Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren!
Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Warum haben Sie denn die Flasche mitgebracht?)
Ich habe hier ein Beispiel dafür, wie derzeit die freiwillige Kennzeichnung von Produkten der Lebensmittelindustrie aussieht. Ich lese einmal kurz vor, was hier steht, auch wenn ich nur eine kurze Redezeit habe, aber das müssen Sie sich einfach einmal vergegenwärtigen:
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Woher kommt denn das Produkt?)
Nährwertkennzeichnung je 100 Milliliter: Brennwert 102 Kilojoule oder 24,0 Kilokalorien, Eiweiß 0,1 Gramm, Kohlehydrate 5,8 Gramm, davon Zucker 5,6 Gramm, Fett unter 0,1 Gramm, davon gesättigte Fettsäuren unter 0,1 Gramm, Ballaststoffe 0,1 Gramm, Natrium unter 0,02 Gramm.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Wo kann ich das Produkt kaufen?)
Es geht mir jetzt einfach darum, dass Sie verstehen, dass ich beim Einkaufen überfordert bin, wenn ich solch einen Waschzettel lesen muss.
(Peter Bleser (CDU/CSU): Dafür können wir doch nichts! Hans-Michael Goldmann (FDP): Was wollen Sie draufmachen?)
Die Ampel, Herr Kollege.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Dann erfassen Sie von den zehn Punkten vier! Welche?)
Ich weiß nicht, was Sie von der FDP sich vorstellen, aber das Prinzip der Ampel ist in England sehr wohl von den Verbraucherinnen und Verbrauchern verstanden worden. Wer in unserem Land trinkt bitte literweise Olivenöl?
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Hans-Michael Goldmann (FDP): Keiner!)
Olivenöl wird löffelweise als Dressing zum Salat gegeben, den dann oftmals mehrere Menschen gemeinsam als Familienmahlzeit zu sich nehmen.
(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Das kann nur jemand sagen, der den teuersten Koch im Saarland beschäftigt hat!)
Also nehme ich nur winzige Mengen Olivenöl zu mir; und das ist dann gesund und nicht schädlich.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Staatssekretär Müller, Sie haben gefragt, was es den Staat angeht, was jemand isst und trinkt. Sie haben Gott sei Dank selber auch eine Antwort gegeben.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Binder, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Goldmann?
Karin Binder (DIE LINKE):
Aber gerne.
Hans-Michael Goldmann (FDP):
Frau Kollegin Binder, wenn ich es richtig in Erinnerung habe auch ich lese ja manchmal solche Etiketten und habe früher beruflich mit Ernährung zu tun gehabt , haben Sie eben zehn Inhaltsstoffe genannt, vielleicht auch zwölf. Wie viele Punkte wollen Sie denn nun auf solch eine Flasche kleben, und mit welcher Punktfarbe wollen Sie die verschiedenen Inhaltsstoffe bewerten?
(Zuruf von der CDU/CSU: Das würde mich auch einmal interessieren!)
Karin Binder (DIE LINKE):
Herr Kollege Goldmann, in dieser Flasche sind circa 56 Gramm Zucker.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): 5,6 Gramm haben Sie gesagt!)
5,6 Gramm auf 100 Milliliter. Es handelt sich um Apfelschorle. Ich trinke sie sehr gerne und werde sie auch künftig trinken.
(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Ich trinke nur Weinschorle!)
In dieser Flasche steckt praktisch mein Tagesbedarf an Zucker, denn die WHO empfiehlt für eine Frau 60 Gramm Zucker am Tag. Mit einer Flasche Apfelschorle, die 56 Gramm Zucker enthält, habe ich also meinen Tagesbedarf an Zucker gedeckt. Dann wäre für den Zuckergehalt ein roter Punkt zu setzen. Das bedeutet, ich passe auf, ich trinke keinen Liter Apfelschorle am Tag, sondern vielleicht ein oder zwei Gläser. Das darf ich. Dann habe ich noch ein Restkontingent an Zucker, den ich durch Süßigkeiten und Ähnlichem zu mir nehmen darf. Der rote Punkt würde also darauf hinweisen: Liebe Leute, seid vorsichtig, auch in Apfelschorle ist Zucker, auch wenn es ansonsten ein gutes Getränk ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten und der SPD)
Die anderen Inhaltsstoffe werden durch einen grünen Punkt gekennzeichnet, da in dem Getränk kein Salz und kein Fett enthalten ist.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Wenn ich erschöpft bin, dann ist es doch eigentlich nicht verkehrt, wenn ich das trinke!)
Vizepräsidentin Petra Pau:
Lassen Sie eine zweite Zwischenfrage zu, Frau Binder?
