politik zu beteiligen:
Erstens ist es schlicht undemokratisch und steht im Widerspruch zum Grundgesetz und zu den Vorgaben der EU.

Zweitens ist es eine fragwürdige Verschwendung des Wissens und der Kompetenzen der Mehrheit der Bevölkerung.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Drittens - auch das ist nicht unwichtig - ist es ökonomisch schlicht und ergreifend kontraproduktiv. Auch das belegen im Übrigen diverse internationale Studien, dass Unternehmen wirtschaftlich umso erfolgreicher sind, je mehr Frauen in den Führungspositionen vertreten sind.

Es gibt noch mehr Gründe; aber ich finde, diese drei Gründe reichen doch schon aus, um deutlich feststellen zu können: Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung dieses Thema immer weiter verschleppt und nicht bereit ist, hier etwas zu tun.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Caren Marks (SPD): Und die Ministerin ist noch nicht mal da!)

Nun ist zwar - auch das wurde schon gesagt - in diesem Jahr ein bisschen Bewegung in diese Debatte gekommen. Der Personalchef der Telekom fordert von der Politik, endlich verbindliche Vorgaben zu machen. Die Justizminister und ministerinnen der Länder wollen wenigstens eine gesetzliche Regelung für mehr Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen positiv prüfen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schlägt eine stufenweise Anhebung der Quote von Frauen in Vorständen auf 40 Prozent vor.

Nur eine Instanz setzt weiterhin stur und beharrlich auf die Selbstregulierung der Wirtschaft: Das ist die Bundesregierung und ihnen allen voran wenn sie denn da ist die Bundesfrauenministerin.

Da stellt sich doch wirklich die Frage: Woran liegt das denn eigentlich? Dass sie die soziale Lage der Mehrheit der Frauen nicht interessiert, das wissen wir bereits. Das ist auch nicht ihre bevorzugte Klientel. Ich freue mich darüber, dass auch einige Frauen in der Union sich jetzt bewegen und sich um Frauen in Führungspositionen kümmern.

Aber warum wollen sie eigentlich den Status quo erhalten? Mir schießt die Frage durch den Kopf, ob sich vielleicht die Männer in der Union und in der FDP davor fürchten, dass die Quote auch in der Politik folgt. 22 Prozent der männlichen Abgeordneten würden nicht hier sitzen, wenn wir den Bundestag geschlechterparitätisch zusammengesetzt hätten.
(Beifall bei der LINKEN)

Daran wird auch deutlich, dass es nicht um Zahlenspiele oder rein rechnerische Mehrheiten geht.

Wir Linken sagen jedenfalls: Wir wollen nicht auf jeden Finanzspekulanten eine Finanzspekulantin. Wir wollen auch nicht auf jeden Hartz-IV-Empfänger eine Hartz-IV-Empfängerin oder auf jede arme Alleinerziehende einen armen Alleinerziehenden. Es geht darum, dass Frauen und Männer sich in diesem Land Einfluss und Macht teilen. Es geht darum, dass Frauen und Männer gleichberechtigt entscheiden können, wie es in dieser Gesellschaft weitergeht.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sönke Rix (SPD))

Es geht um die gerechte Verteilung von Arbeit, Zeit und Ressourcen, um nicht mehr und nicht weniger. Deswegen ist für uns die Quote ein dringend notwendiger Weg, aber eben nicht das Ziel.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Genau weil es ein dringend notwendiger Weg ist, wollen wir jetzt eine Quote an den Schnittstellen der Entscheidungen in Wirtschaft und Politik.

Sehen wir uns einmal die realen Quoten der Teilhabe in diesem Land an.Der Frauenanteil liegt bei Alleinerziehenden bei 90 Prozent, bei Teilzeitarbeitenden bei 87 Prozent, bei unbezahlter Arbeit bei 80 Prozent, bei Politikern und Parlamenten bei 33 Prozent, in Aufsichtsräten bei 10 Prozent und in Vorständen bei weniger als 1 Prozent.
(Caren Marks (SPD): Interessant wäre der Anteil bei der FDP!)

Klingelt da was?
(Caren Marks (SPD): Nein, bei Herrn Buschmann nicht!)

Wenn das kein Beleg für die ungerechte Verteilung von Arbeit, Zeit sowie Macht und Einfluss ist, dann weiß ich es auch nicht. Das ist genau der Grund, warum wir sagen: Es muss endlich konkrete Maßnahmen für eine paritätische Besetzung von Führungspositionen geben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Linke unterstützt den vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen, weil er aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung ist. Ich möchte trotzdem zwei kritische Anmerkungen machen. Der Gesetzentwurf regelt nur die Besetzung der Aufsichtsräte. Wir haben gemeinsam über die Erfahrungen unserer norwegischen Nachbarinnen mit den dortigen Regelungen reflektiert und beziehen uns alle gerne darauf. Die Aufsichtsräte in Norwegen spielen aber eine andere Rolle. Die wesentlichen Entscheidungen über die Firmenpolitik werden hierzulande in den Vorständen getroffen. Da spielt die Musik. Deswegen wollen wir eine gesetzliche Regelung für Aufsichtsräte und Vorstände.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Früher gab es die richtig gute grüne Losung - diese haben wir nun als linke Losung übernommen -: Wir wollen die Hälfte der Macht.
(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und zwar auf Erden!)