Karin Binder (DIE LINKE):
Ja.
Hans-Michael Goldmann (FDP):
Liebe Kollegin, wenn ich erschöpft bin und meine Kohlehydrate verbraucht habe Kohlehydrate sind ja nicht schlecht; manchmal werde ich dadurch leistungsfähig , dann müsste ich ja davon etwas trinken. Dann trinke ich sozusagen „Rotes“ in mich hinein. Das, finde ich, ist nicht sehr verbraucherinformativ.
(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Aber für einen Liberalen ganz hilfreich!)
Der rote Punkt signalisiert eigentlich, das Produkt ist nicht sehr geeignet. Aber in diesem Fall ist das Produkt besonders gut geeignet. Stimmen Sie hier mit mir überein?
Karin Binder (DIE LINKE):
Nein. Ich stimme mit Ihnen überein, dass das Produkt sehr geeignet ist, jemandem einen kleinen Energieschub zu verpassen. Wir wissen ja, dass Zucker für Energie sorgt. Das ist okay. Deshalb dürfen Sie ja Zucker zu sich nehmen.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Dann darf er nicht rot sein!)
Die Frage ist nur, wie viel. Zwischen ein oder zwei Gläsern Apfelschorle und einer Flasche Apfelschorle ist ein großer Unterschied. Darum geht es. Der rote Punkt sagt Ihnen: nicht so viel und nicht so oft davon trinken. Dann ist alles im Lot.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme gerne zur FDP und gebe Nachhilfe in Verbraucherbildung, wenn es sein muss.
Ich hatte vorhin Herrn Staatssekretär Müller angesprochen, der gefragt hat, was es den Staat angeht, was man isst und trinkt. Sie haben es selber beantwortet: Es geht um gesunde Lebensmittel. Viele Menschen können nicht das einkaufen, was gut und gesund ist, sondern müssen das einkaufen, was sie sich leisten können.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hans-Michael Goldmann (FDP): Endlich!)
Es ist leider so, dass viele Produkte, die billig angeboten werden, einen hohen Fett- und Zuckergehalt haben, damit sie nach etwas schmecken. In Großbritannien ist es aufgrund der Einführung der Ampelkennzeichnung tatsächlich gelungen,
(Hans-Michael Goldmann (FDP): 2004 abgeschafft!)
die Firmen dazu zu bringen, solch ungesunde Bestandteile in diesen Lebensmitteln zu reduzieren. Im Gegensatz zu der vielfach geäußerten Behauptung, in Großbritannien habe sich das System nicht rentiert, stellten Familienminister und Gesundheitsminister gemeinsam im Januar den Bericht der Regierung „Gesundes Gewicht, gesundes Leben“ vor. Sie stellen sich also ganz bewusst hinter die Ampelkennzeichnung und erklären: Gegenwärtig basiert unser bevorzugtes, von der britischen Lebensmittelbehörde FSA entwickeltes Modell auf einem Ampelsystem, das Verbraucherinnen und Verbraucher laut unabhängigen Forschungsergebnissen leicht verständlich finden und dazu beiträgt, Verhaltensänderungen zu bewirken.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Ampelkennzeichnung zeigt je nach der Zusammensetzung der Produkte grünes, gelbes oder rotes Licht für die vier Kategorien Fett - gesättigte Fettsäuren -, Zucker und Salz. Damit haben Sie eine Kennzeichnung für alle wichtigen Dickmacher. Die Leute können sich schnell orientieren und haben beim Einkaufen in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit alles Notwendige auf einen Blick. Damit können sie sich gesund ernähren. Die Firmen reagieren darauf, nehmen diese ungesunden Artikel aus den Regalen heraus und bringen gesündere, mit weniger Dickmachern belastete Lebensmittel in die Regale. Das ist in England nachgewiesen. Ich finde, dass die Regierung durchaus einmal einen Blick nach England richten könnte, wenn es um ein Maßnahmenpaket geht. Dort gibt es unter anderem auch Werbeverbote für Süßwaren und Ähnlichem in Kindersendungen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Die Kinder sind immer dicker geworden!)
Leider ist meine Redezeit zu Ende.
(Hans-Michael Goldmann (FDP): Sie sind schon zehn Minuten am Reden!)
Ich schließe mich der Forderung der Verbraucherzentrale an: Vorfahrt für die Ampel. Herrn Minister Seehofer empfehle ich: Schalten Sie auf Grün, biegen Sie links ab und starten Sie dann durch!
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Her mit der Ampelkennzeichnung für Lebensmittel
Rede
von
Karin Binder,