Liebe Kolleginnen von den Grünen, Sie sind zwar nicht auf halbem Weg, wohl aber bei 40 Prozent verhungert. Aber mit der Geschlechtergerechtigkeit verhält es sich wie mit einer Schwangerschaft: Ein bisschen geht nicht. Wir sollten darüber diskutieren, ob wir uns gemeinsam für die stufenweise Einführung einer 50 prozentigen Quote für Frauen einsetzen sollten.

Obwohl wir Ihren Gesetzentwurf unterstützen, wird meine Fraktion im Frühjahr einen weitergehenden Antrag vorlegen, der beide Punkte umfasst. Darin verankern wir die stufenweise Einführung einer 50 prozentigen Mindestquote für Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten innerhalb der nächsten zehn Jahre. Die Erfahrungen unserer norwegischen Nachbarinnen - darüber sollte man sich besser vor Ort und nicht nur in der Süddeutschen Zeitung informieren - zeigen auch, dass es dringend notwendig ist, gleichzeitig transparente Auswahlverfahren und Konzepte zur Qualifizierung von Führungskräften einzuführen.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, die Frau Kollegin Lazar möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. - Bitte.

Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Kollegin, könnten Sie dem Kollegen Buschmann von unserer Norwegenreise berichten, an der auch die Kollegin Bracht-Bendt teilgenommen hat? Der norwegische Arbeitgeberverband war vor der Einführung gegen eine Quote. Als wir nun diesen Arbeitgeberverband besucht haben, wurde uns berichtet, dass es jetzt ein Qualifizierungsprogramm für Frauen gibt - ein solches Programm empfehle ich auch manchem Mann, der dann ja wohl nach Ihrer Auffassung eine „Goldhose“ wäre - und dass der Arbeitgeberverband nicht mehr gegen, sondern für die Quote ist. Vielleicht sollte auch Herr Buschmann nach Norwegen reisen,
(Marco Buschmann (FDP): Ich mache keine Lustreisen! - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Reisen bildet, auch die FDP!)

um sich beim dortigen Arbeitgeberverband, der wahrscheinlich eher seine Positionen vertritt, kundig zu machen. Vielleicht können Sie, Frau Möhring, diesbezüglich noch einige Ausführungen machen. Offenbar hat die Kollegin Bracht-Bendt die Informationen von der Norwegenreise in ihrer Fraktion noch nicht ausreichend verbreitet.
(Caren Marks (SPD): Sehr schön, Monika! - Beifall der Abg. Caren Marks (SPD)

Cornelia Möhring (DIE LINKE):
Vielen Dank für die Frage. Ich bestätige die von Ihnen dargelegten Erfahrungen sehr gerne.
(Otto Fricke (FDP): Wie süß!)

Der norwegische Arbeitgeberverband, der anfangs gesagt hat: „Nein, wir wollen der Wirtschaft nichts vorschreiben“, hat sich gemeinsam mit der Politik nicht gegen eine Quote und für eine Selbstverpflichtung ausgesprochen, sondern hat Führungskräfteentwicklungsprogramme aufgelegt, die vor allem Frauen ansprechen. Ich stimme Ihnen aber völlig zu: Wir brauchen Führungskräfteentwicklungsprogramme für Frauen und Männer. Denn der Grund, warum Frauen in Führungsetagen nicht ausreichend vertreten sind, ist nicht mangelnde Qualifikation.
(Zuruf von der CDU/CSU)

Das ist Ihre Frage. Sie sollten zuhören, wenn Sie an Wissenserweiterung interessiert sind. Das zeigt, dass man für Denkprozesse nicht nur Ausgänge, sondern auch Eingänge braucht.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen hat sich in Norwegen auch gezeigt, dass es Sanktionen geben muss; denn die Ahndung von Verstößen muss wehtun, sonst haben wir nur eine Wiedereinführung der Freiwilligkeit.

Wir werden einen weitergehenden Antrag vorbereiten. Wir beraten ihn zurzeit mit Gewerkschaften und Juristinnen. Sie sind jetzt schon herzlich zur Diskussion eingeladen.

Deshalb wende ich mich jetzt explizit an die Kolleginnen und Kollegen der Grünen und der SPD: Wir sind uns doch weitgehend einig in Fragen der Gleichstellung zumindest , dass wir dringend gesetzliche Verpflichtungen brauchen, damit Frauen verstärkt in Führungspositionen kommen. Wir sind uns einig, dass freiwillige Selbstverpflichtungen zu nichts führen. Wir sind uns, glaube ich, sogar darin einig, dass bei dieser Bundesregierung in der Frage Hopfen und Malz verloren ist und von ihr keine Maßnahmen getroffen werden, die eine tatsächliche Verbesserung bringen.

Ich biete Ihnen deshalb hier an dieser Stelle an, in den kommenden Monaten, und zwar mit den außerparlamentarischen Akteurinnen, an einer gemeinsamen parlamentarischen Initiative zu arbeiten, um die Gleichstellung in der Privatwirtschaft voranzubringen. Wir könnten die paritätische Besetzung von Führungspositionen festlegen, die Gleichstellung von Frauen auch in anderen Bereichen der Privatwirtschaft regeln, und wir könnten endlich verbindliche Regelungen zur Entgeltgleichheit treffen.
(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, der 8. März 2011, der 100. Frauentag, wäre ein schöner Anlass für eine solche gemeinsame Aktion der Opposition. Lassen Sie uns damit beginnen. An der Linken wird es nicht scheitern;
(Caren Marks (SPD): An uns auch nicht!)

denn wir wollen endlich etwas verändern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)